Barrakudas am Tauchplatz Dohra, Farasan Banks

Saudi-Arabien - Tauchsafari Farasan Banks

April 2023

Der Anblick der mit Niqabs vermummten Zöllnerinnen, die am Flughafen von Dschidda die Einreisenden kontrollieren, ist am Anfang schon etwas gewöhnungs­bedürftig. Ansonsten entspricht das Prozedere dem bei der Einreise in die USA: Foto, Fingerabdrücke, e-Visum vorzeigen, zwei bis drei Fragen beantworten, fertig. Der Shuttle steht auch schon bereit und bringt Rainer und mich zusammen mit zwei weiteren Ankömmlingen dieser Behind the Mask-Gruppenreise ins zwei Stunden entfernte Al Lith, wo die "Typhoon" auf uns wartet. Das 2019 komplett renovierte, 34 Meter lange Stahlschiff kreuzt seit 2021 unter dem Marketing-Namen "Saudi Explorer" im saudi-arabischen Teil des Roten Meeres.

Tag 1: DI, 04.04., Al Lith

Die Typhoon aka Saudi Explorer in der Al Ahlam-Marina von Al Lith Nach der herzlichen Begrüßung inkl. Kaltgetränk haben wir Zeit, das Schiff zu erkunden. Bis zu 20 Gäste finden in 10 Kabinen Platz, die sich in 9 geräumige Doppelkabinen und eine Suite unterteilen, in der man auch eine Fußballmannschaft unterbringen könnte. Alle Kabinen verfügen über Tageslichtfenster, befinden sich also auf dem Haupt- und Oberdeck. Im Unterdeck hat es das Restaurant, wo 3x am Tag Mahlzeiten in Buffet-Form gereicht werden. Alkohol gibt es, wie in ganz Saudi-Arabien, nicht. Zwei Etagen höher lädt eine gemütliche Sitzgruppe mit Darts-Scheibe und Kaffeebar zum Verweilen ein. Dies ist auch der Haupt-Aufenthaltsort, den ich daher im Folgenden als "Lounge" bezeichne. Auf dem riesigen Sonnendeck gibt es einen Jacuzzi, der aber leider seit geraumer Zeit kaputt ist, wie uns unser italienischer Chefguide Marco erklärt. Auch der 2. Guide, Federico, kommt aus Italien und ist studierter Meeresbiologe. Die restliche Crew kommt aus Ägypten.

Nach dem Rundgang bauen wir schon mal unsere Ausrüstung zusammen. Das üppige Tauchdeck verfügt über mehrere Kameratische und eine große Ladestation mit Universalsteckdosen, in die auch deutsche Stecker passen. Einen Adapter sollte man trotzdem dabei haben, wenn man bei An- oder Abreise noch eine Hotelübernachtung hat, denn die Hotels haben oft nur britische Steckdosen. Getaucht wird auf der Saudi Explorer 3x am Tag mit einem Zeitlimit von 60 Minuten pro Tauchgang. Der erste Tauchgang ist häufig tief und wird idealerweise auf Luft getaucht. Danach wechselt man bei Bedarf auf Nitrox, welches gegen Aufpreis befüllt wird. Nachttauchgänge werden in unregelmäßigen Abständen mehrmals während der Tour angeboten. Getaucht wird in zwei Gruppen mit je einem Guide, der während der gesamten Tour nicht wechselt. Es ist ratsam, dem Guide zu folgen, zwingend vorgeschrieben ist es nicht. Man kann nach dem Sprung ins Wasser auch im Buddy-Team tauchen.

Nachdem die Ausrüstung zusammengebaut und der Papierkram erledigt ist, bleibt uns für den Rest des Tages nur noch chillen. Die restlichen 13 Gäste werden erst am späten Abend erwartet, sodass heute außer Abendessen nichts mehr passiert.

