Truk Master im Kwajalein-Atoll

Tauchsafari Kwajalein-Atoll

September 2019

Mit schwülen 30 Grad begrüßt mich Hawaii abends um 19 Uhr. Nach der 25-stündigen Anreise von Köln via Frankfurt und San Francisco gönne ich mir erstmal 36 Stunden Pause, um mich zu akklimatisieren und an die lokale Bierkultur zu gewöhnen. Die letzte Etappe von Honolulu dauert dann nur noch fünf Stunden, dann setzt der Inselhüpfer der United auf der Landebahn von Majuro, dem Hauptatoll der Marshall-Inseln, auf. Die Einreiseformalitäten sind recht zügig erledigt und der Shuttle des Robert Reimers, einem der beiden empfehlenswerten Hotels am Platze, steht auch schon bereit, so dass ich mich alsbald in meinem Garden Bungalow dem wohlverdienten Mittagsschläfchen hingeben kann.

Meine Motivation zu einer ausgedehnten Ortserkundung ist angesichts des Dengue-Fieber-Ausbruchs, der uns die Tour zum Bikini-Atoll verhagelt hat, beschränkt. Die Behörden der Marshallinseln haben allen Booten die Fahrt zu den Außenatollen, welches alle Atolle außer Majuro und Kwajalein sind, untersagt, weil es dort keine medizinische Versorgung gibt und man Angst vor der Ausbreitung des Fiebers hat. So dürfen wir in den kommenden zwei Wochen lediglich durch die beiden genannten Hauptatolle schippern, wobei wir uns auf Kwajalein konzentrieren werden. Dort werden wir zu einem Gutteil taucherisches Neuland befahren, es wird eine Explorationstour, wie sie im Buche steht.

Am Nachmittag raffe ich mich dann doch noch zu einem kleinen Spaziergang auf, natürlich professionell ausgerüstet mit Craghoppers-Hemd und einer 1 cm dicken Schicht Anti-Mückenspray mit hohem DEET-Anteil auf der Haut. Viel zu entdecken gibt es nicht; in der Lagune dümpeln ein paar Schiffe herum und der nahegelegene Supermarkt hat mit Sicherheit die weltgrößte Auswahl an Flip-Flops. So fröne ich alsbald ungestört dem Jet-Lag, keine Tigermücke weit und breit stört die Nachtruhe. Was nicht weiter überraschend ist; die Viecher sind tagaktiv.

Tag 1: MI, 04.09., Majuro

Heute heißt es nochmal, den Tag totzuschlagen, erst um 15:30 Uhr werde ich eingesammelt und zu irgendeinem Pier im Westen von Uliga kutschiert, wo die Truk Master vertäut ist. Die Blicke aus dem Minibus sind schon etwas deprimierend, insgesamt präsentiert sich Majuro ziemlich heruntergekommen. Viele Menschen sitzen in den Straßen herum, da es nichts zu tun gibt. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei fast 60%. So sitzt man hier als junger Einheimischer fest auf einem 10 Quadratkilometer großen, nur wenige hundert Meter breiten Atoll, ohne Perspektive für die Zukunft und ohne Aussicht, hier wegzukommen. Und wieder einmal denke ich, welches Glück ich hatte, zur richtigen Zeit im richtigen Land geboren worden zu sein. Derweil erzählt uns unser Fahrer, dass die Dengue-Epidemie heute ihr erstes Opfer gefordert hat: Ein sechsjähriges Mädchen ist an der Infektion gestorben, was uns auf tragische Weise vor Augen führt, dass die Maßnahmen der Regierung dann doch nachvollziehbar sind.

