Juni 2018
24 Stunden nach der Abfahrt von Malpelo erreichen wir nach einer größtenteils ruhigen Überfahrt am Mittag Gorgona. Die 24 km2 große Insel und das umliegende Meeresgebiet firmieren offiziell unter dem Namen "Parque Nacional Natural Gorgona" und bilden seit 1984 einen von 59 Nationalparks in Kolumbien. Lediglich 3 % des Parks sind Landfläche. Spontan erinnert mich die 28 km vor der Küste Kolumbiens gelegene Insel mit ihrem üppigen Regenwald und dem leicht hügeligen Profil an die nahezu gleich große Isla del Coco. Wie auch dort, gibt es auf Gorgona keinerlei Straßen, sondern lediglich einige Trampelpfade entlang der Küste.
Die Insel ist aufgrund ihrer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt beliebtes Ziel für Ökotouristen. Jede Menge Schlangenarten (davon mit Lanzenotter und Korallenschlangen auch einige giftige Arten), Leguane, Affen, Faultiere, Frösche und Basiliske bevölkern die Insel, darunter auch einige endemische Arten. Eigentlich ist es im Juni noch etwas früh für Whale Watching: Buckelwale ziehen hauptsächlich im August und September an der Insel vorbei. Um so erfreuter sind wir, dass wir schon jetzt mehrere der Meeressäuger sichten. Vielleicht ergibt sich in den nächsten Tagen noch die Möglichkeit, etwas näher an sie heranzukommen.
Bevor wir Teil 2 unserer Tauchsafari in Angriff nehmen dürfen, müssen wir uns erst einen Vortrag der Park Ranger anhören, weswegen wir sogleich nach der Ankerung zur Ranger Station übersetzen, die sich an der Ostküste der Insel befindet. Direkt daneben steht ein Hotel; die einzige Unterkunft auf der ansonsten unbewohnten Insel. Der Vortrag findet im Fernsehraum des Hotels statt, wo zu unserem großen Entzücken gerade ein Spiel der Fußball-WM läuft. Zu unserem noch größeren Entzücken bestätigt uns Maria, eine der Rangerinnen, dass alle Spiele live gezeigt werden und wir gerne morgen vorbeikommen können, um das Deutschland-Spiel zu sehen. Yippie Yah Yei!
Nach dem etwas drögen Vortrag mit allerlei Statistiken führt uns Maria noch durch die Ruinen des Hochsicherheitsgefängnisses, das von 1960 bis 1984 auf der Insel betrieben wurde. Nichts, wo man tot überm Zaun hängen will!
Wir starten unsere Erkundung der Tauchplätze Gorgonas an der Nordspitze der Insel, wo es rund um drei kleine Felsen einige Tauchplätze gibt, die man aber auch während eines einzigen Tauchgangs abklappern kann. Da Michael selbst noch nicht hier war, guided ab nun Alejandro, der auch schon auf Gorgona gearbeitet hat. Als Erstes springen wir in Strandnähe weit vor besagten Felsen am Platz Remansa del Horno. Warum, weiß nur der liebe Gott. 20 min lang paddeln wir bei höchstens 5 m Sicht durch eine trübe Brühe über eine leblose Geröllwüste – da kann ich auch gleich wieder in der Aggertalsperre tauchen, auch wenn ich da wahrscheinlich nicht den Walgesang habe, der den gesamten Tauchgang akustisch untermalt. Viel besser wird es auch in der 2. Halbzeit nicht, die Geröllwüste wird lediglich durch ein paar Felsen abgelöst, um die immerhin ein bisschen Kleinvieh herumwuselt. Trotzdem verschwendete Zeit.
Beim zweiten Tauchgang springen wir gleich an den Felsen, die auf den Namen Rocas del Horno hören. Es ist deutlich besser als heute Morgen, denn immerhin können wir in der immer noch trüben Brühe einige Weißspitzen, eine Kröte, einige Occis und einen LaNaBüBa in einer knallpinken Koralle ausmachen. Und immerhin kann man dieses Mal das herumwuselnde Kleinvieh auch einigermaßen erkennen. Trotzdem fällt die Entscheidung pro oder contra Tauchgang 3 nicht schwer. Den lässt Team "Delta" geschlossen sausen und schaut sich in der Ranger Station lieber das WM-Spiel gegen Schweden an.
