01.-03. Oktober 2010
Eigentlich sollte es nach 3 Jahren Abstinenz endlich mal wieder der Köln Marathon werden. Als dann jedoch die Kollegen von den Cologne Trailrunners von einem kleinen aber feinen Event im fernen Saarland schwärmten, hab ich die 50 EUR Startgebühr für Köln auf die Abschreibungsliste gesetzt, meinen Startplatz unter Einforderung einer neuen persönlichen Bestzeit einem ASV-Kollegen vermacht und mich stattdessen mit 6 weiteren Mitstreitern am ersten Oktoberwochenende auf nach St. Wendel begeben. Dort veranstaltet Plan-B Events seit 2009 unter dem Namen "Keep On Running" ein 3-tägiges Trailrunning-Event.
Zeltlager mit dem Wettkampfbüro befinden. Nach Abholung der Startunterlagen und Bezug unseres strategisch günstig gelegenen Quartiers, nur 100 m vom Startbereich entfernt, heißt es Vorbereiten auf den 1. Lauf. Den Auftakt macht der City-Night-Prolog, ein 3,1 km langer Kurs durch die verwinkelte St. Wendeler Altstadt und den Stadtpark. Durch enge Gassen windet sich die Laufstrecke über kurze, giftige Anstiege, steile Gefälle, mal treppauf, dann wieder treppab und sogar durch ein Parkhaus hindurch. Damit es nicht langweilig wird, sind unterwegs auch Strohballen und Baumhindernisse aufgebaut, die es möglichst ohne Zeitverlust zu überwinden gilt — eine Besichtigung des Parcours vor dem Rennen ist auf jeden Fall sinnvoll. Um 19 Uhr fällt der Startschuss, alle Teilnehmer starten einzeln in Abständen von 15 sek. Zu meinem leichten Bedauern sind wir schon sehr früh dran, bereits um 19:05 Uhr beginnt für uns die Hatz über das St. Wendeler Kopfsteinpflaster. Die Teilnehmer, die nach Einbruch der Dämmerung starten, kommen zusätzlich in den Genuss einer stimmungsvoll mit Kerzen ausgeleuchteten Strecke. Gerade vor der Basilika kommt das gigantisch rüber. Bei nur 3,1 zu laufenden Kilometern kann es natürlich nur eine Taktik geben und die heißt "Volle Pulle, alles, was geht". Die kleinen fiesen Anstiege und Treppen bringen einen durchaus schon leicht aus dem Rhythmus. Die Strohballen bei km 1,5 überläuft man noch locker, bei den kurz darauf folgenden Baumhindernissen ist dann volle Konzentration angesagt, um sich auf den glatten Stämmen nicht langzulegen. Dann noch kurz über die aufgeweichte Wiese im Stadtpark und den letzten Kilometer Vollgas ins Ziel — nach 11:54 Min. ist der Spaß vorbei. Länger hätte es auch nicht sein dürfen, denn die Lunge brennt, wie nach 5 Stunden Aufenthalt in einer verqualmten Kölner Veedelskneipe.
Am Freitag Nachmittag trudeln wir auf dem Schlossplatz ein, wo sich Start, Ziel und dasNach getaner Arbeit kann man sich auf die After-Race-Verpflegung im Saalbau freuen. Schon am ersten Abend wird hier ordentlich aufgefahren, der Bürgermeister persönlich steht am Schwenkgrill und belädt die Teller mit reichlich Koteletts. Als weitere wissenschaftlich anerkannte Sportlernahrung wird Gulaschsuppe und Currywurst, Pommes, Mayo gereicht. Aber auch die Vegetarier kommen bei Tonnen Pasta, Salat und Brot nicht zu kurz. Hinuntergespült wird das Ganze mit (allerdings nur gegen Bargeld erhältlichen) Nahrungsergänzungsmitteln wie Hefeweizen und Pils. Nach der Siegerehrung und den Bildern des Tages begeben wir uns zurück Richtung Hotel und legen noch einen kurzen Zwischenstopp im "Spinnrad" ein. Die Kneipe feiert gerade ihr 25-jähriges Bestehen. Als ich bemerke, dass hier Diebels Alt vom Fass ausgeschenkt wird, ahne ich schon, dass dieser Abend vermutlich ein böses Ende nehmen wird. Zu allem Überfluss hat das "Spinnrad" auch noch eine ganz starke Coverband am Start, die das Haus rockt und das Nachhausegehen unmöglich macht. So folgt ein Abschiedsbier dem nächsten, bis wir uns endlich, nachdem die Musik verstummt ist, um 2 Uhr morgens ziemlich angetütet ins Bett begeben. Gott sei Dank ist der Startschuss zur 2. Etappe erst in 10 Stunden.
