Isla de Cedros

Von Guadalupe nach Socorro – Woche 1: Guadalupe

November 2012

Langsam füllt sich das Ramada Airport Hotel San Diego mit Tauchgepäck und dessen Besitzern. Da die Nautilus Explorer ihre Gäste ausschließlich in diesem Hotel einsammelt, haben sich fast alle der 24 Gäste für eine Nacht hier eingebucht, bevor es morgen Abend Richtung Mexiko geht. Nur 1x im Jahr nimmt die Nautilus Explorer den langen Weg Richtung Süden unter den Kiel, wenn die Weißhai-Saison in Guadalupe endet und das Boot nach Cabo San Lucas an die Südspitze der Baja California verlegt wird, von wo aus es die nächsten 7 Monate die Socorro-Inseln und das Clipperton-Atoll ansteuert. Dementsprechend begehrt sind die Plätze auf diesem Trip, bereits vor fast 3 Jahren habe ich mich hierfür bei Tauchertraum, die das Schiff für diesen Trip gechartered haben, eingebucht.

Tag 1: DO, 01.11., San Diego

Vor dem Tauchvergnügen steht ein Tag Aufenthalt in San Diego an, den wir mit entspanntem Sightseeing gedenken zu überbrücken. Per Bus und Bahn geht es in die City schnurstracks zur Horton Plaza, der größten Shopping-Mall am Platze. Ich kann nicht entdecken, dass sich hier seit 1994, wo ich schon einmal hier war, groß etwas verändert hat. Wir schlendern zum Convention Center, genießen die Aussicht über die Bucht und hauen uns in Joe's Crab Shack eine ordentliche Portion Shrimps (brilliant!) mit dazu passenden Kaltgetränken in den Magen. Nur die ständig über die Bucht donnernden Hubschrauber, die die nahegelegene Basis der US Navy ansteuern, stören etwas die Urlaubsidylle. Weiter geht der Spaziergang immer am Wasser entlang, vorbei am ausrangierten und durchaus beeindruckenden Flugzeugträger "USS Midway", der jetzt als Touristenmagnet dient, und dem alten Segelschiff "Star of India" zur America Plaza und von dort per öffentlichen Verkehrsmitteln zurück ins Hotel. Dort ist bereits der Shuttle der Nautilus Explorer eingetroffen und hat die Gäste des letzten Trips abgesetzt. Gegen 21 Uhr geht's dann endlich los, die Fahrt nach Ensenada, wo die Nautilus Explorer vor Anker liegt, dauert etwa 2 1/2 Stunden inkl. der Kontrolle an der mexikanischen Grenze, wo unser komplettes Gepäck durchleuchtet und uns mitgeführter Alkohol abgenommen wird, damit sich die Zöllner noch einen netten Abend machen können.

Tag 2: FR, 02.11., Ostpazifik

Das Einchecken geht zügig vonstatten und der Willkommensmargarita lässt das beim Grenzübertritt verloren gegangene Dosenbier schnell vergessen. Gegen 1 Uhr stechen wir in See, knapp 30 Stunden wird die Überfahrt nach Guadalupe dauern. Zeit genug, um die Mitreisenden kennenzulernen und schon mal für das Käfigtauchen gebrieft zu werden. Die Weißhai-Saison neigt sich dem Ende, wir sind der letzte Trip, der die Insel ansteuert, es sind keine anderen Boote mehr vor Ort. Die Bedingungen sind aber weiterhin gut, versichert uns die Crew, gerade der letzte Tag des letzten Trips sei fantastisch gewesen mit guter Sicht und den Großen Weißen in Aktion.

Die Nautilus Explorer hat 3 Käfige mit an Bord. Zwei Käfige mit einer Kapazität von 4 bzw. 2 Personen (plus je ein Guide) werden an der linken bzw. rechten Seite des Bootes über eine hydraulische Winde auf eine Wassertiefe von 10 m hinabgelassen. Ein weiterer Käfig ("Hanging cage") hängt am Heck des Bootes, dessen Boden sich in knapp 4 m Wassertiefe befindet. Über eine Leiter können max. 3 Personen in diesen Käfig klettern. Auf diese Weise können sich max. 9 Gäste gleichzeitig in den Käfigen aufhalten. Die 2 Guides, die die ablassbaren Käfige ("Submersibles") begleiten, befinden sich AUF diesen, nicht IN diesen. Von dort wecken sie das Interesse der Haie durch freundliches Zuwinken und richten den Käfig optimal aus.