Tag 2: MI, 05.04., Al Lith / Shaab Sahabak

Als ich am Morgen zum Anrühren des ersten Kaffees in der Open-Air-Lounge erscheine, blicken mir verschlafene sechs neue Augenpaare entgegen. Betonung auf "nur sechs". Die Paare erzählen, dass sie stundenlang in Dschidda auf einen anderen Flieger aus Genf mit den restlichen sieben Mitreisenden gewartet haben, der aber nicht gekommen ist. Schließlich sind sie dann ohne sie gefahren und im Morgengrauen am Boot angekommen. Heißt für uns, dass es vermutlich heute noch nicht losgeht, was Marco nach dem Frühstück bestätigt. Der Genf-Flieger ist kurz nach dem Start umgekehrt; die fehlenden Gäste werden in der Nacht zu morgen mit einem Flieger aus Paris erwartet. Wir werden daher heute nur ein bisschen schnorcheln gehen und einen Check-Tauchgang an einem nahegelegen Riff machen.

Für die Schnorchelexkursion tuckern wir ein Stück nach Norden, um unsere Chancen auf Walhai-Begegnungen zu erhöhen. Eigentlich ist jetzt beste Walhai-Zeit, aber an den Farasan Banks lassen sich die Tiere normalerweise nicht blicken, da die Gewässer nördlich von Al Lith planktonreicher sind und die Abfälle einer Shrimps-Farm für leichte Mahlzeiten sorgen. Unsere Hoffnung, wenigstens beim Schnorcheln auf den größten Fisch des Planeten zu treffen, erfüllt sich aber nicht. Lediglich ein paar nicht zum Spielen aufgelegte Tümmler zeigen sich kurz.

Nach dem Schnorcheln fahren wir zwei Stunden zu unserem Platz für den Check-Tauchgang, der auf den Namen Shaab Sahabak hört. Die Korallen sind ok-ish, teil echt schön, teils kaputt. Ein paar lila Weichkorallen verstecken sich zwischen den dominierenden Steinkorallen. Fisch hat es so mittelmäßig viel. Ein Platz wie gemacht zum Ausprobieren, wie viel Blei man benötigt, zum Bojeschießen-Üben und zur Bestätigung der Wassertemperatur von 26 Grad. Mein Neo verschwindet direkt wieder im Kleiderschrank.

Damit ist unser Tagwerk im Wesentlichen erfüllt, wir fahren zurück zur Al Ahlam-Marina von Al Lith. Marco erzählt noch, was uns in den nächsten 10 Tagen erwartet: Die Farasan Banks sind eine Ansammlung hunderter kleiner Inseln und Riffe zwischen Al Lith und den Farasan Islands, 400 km südlich von hier. Natürlich werden wir nur einen Bruchteil dieser Riffe im nördlichen Teil der Farasan Banks erkunden können. Dabei beschränken wir uns auf die Riffe, die an der Abbruchkante des Meeresbodens liegen. In Küstennähe ist das Wasser nur etwa 30 Meter tief, wodurch man an den küstennahen Riffen schlechte Sicht und wenig Großfisch zu erwarten hat. Weiter draußen fällt der Meeresboden dann steil auf 300 Meter ab - ideale Bedingungen für interessante Begegnungen unter Wasser. Wie an einer Perlenkette reihen sich unsere Tauchplaätze an diesem Dropoff aneineinander. Tauchen an den Farasan Banks ist also fast ausschließlich Steilwandtauchen.

Tag 3: DO, 06.04., Marmar

Am nächsten Morgen sind auch die Nachzügler da, sodass unsere Safari mit einem Tag Verspätung endlich losgehen kann. Blöderweise müssen aber auch sie noch den Check-Tauchgang absolvieren, weswegen es zunächst einen weiteren ereignislosen Tauchgang an Shaab Sahabak gibt. Danach steuern wir die Insel Marmar an, den nördlichsten unserer Farasan Banks-Plätze, knapp 50 km von Al Lith entfernt. Wir springen an der Ostseite und folgen dem ansehnlich bewachsenen Riff gen Süden. Im Blauwasser herrscht bis auf einen vorbeiziehenden Hundezahn-Thun leider Leere. Durch einen Kanal driften wir in eine Lagune, in dessen Sand sich ein fetter Stechrochen versteckt, während oben ein nicht minder fetter Adlerrochen vorbeifliegt. Unter einigen Tischkorallen verstecken sich voll niedliche Baby-Weißspitzen vor unseren Kameras. Ein netter Auftakt, so darf es weitergehen!