richtig schön durchgeweicht hat. Auf den ersten beiden Kilometern ist davon noch nichts zu spüren, denn auf Asphalt geht es raus aus St. Wendel. Ausruhen kann man sich trotzdem nicht, von Anfang an geht es 5 km lang erstmal stetig bergauf. Bei km 2 geht es in den Wald und wir bekommen einen Vorgeschmack darauf, was uns heute erwartet. "Trailrunning" bedeutet nur zum Teil Laufen auf Wanderwegen oder schmalen Pfaden im Wald. Oft bedeutet es auch Laufen querfeldein durch den Wald, die Laufstrecke nur durch Flatterbänder markiert. Man stolpert über Wurzeln und umgestürzte Bäume, versinkt knöcheltief im Matsch, versucht sich zwischendurch als Pilzsammler, hüpft über kleine Bachläufe und bewegt sich auf den schlammigen Bergabpassagen mehr rutschend als laufend vorwärts. Einerseits sind es gerade diese Abschnitte, die ungeheuren Spaß machen, auf der anderen Seite kostet der tiefe Boden aber auch viel Kraft. Wenn auch die gröbsten Trailprofile unter den Schuhen keinen Halt mehr bieten und man die Hänge nur noch tolpatschig wie ein 3-jähriges Kind hinaufstapfen kann, verflucht man schon mal die widrigen Bedingungen und sehnt einen Abschnitt mit halbwegs befestigten Wegen herbei. Bis km 23 finde ich die Veranstaltung sehr kurzweilig, ab da will ich möglichst bald ins Ziel. Der holprige Parcours ist ständig für Umknicken gut und erfordert daher permanent volle Konzentration. Diese über die gesamte Distanz aufrechtzuerhalten fällt mir nicht ganz leicht. Bei km 26 sehe ich mich geistig schon auf dem Schlossplatz, aber ich habe natürlich nicht mit der hinterlistigen Bosheit der Veranstalter gerechnet. Mitten in einem Crossabschnitt stehe ich auf einmal vor einem 4 m tiefen Graben, die 60 Grad steilen Hänge komplett verschlammt. Überflüssigerweise hat jemand auch noch ein Schild mit der leicht sarkastischen Aufschrift "Achtung Rutschgefahr" an einen Baum genagelt. Na toll. Da ein ästhetischer Abstieg hier eh nicht möglich ist, rutsche ich einfach auf Hintern und Rücken den Graben runter. Auf halbem Weg nach unten blicke ich nach links und bemerke ein Seil, welches als Abstiegshilfe dort montiert wurde. Zu spät. Im Graben angekommen, muss man auf der anderen Seite die 4 m wieder rauf. Aber wie, auf dieser Seite gibt es kein Seil!? Schleifspuren von hilflos nach unten gleitenden Fingern und abrutschenden Füßen zeugen von einigen kläglich Versuchen, den Graben zu verlassen. Ich probiere, auf allen Vieren den Graben hinaufzukriechen, scheitere jedoch auf ganzer Linie, in der Matsche rutscht man einfach hilflos nach unten, reinster Slapstick. Beim 3. Versuch schaffe ich es endlich unter Zuhilfenahme diverser Bäume, an die ich mich klammere, nach oben. Froh, endlich dieses Hindernis überwunden zu haben, laufe ich weiter — und stehe 100 m weiter vor dem nächsten Graben. Böswilliger kann ein Streckenplaner kaum sein ... 2 km vor dem Ziel bin ich froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Die Gräben haben etwas meinen Schnitt versaut, sodass ich am Ende nochmal Gas geben muss, um in knapp unter 2:59 Std. am Schlossplatz über die Ziellinie zu laufen. Wobei ich so aussehe, als ob ich grad aus dem Moor und nicht aus dem Wald käme.
Um 9.30 Uhr quälen wir uns aus den Betten, um noch schnell ein Frühstücksbrötchen zu uns zu nehmen. So man denn eins hinunterbringt, allen gelingt das nicht ... Mir brummt ziemlich der Schädel und ich habe spontan gerade nicht so viel Lust, zu Fuß 31 km mit 627 Höhenmetern rund um die St. Wendeler Hausberge zurückzulegen. Aber wer saufen kann, kann auch laufen, um 12 Uhr geht's los auf den Spiemont-Trail und immerhin hört 10 Minuten vor dem Start auch der fiese Regen auf, der die ganze Nacht über die StreckeNachdem wir uns unter der Dusche der 2 cm dicken Schlammkruste entledigt haben, geht es auch heute wieder zur After-Race-Verpflegung in den Saalbau. Eigentlich denken wir, dass die nicht noch besser als gestern werden kann, aber da belehren uns die St. Wendeler eines Besseren. Heute gibt's als Nachtisch noch Kaffee und Kuchen. Abnehmen werden wir in den 3 Tagen definitiv nicht. Nach dem Essen gönnen wir uns noch eine entspannende Massage. Das Spinnrad muss heute ohne uns auskommen, ich bin jedenfalls froh, dass ab km 15 der Kopf wieder einigermaßen klar geworden ist.
Am Sonntag Morgen geht es bereits um 10 Uhr auf die abschließenden 19,8 km über den Bosenberg-Trail. Heute sind alle nüchtern, dafür merkt man die 31 km von gestern doch deutlich in den Beinen. Da auch heute wieder 538 Höhenmeter auf uns warten, gehen die meisten das Rennen entsprechend locker an. Auch heute geht es erstmal 5 km bergauf mit einem steilen, 1 km langen Anstieg rauf auf den Bosenberg. Anschließend folgen in schnellem Wechsel abschüssige Geländepassagen quer durch den Wald, kurze flache Abschnitte auf breiten Waldwegen und traumhafte Single-Trails rund um den Bosenberg. Die Strecke ist weit weniger vermatscht als gestern, Laufen statt Rutschen ist angesagt, sodass mir trotz der schweren Beine und des harten Streckenprofils der 3. Tag am meisten Spaß macht. Nach knapp 2 Stunden ist auch die letzte Etappe geschafft und wir können uns schon mal geistig auf die After-Race-Verpflegung, Teil 3 vorbereiten. Den Rotwein, der heute noch aufgefahren wird, kann ich jedoch nur in Maßen genießen, es warten noch ein paar Stunden Autofahrt zurück nach Köln.
Fazit: Eine klasse, absolut perfekt organisierte Veranstaltung, die eine echte Alternative zu den Herbstmarathons ist. Wolfgangs Aussage "Wenn Du St. Wendel gelaufen bist, willst Du nie wieder einen Stadtmarathon laufen", kann ich zwar nicht teilen, aber St. Wendel ist ab sofort ein fester Bestandteil in meinem Wettkampfkalender.