Die Submersibles fahren im Rotationsprinzip in 45-Minuten-Intervallen, sodass bei 24 Gästen jeder Gast 3x pro Tag (alle 3 Stunden) dran ist, was eine Gesamt-Haizeit von 2 1/4 Stunden täglich ergibt. Diese Zeit kann man dadurch erhöhen, dass man so oft es geht in den Hängekäfig geht. Für diesen gibt es keinen Belegungsplan, wann immer ein Platz frei ist, kann man einsteigen und beliebig lange bleiben.

Die Luftversorgung in allen Käfigen erfolgt von der Oberfläche aus, d.h. man steigt ohne Flasche ein, was der Bewegungsfreiheit zugutekommt. Für den Notfall befinden sich in den Käfigecken reguläre Pressluftflaschen mit je zwei 2. Stufen, für den Fall, dass es mit der Versorgung von oben ein Problem geben sollte. Die Käfige hängen an dicken Stahlseilen und können über ein Hebesack-System manuell wieder an die Oberfläche gebracht werden, sollte die hydraulische Winde ausfallen. In puncto Sicherheit muss man sich so keine Sorgen machen. Derartig gebrieft können wir es kaum erwarten, morgen endlich ins Wasser zu steigen.

Tag 3: SA, 03.11., Guadalupe

Mitten in der Nacht erreichen wir Guadalupe und ankern an einer der wenigen Ankerplätze an der Ostseite der Insel, die knapp 40 km lang, gut 9 km breit, und vollkommen unbewohnt ist. Das Ufer der bis zu 1300 m hohen Insel fällt zumeist steil in den Pazifik ab, was ein Betreten nur an wenigen Stellen ermöglicht. Das ist aber sowieso verboten, seit ein paar grillwütige Camper vor ein paar Jahren ein Feuer verursacht haben, dem 80 % des ohnehin spärlich vorhandenen Baumbestands zum Opfer gefallen sind. Dementsprechend karg sieht die Insel aus.

Wir interessieren uns aber eh mehr für die Schönheiten unter Wasser, namentlich die Großen Weißen. Die kommen saisonal hierher, wenn die auf der Insel lebenden See-Elefanten ihre Jungen zur Welt bringen. Des Nachts stellen die Weißen dem noch unerfahrenen Elefanten-Nachwuchs nach. Außerdem gibt es rund um Guadalupe noch eine große Anzahl Kalifornischer Seelöwen, die potenziell auch auf der Speisekarte der Haie stehen, ganz so, wie man es aus Südafrika von den Kap-Pelzrobben kennt. Allerdings sind die Seelöwen zu clever und flink, um sich von den Weißen vernaschen zu lassen. Völlig unbeeindruckt schwimmen sie mit dem Top-Räuber der Meere, beißen ihm schon mal aus Spaß in die Schwanzflosse oder schwimmen Salti vor seinem Maul. Sie machen sich regelrecht einen Jux daraus, mit den Haien Katz und Maus zu spielen und die Katze ist hierbei nicht der Hai.

Bereits früh am morgen geht's los, um 8 Uhr geht die erste Schicht in den Submersibles auf Tauchstation, in der Hoffnung, dass die Haie dann schon anwesend sind. Die Hoffnung erfüllt sich, mit strahlenden Gesichtern steigen die ersten beiden Gruppen aus den Käfigen. Um 9.30 Uhr bin ich auch endlich dran, mit knapp 20 Kilo Blei für einen festen Stand bewaffnet, geht es abwärts. 15 Minuten passiert gar nichts, außer tiefblauem Meer ist nichts zu sehen, das leichte Frösteln wird ausschließlich durch das 19 Grad kalte Wasser, das durch die Manschetten in den Neo kriecht, verursacht. Dann geht auf einmal alles ganz schnell, aus dem dunstigen Tiefblau tauchen schemenhaft drei konische Schnauzen auf und nähern sich dem Käfig. Aus nächster Nähe können wir für die restliche halbe Stunde den König der Meere beobachten. Was für ein Gebiss! Zwei der drei Haie sind Weibchen, darunter eine Big Mama von an die 5 m Länge, ein wahrer Trümmer! Unterstrichen wird ihr "Chef im Ring"-Status durch ihre enorme Oberweite, ähnlich wie Tigerhaie sind auch Weiße Haie voluminös gebaut. Bei aller Kraft, den ihre Statur ausstrahlt, sind sie dennoch elegante Schwimmer und wunderbar anzuschauen. Außerdem sind es ausgesprochen vorsichtige Tiere, die meist so gar nicht dem Image entsprechen, welches sie durch diesen unsäglichen Film erworben haben. Selbst die großen Haie umkreisen oft minutenlang den Thunfischköder, schwimmen ihn an und prüfen die Lage, um dann doch wieder abzudrehen, einen neuen Anlauf zu nehmen und erneut zu prüfen, ob keine Gefahr droht. Manchmal dauert das Spiel eine halbe Stunde, bis sie sich endlich zum Zuschnappen entscheiden. Dieses Verhalten rührt daher, dass sich Haifischfutter in der Regel wehrhafter zeigt als unser Köder. Und wenn der Hai bei der Abwehrreaktion eine Verletzung davonträgt, endet er schlimmstenfalls früher oder später selbst als Mittagessen.

