Blick auf Kampor im Norden der kroatischen Insel Rab

Tauchen rund um Rab (Kroatien)

September 2020

Die Nachricht kommt erwartet: Einen Monat vor Abflug Richtung Indonesien wird die "Forgotten Islands"-Safari abgesagt. Auf der Suche nach per Auto erreichbaren Alternativen (nein: 3 Wochen Köln gehört nicht zu selbigen) fallen meine Kandidaten um wie die Fliegen: Erst macht Cala Joncols dank der Erklärung ganz Spaniens zum Risikogebiet die Grätsche, dann schwappt die Pandemie-Welle über den Norden Sardiniens. Warum die Insel trotz eines zwischenzeitlichen Inzidenzwertes von größer 250 im Gegensatz zu Regionen mit deutlich geringeren Infektionsraten nicht zum Risikogebiet erklärt wird , bleibt wohl auf ewig das Geheimnis unserer Regierung, genau wie die Grundlagen für einige andere für mich nicht nachvollziehbaren Entscheidungen in diesem komischen Jahr. Da mich das Tauchen vor Ligurien schon vor 10 Jahren nicht überzeugt hat, bleibt letztendlich nur noch die Kvarner Bucht im Norden Kroatiens. Irgendwie, irgendwo, irgendwann ist mir in dem Zusammenhang schon mal das KRON Diving Center zu Ohren gekommen, weswegen die Entscheidung 7 Tage vor Urlaubsbeginn schließlich auf die Insel Rab fällt. Netterweise leistet mir während der ersten 2 Wochen Vik Gesellschaft, die auch dringend mal wieder Wasser unter dem Kiel benötigt. Nach einer Woche Road-Trip via Venedig, dem Soča-Tal in Slowenien und Kroatiens Plitvicer Seen setzen wir am 13. September schließlich mit der Fähre von Stinica gen Rab über.

Der karge Eindruck, den die Insel beim Blick vom Festland aus macht, täuscht: die westliche Hälfte, die auf den Namen "Kalifront" hört, ist Nationalpark und mit einem der letzten Eichenwäldern des Mittelmeerraums bedeckt. Neben der Ausübung des Tauchsports bietet die Insel daher auch gute Wander- und Radfahrmöglichkeiten. Für Sonnenanbeter gibt es im Osten bei Lopar zwei größere Sandstrände und viele Mini-Strände über die Insel verteilt. Das war es dann aber auch schon so ziemlich mit Aktivitäten: Rab ist das genaue Gegenteil der Nachbarinsel Pag mit ihrer Partyszene à la Ibiza und Ballermann: perfekt zum Entschleunigen – so tot, dass sich noch nicht mal ein Virus auf die Insel traut. Einer der ruhigsten Örtchen ist Kampor im Westen der Insel, wo sich auch das KRON-Tauchcenter befindet. Beim Einchecken bestätigt mir Basisleiterin Maddie, dass es auf Rab noch immer keinen einzigen Corona-Fall gibt! Praktischerweise befinden sich neben der Basis die privat geführten, sehr ansprechenden und trotzdem erschwinglichen Raffaello Apartments, direkt am Wasser gelegen. Hier quartieren wir uns in einem großzügig dimensionierten Selbstversorger-Apartment mit Terrasse ein.

Getaucht wird bei KRON 2x am Tag, plus möglichem Nachttauchgang mittwochs und donnerstags. Mit dem komfortablen Speedboot geht es um 9:30 Uhr und 14:30 Uhr zu je einem von rund 30 Tauchplätzen im Norden Rabs und an den Nachbarinseln Goli, Sveti Grgur, Cres und Pag. In max. 30 min ist man am Tauchplatz, wobei zu beachten ist, dass die Nachbarinseln bei zu starkem Wind und Wellengang nicht angefahren werden können, was im Velebit-Kanal, an dem Rab liegt, wegen der häufig auftretenden Bora-Winde relativ regelmäßig passiert. Noch etwas weiter entfernt liegen auch einige Wracks, die aber nicht regulär angefahren werden. Dies muss man extra anfragen (haben wir nicht getan) und dann auch genug Teilnehmer zusammenbekommen. In Woche 1 wäre das vielleicht noch gegangen, in Woche 2 waren wir dagegen noch maximal zu dritt. Auch das Wetter wollte am Ende nicht mehr mitspielen; die letzten 4 Tage waren geprägt von Regen und Gewitterstürmen. Also keine Wracks für uns. Stattdessen sind wir in den Genuss folgender Plätze gekommen (aufsteigend sortiert nach Insel/Entfernung):