Mit dem Check-In auf der Truk Master ist das Trübsal blasen dann auch vorbei. Das 37 m lange Stahlschiff wurde 1975 von der italienischen Luxuswerft Codecasa als "Astral Star" gebaut, 2015 renoviert und in ein Tauchsafariboot umgewandelt. Bis zu 16 Gäste finden in 8 Doppelkabinen Platz, wobei auf den Bikini-Touren nur 12 Gäste mitgenommen werden, da die Kabinen 1 und 8 als zusätzlicher Stauraum herhalten müssen — die Wege sind lang zwischen den Atollen der Marshallinseln, die sich über ein Meeresgebiet von knapp 2 Mio km² (6x Deutschland) erstrecken, wovon aber nur 181 km² (0,5x Köln) auf Landfläche entfallen. Alle Kabinen der Truk Master verfügen über ein eigenes Bad und individuell regelbare Klimaanlage, die allerdings einen Höllenlärm macht: Ohrenstöpsel nicht vergessen! Auf dem Oberdeck gibt es einen saugemütlichen Salon mit allem Unterhaltungsschnickschnack. Weniger bequem kommt für mich der Essbereich daher, die Sitzbänke sind etwas zu hoch für meine kurzen Beine: Es isst sich nicht so entspannt, wenn die Füße in der Luft baumeln. Am Ausgang zum Tauchdeck gibt es 3 Stationen für die Vorbereitung von Kameras mit jeder Menge Steckdosen zum Laden von Akkus. Das Tauchdeck selbst ist nicht so großzügig wie auf anderen Schiffen, insb. fehlen Ablageflächen und Luftduschen für Kameras, die man nach dem Tauchen daher entweder in Kisten unter den Bänken deponiert oder lieber gleich mit in die Kabine nimmt. Mit ein bisschen Rücksicht steht man sich aber nicht im Weg, insgesamt würde ich den Platz als ausreichend bezeichnen. Auf jeden Fall lässt es sich auf der Truk Master für 2 Wochen sehr gut aushalten.

Tag 2: DO, 05.09., Majuro

Fünf Tage nach meinem Abflug in Frankfurt geht es heute endlich zum ersten Mal unter Wasser. Von der großen Plattform am Heck der Truk Master steigen wir bequem in das 15-m-Skiff um, welches die Crew extra für diese Tauchertraum-Sondertour gemietet hat. Normalerweise operiert die Truk Master ohne Beiboot, sowohl in der Truk Lagoon als auch auf den Bikini-Touren springt man direkt vom Mutterschiff ins Wasser. Auf dieser Tour werden wir aber im Wesentlichen Kanäle betauchen, in denen es schon mal ordentlich Strömung haben kann, weswegen ein Skiff unverzichtbar ist.

Dass der Crew etwas die Routine bei der Organisation des Tauchbetriebs mit Beiboot fehlt, merken wir dann beim Sprung am Central Reef: Es dauert geschlagene 20 min, bis alle Taucher im Wasser sind, weil Skipper Martin möchte, dass sich immer nur ein Buddy-Team gleichzeitig fertig macht und ins Wasser hüpft. In dieser Geschwindigkeit schaffen wir niemals die avisierten 3 Tauchgänge pro Tag. Das muss in den nächsten Tagen auf jeden Fall noch optimiert werden. Der Tauchplatz selbst ist nicht der Rede wert: ein großes, kreisförmiges Riff inmitten der Lagune. Die Korallen sind ganz ansehnlich, von Fisch fehlt so ziemlich jede Spur. Als Checktauchgang ok, ansonsten muss man hier nicht hin.

25 min Fahrt mit dem Skiff braucht es vom Ankerplatz der Truk Master zum Einstieg am Calalin Aquarium, unserem Platz für die beiden Nachmittagstauchgänge. Warum man da nicht zeitsparend direkt mit dem Mutterschiff vorfährt, erschließt sich mir nicht ganz. Der Tauchplatz liegt an der Außenseite der Insel Calanin, im Norden des Majuro-Atolls, direkt am breiten Haupteinfahrtskanal in die Lagune. Dementsprechend hat es etwas mehr Strömung als heute morgen und dementsprechend auch mehr Fisch. Am Dropoff hängend beobachten wir große Füsilierschwärme, Adlerrochen und ein Potpourri an Riffhaien (Graue, Schwarzspitzen und Weißspitzen). Vor allem die Weißspitzen stehen voll auf Flaschendrehen und gehen immer wieder steil, wenn Michael, der die Tour selbst begleitet, die mitgebrachte Plastikflasche zwischen den Händen reibt. Korallentechnisch dominieren Geweih- und Tischkorallen die Szenerie, beide in guten Zustand. So darf es weitergehen.