Video: Käfigtauchen mit dem Großen Weißen [06:56 Min.]

Nach der Einnahme selbigens steigen wir zum 2. Mal in die Submersibles. Versenken können wir uns aber nicht, da die Winde ein Problem hat und wir deshalb den gesamten "Tauchgang" an der Oberfläche bleiben müssen. Das macht aber gar nichts, das Licht ist hier oben eh besser und die Haie sind sowieso immer da, wo die Käfige sind, denn an ihnen hängt schließlich der Köder. So haben wir 45 Minuten lang volle Action mit zwei Großen Weißen.

Am Nachmittag steige ich für eine halbe Stunde in den Hanging Cage, bevor es im fliegenden Wechsel in den 2-Mann-Submersible geht. Mitten im Tauchgang geht plötzlich das Licht aus, denn gegen 15:45 Uhr verschwindet die Sonne hinter den hohen Bergen Guadalupes. Zum Fotografieren ist es dann zu dunkel, zum Haie beobachten nicht, denn glücklicherweise umkreist auch bei unserem 3. Versuch eine Big Mama permanent in wenigen Zentimetern Abstand unseren Käfig und macht so den ersten Tag zu einem vollen Erfolg.

Am Abend wird auf den tollen Einstieg angestoßen und die Shark ID-Akte rausgeholt, um unsere Haie zu identifizieren. Seit 2001 läuft ein Projekt zur Erfassung der Weißen Haie vor Guadalupe. Jeder Hai lässt sich an der individuellen Grau-Weiß-Musterung seiner Seiten eindeutig bestimmen. Fotografiert man einen bisher unbekannten Hai, darf man ihm einen Namen geben. Unsere beiden Big Mamas von heute waren jedoch auch schon in der Vergangenheit vor Guadalupe aktiv und hören auf die Namen "Bella" und "Arden Grace". Mal schauen, ob es morgen ein Wiedersehen geht.

Tag 4: SO, 04.11., Guadalupe

Heute wird durchrotiert, die erste Gruppe von gestern startet heute als letztes, alle anderen rücken 45 Minuten nach vorne. Auf diese Weise hat jeder die gleichen Chancen, was Haiaktivität und Licht angeht. In der Regel sind die Haie nämlich früh am Morgen nicht so aktiv, was die erste Gruppe manchmal etwas benachteiligt. Dafür hat sie abends dann die besten Lichtverhältnisse, wenn es bei den letzten beiden Gruppen schon etwas duster wird. Heute brauchen wir uns aber über mangelnde Aktivität am frühen Morgen keine Sorgen zu machen, die 8 Uhr-Gruppe entsteigt mit breitem Grinsen den Käfigen und überlässt uns das Feld. Die Ursache der Grinseattacke können wir dann wenige Minuten später selbst in Augenschein nehmen: 3 Große Weiße sind anwesend, dazu einige Seelöwen, die den Haien tatsächlich auf der Nase herumtanzen und sich so gar nicht wie Haifischfutter benehmen. Super Schauspiel! Garniert wird die Szenerie von einigen Gelbflossenthunen, die sich an den Überresten ihrer bedauernswerten Artgenossen laben.

Auch die weiteren Tauchgänge heute sind ein voller Erfolg, wenn auch beim letzten Abstieg "nur" noch Arden Grace anwesend ist, die uns dafür wieder volle 45 Minuten lang umkreist.