Rab

Nur ein paar Minuten von der Basis entfernt liegt der Platz Kalifront, der immer angefahren werden kann, wenn es draußen zu sehr windet und wellt. Hier werden auch die Nachttauchgänge durchgeführt. Der Platz ist ein großes Plateau, an dessen Rändern es bis auf 35 m abwärts geht. Dort findet man ein kleines Wrack, das diesen Namen eigentlich nicht verdient hat; man sieht im Wesentlichen nur noch einen kleinen Haufen verbogenes Gestänge, in dem es von Skorpionsfischen nur so wimmelt. In den Spalten an der Wand soll es im Vorjahr auch noch viele Zackis und Hummer gegeben haben, aber bei meinen 5 Tauchgängen hier kriege ich keines von beiden zu Gesicht. Laut Ralf, einem der Guides, machen sie sich schon das ganze Jahr über sehr rar. Die Highlights von Kalifront finden sich oben auf dem Plateau in nur 5-8  m Wassertiefe: Jede Menge Langschnauzen-Seepferdchen halten sich hier zwischen Schwämmen und Seegras versteckt, farblich gut an ihren Lebensraum angepasst. Während man die grün-gelben noch leicht erspäht, hat man es mit der braunen Variante deutlich schwerer. Letzteres gilt auch für die Sepien, die auf dem braunen Sand kaum auszumachen sind, wenn sie sich nicht bewegen. Außerdem kann man sich als Fotograf stundenlang mit Oktopussen, Blennys und allerlei Krebstieren beschäftigen.

Um die Ecke rum, etwas weiter weg von der Küste, liegt Gonar, welches wir nur 1x besucht haben. Zwei parallel laufende Felszüge dominieren die Untiefe, an einer Seite begrenzt von einem ewig langen Stellnetz, welches nicht so aussieht als würde es noch irgendeine Funktion erfüllen. Meine Favoriten bei unserem einen Abstieg sind ein farbenprächtiger Blaustreifen-Springkrebs, der vor Rab allerdings Massenware ist, und eine Regenschirmschnecke, die mich mit ihrem Hütchen unweigerlich an Lord Helmchen erinnert.

Ein paar Minuten weiter weg, direkt in der Bucht vor dem Örtchen Supertaska Draga, liegt Maman, welches ebenfalls noch bei schlechtem Wetter angefahren werden kann. Tatsächlich bin ich an den erwähnten letzten vier Gewittertagen nur noch hier und an Kalifront getaucht. Maman besteht nur aus drei parallel verlaufenen Felsketten, bei denen die tiefste durch eine große Sandfläche von den oberen beiden getrennt ist. Beim ersten Abtauchen denke ich angesichts des etwas kargen Ambientes: "Echt jetzt?" Schaut ein bisschen aus wie Wüste Gobi. Nicht, dass ich da schon mal war, aber so stelle ich es mir vor. Es hat aber durchaus viel kleines Fischgetier und in den Felslöchern versteckt sich auch der ein oder andere Oktopus. Mein Highlight waren jedoch die verschiedenen winzigen Nacktschneckenarten, für deren Entdeckung ich aber wegen meiner Altersblindheit einen Buddy als Spotter brauchte.