Nach dem 3. Tauchgang verlassen wir das Majuro-Atoll, 30 Stunden Fahrt gen Nordwesten stehen uns bevor. Übermorgen soll es im Kwajalein-Atoll weitergehen. Immerhin ist die See ruhig, so dass es sich trotz des hämmernden Schiffsdiesels einigermaßen gut schlafen lässt.

Tag 3: FR, 06.09., Majuro → Kwajalein

Den Tag auf See verbringen wir im Wesentlichen auf der Couch im Salon mit allerhand Spielfilmen. Etwas früher als erwartet kommen noch bei Tageslicht die südlichen Inseln des Kwajalein-Atolls in Sicht, wo wir von einer großen Delfinschule begrüßt werden. Das größte Korallenatoll der Welt besteht aus 97 Inseln mit einer Gesamtfläche von 16,39 km², die eine Lagune von 2174 km² Größe umschließen. Die Ausdehnung beträgt 105 km in West-Ost- und 75 km in Nord-Süd-Richtung. 11 der 97 Inseln sind als Bestandteil der "Ronald Reagan Ballistic Missile Defense Test Site" an die USA verpachtet, die hier Raketentests durchführen und Radaranlagen für die Überwachung ballistischer Raketen betreiben, die leicht als weiße Kugeln ("Radoms") auf den betreffenden Inseln erkennbar sind. Außerdem betreibt die US Army auf Kwajalein Island, der südlichsten und größten Insel des Atolls, das Bucholz Army Airfield. Der Flugplatz wird auch von United und Air Marshall Islands zivil genutzt. Ansonsten ist die gesamte Insel Militärbasis und daher für Zivilisten tabu. Übernachten kann man nur auf der angrenzenden Ebeye Island, wo wir kurz vor Sonnenuntergang unseren Ankerplatz erreichen. Ebeye ist die einwohnerreichsten Insel des Atolls. Auf 0,36 km² drängen sich hier 15.000 Menschen, was sie zu einem der am dichtest besiedelten Orte des Planeten macht. Und zu einem sehr armen, es ist das "Slum des Pazifiks".

Tag 4: SA, 07.09., Ebeye

Eigentlich dachten wir ja, heute wieder unter Wasser zu kommen, aber daraus wird nichts; die Crew muss noch fehlende Tauchgenehmigungen einholen. So dümpeln wir den ganzen Tag vor Ebeye liegend vor uns hin und besprechen lediglich den groben Tourplan. Da sich weder die Crew mit Kwajaleins Tauchplätzen auskennt und auch die im Internet zu findenden Informationen ziemlich dünn sind, hat Michael im Vorfeld anhand von Google Maps Satellitenbildern Tauchplatz-Kandidaten ermittelt, die wir der Reihe nach erkunden werden. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Kanäle, die die Lagune mit dem offenen Ozean verbinden. Hier hoffen wir auf Strömung und reichlich Großfisch. Wir starten mit den südlichen Inseln und hangeln uns immer weiter nach Nordwesten vor. Irgendwann werden wir die Lagune nach Norden durchqueren und gen Südosten zurück zum Ausgangspunkt fahren. Die Kandidaten stellen sich wie folgt dar:

Den Mückenschutz können wir derweil schon mal verstauen, die Tigermücke scheint nicht auf die leichte Brise zu stehen, die uns hier auf dem Wasser um die Nase weht.

Tag 5: SO, 08.09., Prinz Eugen

Nach zwei Tagen auf dem Trockenen geht es heute weiter mit dem Wrack des Schweren Kreuzers "Prinz Eugen". Nachdem es den Zweiten Weltkrieg als einzige schwere Einheit der deutschen Kriegsmarine überstanden hatte, fiel es als Kriegsbeute an die USA, die es als Testobjekt bei den Atombombentest im Bikini-Atoll ("Operation Crossroads") einsetzte. Sie überstand die Able- und Baker-Bomben nahezu unbeschadet und wurde anschließend nach Kwajalein geschleppt, wo sie ab dem 16. Dezember 1946 aufgrund undichter Stopfbuchsen in den Schraubenwellen immer mehr Schlagseite bekam und schließlich am 22. Dezember kenterte und sank. Das Wrack liegt kopfüber im Sand, 250 m Meter vom Strand der Insel Enubuj entfernt. Der Bug befindet sich in 36 m Wassertiefe, Ruder und Schrauben am Heck ragen halb aus dem Wasser.