Tag 5: MO, 05.11., Guadalupe

Unser 3. und letzter Tag vor Guadalupe bringt weiterhin Hai-Action satt. Während der ersten beiden Abstiege ist wieder Arden Grace mit zwei kleineren Artgenossen am Start. Trotzdem verwaist der Hanging Cage immer mehr, das kalte Wasser fordert langsam seinen Tribut. Außerdem macht der Aufenthalt in ihm nicht so arg viel Sinn, wenn die Submersibles unten sind, da die Haie dann meist in 10 m Tiefe oder darunter kreiseln und man sie aus dem Hanging Cage nur von oben sieht. Interessant wird es am Anfang und Ende des 45-Minuten-Intervalls, wenn die Submersibles an der Wasseroberfläche sind, da die Haie den Käfigen nach oben folgen und man dann auch aus den Hanging Cages einen guten Blick hat.

Um 14 Uhr steige ich schließlich zur finalen Tauchfahrt in den 2-Mann-Käfig. Arden Grace lässt sich von einer ähnlich großen Artgenossin vertreiben und ward nicht mehr gesehen. Ein kleines Männchen beobachtet derweil interessiert die kleine Konfrontation. Nach dem Tauchgang steige ich nochmal für volle 45 Minuten in den Hanging Cage, was sich als gute Entscheidung erweist, denn es tauchen noch zwei Weiße auf, so das für kurze Zeit vier Große Weiße die Käfige umkreisen. Mit derweil fantastischen Anblicken lasse ich es gut sein, wärme mich noch eine Stunde lang in dem heißen Whirlpool auf dem Zwischendeck auf und bereite mich schon mal seelisch aufs Abendessen vor, was auf der Nautilus Explorer so gut und üppig ausfällt, dass man sich keine Hoffnungen zu machen braucht, bei dem kalten Wasser mehr Kalorien zum Heizen des Körpers zu verbrennen als man zu sich nimmt. Das Gleiche gilt auch für die vier anderen Mahlzeiten am Tag.

Unmittelbar nachdem die letzte Gruppe um 17:30 Uhr aus dem Wasser gestiegen ist, Mit dem iPhone geht Silke auf Weißhaijagd. ©  Wolfgang Kranz, Jacqueline Kromer, Babette Lehnen betätigt sich Silke schnell noch als Mythbuster und steigt mit einem wasserdichten iPhone nochmal in den Hängekäfig. Irgendein "Wissenschaftler" hat mal behauptet, Weiße Haie stünden auf Heavy Metal. Auch nach 10 Minuten AC/DC-Beschallung lässt sich aber kein Weißer blicken, die Thunfische sind da doch die bessere Vorgehensweise. Mythos zerstört. Vielleicht ist AC/DC aber auch einfach nicht hart genug.

Schließlich wird auch der Hängekäfig eingeholt und verzurrt und wir machen uns auf den Weg gen Süden. Die erste Etappe sollte schnell erledigt sein, noch vor Sonnenaufgang müssten wir Cedros erreichen.

Tag 6: DI, 06.11., Cedros

Wie geplant ist es noch dunkel, als der Anker fällt. Cedros (siehe Mood-Bild) ist eine karge, knapp 350 km² große Insel, 22 km vom mexikanischen Festland entfernt. Verwaltungstechnisch ist sie ein Bezirk der Gemeinde Ensenada, die gut 400 km nördlich liegt. Gibt halt nicht so arg viele Orte auf der eher unwirtlichen Baja California. Normalerweise taucht die Nautilus Explorer Crew an der Nordostspitze der Zederninsel in der Nähe eines kleinen Dorfes, denn hier befinden sich gleich zwei Tauchhighlights: eine Seelöwenkolonie und Kelpwälder. Zumindest war es einmal so, bei Sonnenaufgang muss die Crew jedoch mit Erschrecken feststellen, dass von Seelöwen und Kelp an dieser Stelle inzwischen jegliche Spur fehlt. Den Kelp finden wir nicht wieder, die Seelöwenkolonie hat sich dagegen etwa einen Kilometer nach Süden verzogen. Da Tauchen ohne Kelp und ohne Seelöwen hier keinen Sinn macht, verlegen wir das Boot ebenfalls dahin, um bei den drei Tauchgängen des heutigen Tages zumindest mit den Löwen herumtollen zu können. Toll finden offenbar auch die Seelöwen unsere Ankunft, denn als die Nautilus Explorer langsam in Richtung Kolonie tuckert, stürmt auf einmal die ganze Horde vom Strand ins Wasser, spurtet auf das Schiff zu und einhundert Hälse recken sich gleichzeitig wie Erdmännchen aus dem Wasser, um die Neuankömmlinge in Augenschein zu nehmen. Damit die Tauchgänge für alle Beteiligten ein Spaß werden, gibt es vor dem ersten Abstieg noch ein ausführliches Briefing, was man zu tun und was man zu lassen hat und insbesondere, wie man sich verhält, wenn ein Seelöwen-Bulle einem unmissverständlich klarmacht, dass die Anwesenheit von Konkurrenten in der Nähe seines Harems unerwünscht ist.