Am frühen Morgen verlegt sich die "Ferox" auf die Westseite vor Gorgonilla, die kleine Schwesterinsel Gorgonas. Hier stehen mit Montañita 1 und 2 zwei Unterwasserberge auf dem Programm, die sich aus einer Wassertiefe von 25 m bis einige Meter unter die Oberfläche erheben. Netterweise begleiten uns bei unserer Schlauchbootfahrt zum Tauchplatz zwei Buckelwale, weswegen der Absprung sich etwas verzögert. Die Sicht an Berg Nr. 1 ist mit 10 m immerhin doppelt so gut wie gestern, aber außerordentliche Highlights gibt es nicht zu vermelden. Immerhin gibt es hier tatsächlich so etwas wie eine Korallenlandschaft, die aber nur mit Lampe einigermaßen zur Geltung kommt.
Wirklich gut sind danach die beiden Abstiege an Hügelchen Nr. 2. Bei weiter aufklarender Sicht tobt viel Schwarmfisch — vor allem unterschiedliche Stachelmakrelenarten — über dem Berg herum. Über einer Statue, die in Gedenken an einen verunglückten Apnoe-Taucher versenkt wurde, kreiselt ein großer Barrakuda-Schwarm um die Taucher herum. Auf den Felsen wimmelt es von Oktopussen und anderem Kleinzeug; die Unterwasserberge sind daher auch für Makrofotografie eine gute Adresse. Sehr cool!
Zurück auf der Ostseite geht es nach Einbruch der Dunkelheit direkt vor dem Hotelstrand zum einzigen Nachttauchgang des Trips am Platz Planchon ins Wasser. Wir sind noch nicht ganz unten angekommen, da haben wir schon einen Riesenzackenbarsch an den Flossen, der seine letzte Mahlzeit noch im Maul hat. In einem kleinen Bootswrack strecken einem Dutzende schlafende Fische aus ihren Schlaflöchern die Schwanzflosse entgegen. Möchte man nicht Gott spielen, sollte man sie nicht allzu lange mit der Tauchlampe anleuchten, denn die überall umherschwimmenden Muränen nutzen das Licht der Lampen zur Jagd, ganz so wie die Rotfeuerfische im Roten Meer. In den Korallen hocken haufenweise Langnasenbüschelbarsche und unter einem großen Betonteil pennt eine riesige Grüne Meeresschildkröte – wahrscheinlich die fetteste Grüne Kröte, die mir bisher untergekommen ist. Gorgona hat doch mehr Potenzial, als der gestrige Tag es hat vermuten lassen.
Das bestätigt sich auch am nächsten Morgen. Die Rocas del Horno sind nicht wiederzuerkennen: Der kleine Sturm von gestern Abend hat anscheinend den ganzen Pritt weggespült; bei 15 m Sicht erfreuen wir uns an kreiselnden Großaugenmakrelen und Schwärmen von Stachelmakrelen, Grunzern, Schnappern und Doktoren, garniert mit Weißspitzen, Kröten, Oktopussen und LaNaBüBas. Wirklich gut!
Nach dem finalen Tauchgang an Montañita 2, der keine neuen Erkenntnisse bringt, gibt es noch eine einstündige Whale Watching-Tour, die ich wegen Magenproblemen auslasse. Die Walbeobachter fänden es wahrscheinlich nett, wenn ich nach den Montañitas nicht auch noch das Schlauchboot zuscheiße. 5 gesichtete Buckelwale sind das Ergebnis des Ausflugs.
Bei der 10-stündigen Fahrt zurück nach Buenaventura ist es Zeit, das Fazit zu ziehen: Malpelo war, wie schon berichtet, wieder top. Gorgona ist m.E. eher was zum Eintauchen, bevor man rüber nach Malpelo fährt. Nichts, was man unbedingt getaucht haben muss. Wahrscheinlich ist ein Inselspaziergang, bei dem man all das Landgetier, das auf der Insel kreucht und fleucht, die interessantere Variante. Müsste man ausprobieren. Schön waren die Buckelwale, auch wenn wir nicht mit ihnen schnorcheln konnten, da sie es extrem eilig hatten. Ob das später im Jahr (wir waren sehr früh in der Saison) anders ist, kann ich nicht beurteilen, aber wahrscheinlich ist für reine Buckelwal-Schnorcheltouren schon aufgrund der besseren Sichtverhältnisse immer noch Französisch Polynesien das Ziel der Wahl.
Video: "Scuba Diving @ Gorgona Colombia with MV Ferox and Tauchertraum" von Dive Cooky [03:00 Min.]