April 2023
Meine zehntägige Jordanien-Rundreise im April 2023 endet in Akaba. Auf meiner Liste der noch zu betauchenden Ziele fehlte das Land bis dahin komplett. Ziemlich spontan entscheide ich, mich schon mal für die anstehende Tauchsafari in Saudi-Arabien einzutauchen. Über einen 27 km langen Küstenstreifen hat Jordanien Zugang zum Roten Meer und bietet ca. 25 Tauchplätze, von denen ein Großteil anfängerfreundlich ist und im "Aqaba Marine Park" liegt.
Morgens um 8 Uhr stehe ich wie vereinbart am Ayla Dive Center auf der Matte. Ich bin der einzige Kunde. Normalerweise starten die Touren erst um 10 Uhr, aber da ich um 13 Uhr schon zurück nach Amman muss, hat der Laden eine Privattour mit Guide für mich organisiert, die mit 90 Dinar (ca. 115 EUR) zu Buche schlägt. Auch im vergleichsweise teuren Jordanien kein Schnäppchen; normalerweise kostet ein Tauchgang um die 40 Dinar. Aber ich habe ja Privatbetreuung. Mit einem total verranzten Kleinbus, der so gar nicht zu dem guten Eindruck passt, den ich gestern beim Einkleiden mit der neuwertigen Leihausrüstung von dem Center hatte, startet mein Privatguide Mohammed erstmal eine kleine Stadtrundfahrt, die eigentlich nicht gebucht war: Wasser holen, Kaffee holen, Tanken. Anschließend geht die Fahrt nach Süden, vorbei am Containerhafen, zum Akaba Marine Park, 15 Kilometer südlich der Stadt, wo wir 40 Minuten nach der Abfahrt eintreffen. Ich weiß nicht genau, was ich erwartet habe; irgendeine Bebauung vielleicht mit einem Urlaubsfeeling versprühenden Ambiente. Das war vermutlich etwas naiv, denn an Land besteht der Marine Park nur aus mehreren Schotterparkplätzen, die mit Toilettenanlagen verziert wurden. Nichts, wo man einen entspannten Badetag verbringen möchte, aber wir sind ja auch vorzugsweise zum Tauchen hier. So früh am Morgen sind wir die einzigen Menschen, weit und breit ist sonst niemand zu sehen, sieht man von dem Menschen ab, der besagte Aborte bewacht.
Unser erster Platz ist auch direkt Akabas bekanntester: das Wrack der Cedar Pride. Vor fast 40 Jahren, im November 1985, wurde der 75 Meter lange libanesische Frachter vor der Küste als künstliches Riff versenkt, nachdem er drei Jahre zuvor bei einem Brand im Hafen von Akaba schwer beschädigt wurde. Das Wrack liegt nur 130 Meter vom Strand entfernt in 26 Meter Wassertiefe. Nach wenigen Minuten Tauchzeit entlang eines schönen Korallenriffes, das in Ägypten auch gut als Hausriff eines Resorts fungieren könnte, erreichen wir den Bug des auf der Backbordseite liegenden Schiffes. Mohammed ist mit der GoPro unterwegs, um den Tauchgang audiovisuell festzuhalten. Das geschossene Material ist im Preis enthalten und soll mir später per E-Mail übermittelt werden. Ohne Lampe kommt der Korallenbewuchs, den das Schiff angeblich auszeichnen soll, jedoch überhaupt nicht zur Geltung, wobei ich auch gar nicht so arg viel davon sehe. Vielleicht ist das der Grund, warum Mohammed die Kamera ständig auf mich richtet anstatt auf die Unterwasserwelt, die mich eigentlich mehr interessiert. Vom Bug aus tauchen wir durch zwei Laderäume, die bis auf die Glasfischbevölkerung leer sind, und vorbei an der Brücke zum Heck. Auch hier nimmt sich der Bewuchs und das Fischleben spärlich aus. Vielleicht schlafen auch einfach alle noch? Wir tauchen unter dem Schiff hindurch auf die Steuerbordseite, werfen noch einen kurzen Blick auf die Masten und tauchen dann zurück zum Einstieg. Nach 35 Minuten Tauchzeit ist der Spaß vorbei. Mohammed bezeichnet das bei der Nachbesprechung als einen langen Tauchgang, was mich in meinem Verdacht bestärkt, dass die Tauchcenter hier im Wesentlichen mit Anfängern unterwegs sind, die unbedingt mal Bilder von sich unter Wasser auf Insta posten müssen. Einen optischen Eindruck des Schiffs kann man sich an anderer Stelle im Netz veschaffen