Fährt man weiter nach Nordwesten an der Küste der Halbinsel "Sorinj" entlang, landet man nach 10-15 min Fahrt (von der Basis aus) an den beiden Buchten Velo & Malo Kolo (Großes und Kleines Rad). Die Tauchplätze gleichen sich in der Topografie so sehr, dass ich sie hier gemeinsam beschreibe. Über sanft abfallende Sandhänge, die teils mit Seegraswiesen bestückt sind, landet man in 40 m Tiefe auf dem Meeresboden, auf dem sich ein riesiges Feld aus Röhrenwürmern befindet. Kannte ich in dieser Form bisher nur mit Sandaalen. Beim Abstieg sollte man auch auf Knurrhähne achten, die sich hier, teils schwimmend, teils auf ihren Vorderflossen laufend, über den Sandboden bewegen. Die Felsspalten bieten gute Versteckmöglichkeiten für Conger und tatsächlich sichten wir auch einen. Leider zieht er sich so weit in sein Loch zurück, dass es mit den ausladenden Blitzarmen unmöglich ist, ein Foto zu schießen. Manchmal wünsche ich mir meine Canon-Kompaktknipse zurück... Hat man sich bei 16 Grad Wassertemperatur lange genug das Popöchen abgefroren, macht man einfach kehrt und taucht im 10 m-Bereich, in dem es gleich 4 Grad wärmer ist, wieder zurück. Wie üblich hält man dabei Ausschau nach Nacktschnecken und Oktopussen, die teils sehr schreckhaft sind und einen schon mit Tinte vollspritzen und das Weite suchen, obwohl man noch 2 m weit weg und sich keiner Schuld bewusst ist.

Sveti Grgur

Ralf an der Steilwand von Sika Tanki Nördlich von Rab liegt die 6 km² kleine, unbewohnte Insel Sveti Grgur (Heiliger Gregor). Zu Titos Zeiten befand sich auf der Insel ein Frauengefängnis, das 1988 dicht gemacht wurde. Heute bevölkern nur noch Hirsche die Insel, die an ihrer Nordküste einige Tauchplätze ihr Eigen nennt, von denen wir am letzten Schönwettertag Sika Tanki besuchen. Hierbei handelt es sich um einen unterseeischen Höhenzug vor dem gleichnamigen Kap, der in 10  m Wassertiefe startet und bis auf über 40 m Tiefe abfällt. Wir starten in der Mitte des Felsens und hangeln uns an der Wand lang, die teils mit Gorgonien und Schwämmen bewachsen ist. Nacktschnecken und Skorpionsfische kriechen und liegen auf den Felsen herum. Auf halbem unseres acht-förmigen Weges durchtauchen wir einen kleinen Tunnel, der eine wahre Farbexplosion fürs Auge ist. Sehr schönes Ding!

Goli

Direkt neben dem Gregor liegt Goli Otok, die "nackte Insel". Auch auf dieser Insel gab es zu Titos Zeiten ein Gefängnis, vornehmlich für politische Gefangene. Sie ist heute ebenfalls unbewohnt, noch nicht mal Hirsche finden es auf der kargen Felseninsel wohnlich.

Der nordwestliche Zipfel der Insel endet am Rt Sajalo, welches auch unser erster Tauchplatz ist. "Rt" ist übrigens keine Abkürzung, es bedeutet einfach "Kap". Unter Wasser hat es ansehnliche Felsformationen, die in allerlei bunte Schwämme getaucht sind. Ansonsten hat es die üblichen Verdächtigen: Conger, Knurrhahn, Occi und Fadenschnecken sichten wir auf unserem Streifzug über die Hügellandschaft.

Ein paar hundert Meter weiter gen Osten liegt mit dem Double Rock ein weiterer felslastiger Tauchplatz. Der Fels selbst kommt auf den ersten Blick eher unspannend daher. Bei genauerem Hinsehen kann man in oder neben den kleinen Anemonen aber farbenprächtige Garnelen finden, die ich eher in Indonesien anstatt im Mittelmeer verortet hätte. In 15 m Tiefe durchtauchen wir einen schmalen Canyon, an dessen Ende sich eine kleine Grotte befindet, in der bei strahlendem Sonnenschein die von oben einfallenden Sonnenstrahlen ein schönes Lichtspiel vollführen.