Gut vorbereitet springen wir direkt von der Taucherplattform ins Wasser und tauchen langsam Richtung Strand. Nach Überqueren einer kleinen Seegraswiese flitzen die ersten Seelöwen an uns vorbei, kurz darauf finden wir uns in einer tobenden Menge wieder, die in dem 3 Meter flachen Wasser den Sandboden so sehr aufwirbelt, dass man kaum die Hand vor Augen sieht. Seelöwen-Weibchen sind wie kleine Kinder: ausgesprochen neugierig und wollen alles erkunden, indem sie es in den Mund nehmen. Weder Kameras noch Blitzgeräte oder Atemreglerschläuche sind vor ihnen sicher. Allerdings sind die hier etwas zurückhaltender als ihre Schwestern, die ich vor Los Islotes erlebt habe. Hier zerrt niemand an meiner Kopfhaube und auch meine Hand weist keine neuerlichen Bissspuren auf. Lediglich meine Flossen und mein Blitz werden Besuch von oben einer vorsichtigen Geschmacksprobe unterzogen, aber für unwürdig befunden. Na, wenn die schon nicht schmecken, dann ist es kein Wunder, dass sie an meinen Neo nicht ran gehen, der nach drei Tauchtagen nicht mehr unbedingt nach Perwoll riecht. Fast den ganzen Tauchgang verbringen wir mit den Löwen, bevor es über die Seegraswiese zurück zur Nautilus Explorer geht. Ein kleiner Hornhai, der sich im Seegras verschanzt hat, sorgt für eine kurze Verzögerung, indem er sich erfolgreich dem Zugriff meines Kameraobjektivs entzieht.

Video: Spielfreudige Seelöwen vor Cedros [03:52 Min.]

Während seine Verwandten in der Regel durchs Freiwasser flattern, gräbt sich der Kalifornische Adlerrochen (Myliobatis californica) auch gerne in den Sandboden ein, wo er sich von Würmern, Krebs- und Weichtieren ernährt. © Karen Grunwald, Heike Jänchen, Andreas Hinz Für den 2. Tauchgang lassen wir die Löwen Löwen sein und unterziehen die Seegraswiese einer genaueren Untersuchung. Normalerweise wimmelt es in so einer Wiese ja vor Leben, man muss es nur finden, was für das ungeübte Auge nicht so einfach ist. So bleiben uns dann außer ein paar Fadenschnecken die potenziellen Makromotive auch verborgen, Highlights sind ein weiterer Stierkopfhai, ein getarnter Gitarrenrochen und ein Stapel Langusten, die sich unter ein Büschel Seetang eingelagert haben.

Es dämmert schon fast, als ich nochmal für einen Solotauchgang ins Wasser steige. Zu meiner Begeisterung ist Solo-Tauchen auf der Nautilus Explorer immer noch erlaubt, wenn es die Crew auch nicht unbedingt empfiehlt. Zum Tollen mit den Seelöwen in 3 m Wassertiefe braucht's aber auch keinen Buddy, denn das ist das, worauf ich mich bei diesem Tauchgang beschränke. Gut, dass ich alleine im Wasser bin, sodass kein Mittaucher die unbeholfenen Schrauben und Salti, mit denen ich versuche, die Löwen bei Laune zu halten, auf Video bannen und ins Internet stellen kann.

Nach dem Abendessen packen wir zusammen, bis zu unserer nächsten Station, San Benitos, sind es nur ein paar Stunden Fahrt. Hoffentlich haben wir da mehr Glück mit Kelp.