Wir packen zusammen, fahren 2 Kilometer weiter nach Süden zum nächsten (genauso trostlosen) Parkplatz und springen nach einer Stunde Oberflächenpause wieder ins 21 Grad frische Wasser. Eigentlich hätte ich gerne die im August 2019 versenkte Lockheed Tristar betaucht, aber die ist nur per Boot erreichbar. Deswegen wird es stattdessen die zwei Jahre zuvor versenkte C-130 Hercules, ein Klassiker der Luftfahrt, der als Militärtransporter in vielen Luftstreitkräften zum Einsatz kam. Die C-130 von Akaba wurde zuvor von der Royal Jordanian Air Force ausgemustert und liegt auf maximal 18 m Wassertiefe im Sand, nur wenige Minuten Tauchzeit vom Strand entfernt. Wir starten im leicht zugänglichen Cockpit, in dem ein von der Decke hängendes Skelett Wache hält. Der Mittelteil des Flugzeugrumpfes wurde bei einem Sturm im März 2020 weitgehend zerstört, sodass das Wrack nicht mehr in seiner vollen Länge betaucht werden kann. Lediglich in die Heckpartie kann man noch hineintauchen. Mein Versuch, sie durch eine Dachluke zu verlassen, schlägt fehl, das üppige Mansaf von gestern Abend fordert seinen Tribut. Wir werfen noch einen Blick auf die Tragflächen und tauchen dann zurück zum Strand, den wir nach 25 Minuten Tauchzeit erreichen. Und nun? Mohammed macht Anstalten für einen frühen Feierabend, aber als ich ihm anzeige, dass ich nicht gedenke, mit 120 bar Restluft aus dem Wasser zu steigen, dreht er noch eine Extrarunde. Denn nur ein paar Dutzend Flossenschläge entfernt liegt das Seven Sisters Reef. Hierbei handelt es sich um toll bewachsene Korallentürme, in denen Tonnen von Fahnenbarschen umherwuseln. Richtig schöne Atmo! Als eine kleine Kröte vor uns Reißaus nimmt, treten wir den Rückzug an und passieren dabei im Flachwasser (6 m) noch The Tank, einen kleinen "M42 Duster"-Flakpanzer, der 1999 auf Geheiß des Königs, selbst begeisterter Sporttaucher, hier versenkt wurde. Nach 42 Minuten Tauchzeit steigen wir schließlich aus dem Wasser, in denen wir drei Tauchplätze abgegrast haben. Zumindest, wenn man die offiziellen Tauchplatzkarten zugrunde legt. Die Plätze liegen so absurd nah nebeneinander, dass es eigentlich ein Tauchplatz ist. Und sie sind so flach, dass auch noch eine halbe Stunde länger möglich gewesen wäre.
Fazit: Das bisschen, was ich in Bezug auf Tauchplätze, Guiding und andere Tauchgruppen gesehen habe, hat mich in der Vermutung bestärkt, dass es sich bei Akaba um ein reines Anfängerrevier handelt. Das ist nichts Negatives, es ist bunt, es ist nett und die Sichtweiten sind Bombe, aber wer schon die halbe Welt bereist hat, wird sich eher langweilen, wenn er nicht gerade alle Fahnenbarsche mit Vornamen kennenlernen will. Auch die Cedar Pride hat mich nicht vom Hocker gerissen, da gibt es wirklich schönere Wracks im Roten Meer. Für mich wird es daher sicher keinen weiteren Besuch an der Rotmeer-Küste Jordaniens geben. Die versprochenen Bilder wurden natürlich auch nicht zugesendet, sodass dieser Bericht ohne Illustrationen auskommen muss, da sich meine eigene Ausrüstung im Hotel in Amman auf Saudi-Arabien vorbereitet hat.