Auf der Innenseite des Riffs springen wir nach Sonnenuntergang für unseren ersten Nachttauchgang. Im Schein der Lampe kommen die Farben des tollen Riffs, auf dem einige Gorgonenhäupter zum Nahrungserwerb ihre Arme ausgebreitet haben, prima zur Geltung. Mein Highlight sind drei nebeneinander hockende Spanische Tänzerinnen, die ich gerne fürs Fotoalbum auf Pixel brennen würde. Dafür wäre es allerdings vorteilhaft gewesen, wenn die Fotografen vor mir den Platz verlassen hätten, ohne ihn in einen Sandsturm zu verwandeln. So müssen die Tänzerinnen einfach im Gedächtnis bleiben.

Tag 4: FR, 07.04., Dohra

Am nächsten Tag geht es nur zwei Kilometer entfernt an Dohra weiter, wo wir an den ersten beiden Tauchgängen zunächst den Norden in Angriff nehmen. Dort hat es ein ausgedehntes Plateau, welches von 25 Meter Wassertiefe langsam bis auf 50 Meter abfällt, bevor es richtig abwärts geht. Über diesem Plateau stehen Schulen von Großaugenmakrelen und Dunkelflossen-Barrakudas. Marcos intensives Plastikflaschengedrehe weckt die Neugierde eines Seidenhais, der uns ein paar Minuten lang in der Tiefe festhält. Mit ordentlich Deko geht es zurück an das sehr schöne Riff, wo uns ein paar neugierige Fledermausfische begleiten, sodass Rainer mal seine Model-Qualitäten unter Beweis stellen kann. Prima Platz, davon hoffen wir in den nächsten Tagen mehr zu sehen!

Am Nachmittag erkunden wir die Westseite der Insel. Direkt am Anfang fliegen kurz nacheinander ein Mobula und ein Seidenhai an uns vorbei. Danach passiert auf dem langen Weg nach Norden rein gar nichts mehr. Immerhin ist die Szenerie super: Das Korallenriff ist auch auf dieser Seite in einem hervorragenden Zustand und wird von einem Canyon durchzogen, der etwas Abwechslung in die gleichförmige Landschaft bringt. In und über den Korallen wuseln Wolken von Fahnenbarschen und Schwalbenschwänzen und tauchen das Riff in Orange und Schwarz-Weiß.

Insgesamt war das heute schon mal ein deutlicher Fortschritt zu gestern. Das Niveau der Sudan-Tour von 2014 ist aber noch lange nicht erreicht. Die nehme ich als Vergleich, um zu bewerten, ob der Slogan "Ägypten wie vor 30 Jahren", mit dem die Farasan Banks gerne beworben werden, gerechtfertigt oder übertrieben ist. Einen anderen Vergleich habe ich nicht, da ich vor 30 Jahren noch nicht getaucht bin.

Tag 5: SA, 08.04., Malathu / Shaab Ammar / Choppy

Auf dem Weg nach Süden legen wir morgens einen Stopp an der Südspitze von Malathu ein. Nach langem, langem Flaschendrehen macht uns in 42 m Wassertiefe ein einsamer Seidenhai seine Aufwartung, der uns nach Ablauf der Nullzeit auch noch in höhere Gefilde folgt und um uns herumscharwenzelt. Gerne hätten wir es gesehen, wenn er noch ein paar Freunde mitgebracht hätte, aber so langsam gewinnen wir den Eindruck, dass man um jede Dreiecksflosse hart kämpfen muss. Immerhin ist auch das Riff von Malathu in einem prima Zustand. Das gilt insbesondere für die Ostseite, an der wir unter Begleitung einer Schule Blaustreifenschnapper entspannt austauchen.

Der nächste Stopp heißt Shaab Ammar. Das Tauchgangsprofil haben wir so langsam verinnerlicht: Über einem Plateau in die Tiefe abtauchen, irgendwo zwischen 35 und 50 Meter Tiefe die Flasche drehen, bis die Finger bluten, hoffen, dass zumindest ein Hai vorbeikommt und die Leere des Blauwassers unterbricht, dann hoch ans Riff und dort die Deko unter Beobachtung des Rifffischaufkommens raustauchen. Den Teil mit den blutigen Fingern übernimmt dankenswerter Marco mit vollem Körpereinsatz. Diesmal werden wir sogar mir zwei Hammerhaien und einem Seidenhai beglückt, die zeitgleich nachschauen, wer sich in ihr Reich verirrt hat. Auf dem Weg zurück zum Riff schlängeln wir uns durch ein Labyrinth aus Korallenbommies, die mal wieder mit fantastischen Steinkorallen aufwarten. Diesbezüglich gibt es wirklich nichts zu meckern!