Harry mit Gefolge an der Wand von "Vela Draga" Fährt man vom Kap Sajalo Richtung Süden, landet man nach kurzer Zeit in einer Bucht, die auf den Namen Vela Draga hört. Ob der Name vom gleichnamigen kroatischen Nationalpark inspiriert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Topographisch ist der Platz ähnlich zu Sika Tanki: ein unterseeischer Höhenzug, den wir während des Tauchgangs einmal umrunden. Ein Monster von einem Schwamm ziert die eine Seite der Steilwand, während sich über dem Sandplateau auf der gegenüberliegenden Seite ein Hauch von Schwarmfisch einstellt. Nichts Großes natürlich, Meerbrassen oder so (ich bin mit der mediterranen Fischfauna noch nicht ganz firm), aber immerhin.

Pag

An der Nordspitze von Pag liegt das Rt Lun, das gleich bei unserer Ankunft unser erster Tauchplatz ist. Nach kurzem Einschwimmen über eine ausgedehnte Seegraswiese im Flachwasserbereich geht es an der senkrechten Wand abwärts auf der Suche nach den farbenprächtigen lila Gorgonien, von denen im Briefing die Rede war. Gorgonien finden wir auch, aber natürlich kommt die Farbenpracht ohne künstliches Leuchtmittel überhaupt nicht zur Geltung. Dieses ist noch am Kameragehäuse festgeschraubt (Fehler Nr. 1), welches wegen technischer Probleme an den ersten beiden Tagen noch an der Oberfläche bleibt (Fehler Nr. 2). Merke: Im Mittelmeer immer eine Lampe am Start haben! Da es uns in 40 m Tiefe auch etwas friert, gehen wir in der Seegraswiese auf die Suche nach Kleinvieh, die aber einigermaßen erfolglos endet. Vom Hocker reißen kann mich der Platz daher nicht, was aber wie gesagt auch dem eigenen Unvermögen geschuldet ist.

Cres

An der Wand von "Veli Ćutin" wird's bunt. Die weiteste Anfahrt hat man gen Westen nach Cres, vor dessen Ostküste mit Mali & Veli Ćutin zwei Mini-Inseln liegen, die mit tollem Steilwandtauchen aufwarten. Über eine Seegraswiese geht es durch einen pittoresken Canyon an die senkrechte Wand, die über und über mit Schwämmen in Gelb, Orange und Rot bewachsen ist. Lila Gorgonien runden das tropische Ambiente ab, das nur durch die 15 Grad Wassertemperatur etwas gestört wird. Abgesehen von den Schwämmen ist er tiertechnisch zwar etwas mau, aber nichtsdestotrotz für mich der schönste Platz, den wir angefahren sind.

Fazit

Ich muss zugeben, dass ich ein paar Tage gebraucht habe, um mich 16 Jahre nach Malta wieder an die Fischarmut und karge Topografie des Mittelmeers mit größtenteils Sand, Steinen und ab und zu mal einer Seegraswiese zu gewöhnen. Immerhin hat es mir gezeigt, wie verwöhnt ich (leider?) inzwischen bin. Richtig bunt wird es eigentlich nur an den Steilwänden mit all ihren Schwämmen und Gorgonien, zu denen wir es aber wetter- und tauchermassebedingt nur 3x geschafft haben. Man muss daher schon genau hinsehen; die lebendige Vielfalt findet sich hier im Makrobereich. Wenn man sich darauf einlässt, hat man auch hier viel Spaß unter Wasser. Mir ging es jedenfalls nach mehrtägiger Eingewöhnungsphase so und es waren auch Wiederholungstäter zugegen, die seit 20 Jahren hierher kommen. Was KRON Diving angeht, habe ich mich dort sehr wohl gefühlt. Der gesamte Staff war supernett, die für die Ausfahrten genutzten Boote sind top und die Tauchgänge wurden sicher und kompetent gebrieft und durchgeführt. Sollte es je zu einer Rab-Wiederholung kommen, werde ich auf jeden Fall wieder bei KRON Diving einchecken.

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