Tag 7: MI, 07.11., San Benitos

Herzliche Begrüßung vor San Benitos. © Sebastian Rummler & Silvia Meise San Benitos (offiziell: "Islas San Benito") ist eine Inselgruppe 25 km westlich von Cedros, die aus drei kleinen Inseln mit Flächen zwischen 0,4 und 2,6 km² besteht. Alle Inseln sind für ihre dichten Kelpwälder bekannt, die sie umgeben. Der Kelp reicht normalerweise bis an die Wasseroberfläche und ist so leicht vom Boot aus zu sehen. Auch hier ist daher das Entsetzen groß, als keinerlei Anzeichen seiner Existenz zu erkennen sind. Guide Joel hat nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder hat der letzte große Sturm, der hier vor ein paar Wochen über die Inseln gefegt ist, den ganzen Kelp dahingerafft oder er wurde von den Einheimischen abgeerntet. Die Crew disponiert daher um und macht schon wie gestern vor Cedros diesen Tag zu einem Erkundungstag mit Tauchgängen an unbekannten Plätzen. Statt an die gewohnten Plätze geht es zunächst an die östlichste der drei Inseln, da es hier zumindest eine Seelöwenkolonie hat. Während der ersten beiden Tauchgänge will die Crew bei den Einheimischen in Erfahrung bringen, ob vielleicht noch irgendwo Kelp übrig ist und das Boot dann ggf. für die Nachmittagstauchgänge verlegen.

Beim Sprung ins Wasser haben wir Hoffnung, dass vielleicht wenigstens Reste des Kelpwaldes übrig sind, die von der Wasseroberfläche aus nicht zu sehen sind. Unsere Hoffnung erfüllt sich, die Felsen sind in einen dichten Dschungel aus kleinen Kelppflanzen bedeckt, die rhythmisch in der Dünung hin und her wehen. Einzelne Pflanzen bilden Stämme, die aus 30 m Wassertiefe bis unter die Wasseroberfläche reichen. Nicht so dick wie an den Twelve Apostles, aber immerhin. Das dämmrige Licht und leicht milchige Wasser sorgen zusätzlich für eine mystische Atmosphäre, ich komme mir vor wie in den Feuchtwäldern von Hogsback, in denen sich J.R.R. Tolkien angeblich zu seinem "Herrn der Ringe" hat inspirieren lassen. Für goldene Farbtupfer in der grünblauen Szenerie sorgen die allgegenwärtigen Garibaldis, die überall im Kelp herumschwimmen. Für Kurzweil sorgen natürlich auch wieder die Seelöwen, die ausgelassen herumtollen, uns mit treudoofen Kulleraugen anschauen, um im nächsten Moment in einem Anfall von Imponiergehabe ihre nicht zu unterschätzenden Beißerchen zu zeigen. Alles nur Spaß, sie wollen nur spielen.

Während unseres ersten Tauchgangs fragt die Crew bei den Einheimischen nach dem (richtigen) Kelp. Das Ergebnis ist ernüchternd, es gibt keinen mehr rund um die anderen Inseln. Also bleiben wir, wo wir sind und betauchen im Laufe des Tages drei weitere Spots an Ost-Benito, die alle unmittelbar benachbart sind. Überall sieht es gleich aus, von Kelp bedeckter Fels, Garibaldis und kleine Zackenbarsche, einige Drachenköpfe, hier mal ein Nacktschneckchen, da mal ein Grunzer und immer ein Seelöwe hinter der nächsten Kelppflanze. Insgesamt ein toller Tag vor San Benitos.

Video: Noch mehr herumtollende Seelöwen [04:38 Min.]

Nach dem letzten Tauchgang wird es Ernst. Wegen 8 Fuß hoher Wellen können wir den nächsten geplanten Zwischenstopp an den Rocas Alijos, die 370 km südlich von hier nur ein paar kleine Felsinseln im offenen Ozean sind, nicht ansteuern, und müssen direkt die 1150 km bis Socorro durchbrettern. Das bedeutet 60 Stunden Fahrt, 2 1/2 Tage Cruisen am Stück.

Tag 8: DO, 08.11., Ostpazifik

Die Fahrt ist erstaunlich ruhig, die Ausgleichstanks der Nautilus Explorer federn einiges an Wellengang ab. Es bleibt Zeit zum Einkaufen im Bord-Shop und ausgiebiges Diskutieren der vergangenen Woche mit den Tauch-Buddies. Alle sind begeistert, die Hai-Action in Guadalupe war top und auch die Seelöwen von Cedros und San Benitos haben gute Laune verbreitet und über die nicht mehr ganz so üppigen Kelpwälder hinweggetröstet. Wir sind gespannt, was uns in Woche 2 noch an Highlights erwartet. Nur noch 36 Stunden bis Socorro ...

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