Für den letzten Tauchgang heute fahren wir noch ein paar Kilometer nach Süden zu einem Riff, welches auf den Künstlernamen Choppy hört. Dessen Ostseite ist eine Steilwand, die mit etwas ganz Besonderem aufwarten kann: Schwarzen Korallen, in denen sich bunte Schwammartige festgesetzt haben, deren korrekter wissenschaftlicher Name mir blöderweise entfallen ist. Eine so befallene Koralle wird schließlich durch den Schwamm sterben, was bei mir die Frage aufwirft, ob es so schlau von dem Schwamm ist, sich den Ast abzusägen, auf dem er sitzt. Aber warum sollte er auch schlauer sein als der Mensch? Neben den Würgeschwämmen wartet das Riff noch mit einem kleinen Gorgonien­wald auf, den ich aber nur so mittelmäßig beeindruckend finde. Bei vielen der Gorgonien besteht das Geäst leider schon größtenteils aus Löchern. Im Norden der Steilwand übernehmen farbenprächtige Weichkorallen das Kommando, die mich mit ihrem lila Farbton ein wenig an das Maalhos Thila auf den Malediven erinnern. Insgesamt ist Choppy ein schöner Platz, dem es nur im Blauwasser genauso an Leben fehlt, wie den meisten anderen Plätzen, die wir bisher gesehen haben.

Tag 6: SO, 09.04., Shaab Mubarak

Wir fahren die Nacht durch und erreichen am frühen Morgen den südlichsten Punkt unserer Route. Am Shaab Mubarak werden wir den ganzen Tag verbringen. Laut Marco ist dies der Platz unserer Route, an dem man die größten Chancen auf Hammerhaischulen hat. Wie groß diese Chancen sind, lässt er sich jedoch nicht entlocken. Bei unseren ersten beiden Sprüngen im Norden ist von Hammerhaien im Blauwasser so rein gar nichts zu sehen. Die Stille wird nur kurz von einem großen Schwarm Bonitos unterbrochen, der unvermittelt auftaucht und um uns kreiselt. Vermutlich versuchen die Bonitos den Thunfischen zu entkommen, die ihnen nachstellen, und suchen bei uns Schutz. Den können wir ihnen nur kurz geben, da wir noch schauen müssen, was auf dem Riffdach los ist. Das entpuppt sich als nette Spielwiese für Fotografen, überall kreucht und fleucht das übliche Riffgetier herum und wenigstens hier hat es mal Fischschwärme der unterschiedlichsten Arten, wie Doktoren, Drücker, Schnapper und Preußenfische. Die Fahnenbarsche sind sowieso allgegenwärtig.

Für den dritten Versuch springen wir an der Steilwand im Westen und nach irrem Flaschendrehen taucht tatsächlich in 50 Meter Wassertiefe die erhoffte Hammerhaischule auf. Leider besteht sie nur aus einem einzelnen Hai, der mich kurz verwundert anschaut und dann schnell wieder abzieht. Mit 20 Minuten Deko gehe ich hoch, aber mein Aufstieg wird von einer fetten Halgerda-Höckerschnecke gestoppt, die zu meinem großen Entzücken vor kurzem gelaicht hat und jetzt ihr Gelege bewacht. Die fotografische Dokumentation des Ereignisses erhöht die Deko-Zeit auf 36 Minuten. Zum Glück bleibt das Schiff zum Zwecke des Nachttauchens sowieso hier liegen, weswegen sich mein schlechtes Gewissen über den 82-Minuten-Tauchgang in Grenzen hält. Der Nachttauchgang fördert wieder viele Gorgonenhäupter zutage, dazu Scherengarnelen und einen nicht allzu häufig gesehenen Großen Flankenkiemer, ein Monster von Nacktschnecke. Nett!

In den frühen Morgenstunden schmeißt der Käpt'n die Maschine an und wir begeben uns auf den Weg zurück nach Norden. Mal schauen, was der Rückweg für uns noch bereithält.

  • Facebook