Drei Tauchgänge haben wir Zeit, um das 212 m lange Schiff zu erkunden. Beim Abtauchen fällt sofort auf, dass der Rumpf trotz über 70 Jahren auf dem Meeresgrund nur spärlich bewachsen ist, was aber wegen der Lage des Schiffs auch nicht unbedingt überraschend ist. Beim ersten Abstieg beschränken wir uns auf eine Außenumrundung, besichtigen einige der Flaks, mit denen die Eugen reichlich bestückt war, scheuchen einen Trümmer von Ammenhai auf, der sich am Bug unters Deck verkrochen hat und begutachten eins der mächtigen 20,3 cm-Geschütze, die jetzt kopfüber von Deck hängen. Ein bisschen überrascht es mich schon, dass das Teil noch nicht runtergekommen ist, kopfüber war jetzt nicht unbedingt die Position, für die es mal verbaut worden ist. Viele Aufbauten sind genau deswegen auch im Laufe der Jahre in sich zusammen­gestürzt, von daher sollte man ein bisschen Vorsicht dabei walten lassen, worunter man hertaucht. Unsere Umrundung führt uns an einem offenen Lagerraum vorbei, in dem fein säuberlich einige Torpedos in einem Regal gestapelt sind. Die zugehörge Startvorrichtung findet man irgendwo mittschiffs, genau wie den abgebrochenen Brückenturm mit den Feuerleitstellen, der jetzt neben dem Wrack im Sand liegt. Unser Ausflug endet schließlich an der mächtigen Drillingsschraube, die das Schiff bis auf eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h beschleunigt hat.

Beim 2. Tauchgang wagen wir uns ins Innere: Über mehrere offene Deckluken kann man ins Wrack einsteigen und die Gänge betauchen, wobei man sich, wenn man sich nicht auskennt (so wie wir), besser auf die Gänge beschränkt, die bereits von Wracktauchern ausgeleint wurden. Wie in den meisten Wracks üblich, sollte man auf seine Tarierung achten; jede Flosse auf dem Boden bestraft die Eugen mit einer Vernebelung der Sicht. In den Gängen passiert man Betten, die auch keine Atombombe aus ihrer Befestigung im Fußboden (der jetzt die Decke ist) reißen konnten, eine Kloschüssel und ein paar verstreut herumliegende Stiefel.

Alles in allem ist die Prinz Eugen ein sehr interessantes Wrack, für das man sich mindestens zwei Tauchgänge Zeit nehmen sollte. Auch nach doppelt so vielen wird sie aber nicht langweilig.

Tag 6: MO, 09.09., Troy's Coral Head und South Pass Wall

Nicht weit entfernt von der Prinz Eugen befindet sich einer der wenigen gut beschriebenen Tauchplätze Kwajaleins. Troy's Coral Head (aka "Troy's Reef") ist ein großes, kreisförmiges Korallenriff innerhalb der Lagune, das bis 5 m unter die Wasseroberfläche reicht und an allen Seiten gleichmäßig bis auf über 50 m Tiefe abfällt. Die Truk Master war noch niemals hier, von daher beschränkt sich das Briefing auf das Wesentliche: "It's supposed to be a sharky place, so go and have a look!". Das machen wir dann auch. Zwei Ammenhaie wühlen mit dem Kopf im Riff nach Nahrung und nehmen keinerlei Notiz von uns und unseren Kameras, die wir ihnen praktisch aufs Auge drücken. Unten im Sand liegen ein paar Weißspitzen teilnahmslos herum. Wir tauchen tiefer. Die Sicht ist etwas trüb in 30 m Tiefe und es sieht auf einmal aus als würde sich der ganze Meeresboden bewegen. Es ist aber nur eine riesige Schule silbriger Heringsmakrelen, die stetig in einem Affenzahn über das Riff ziehen. "Begleitet" werden sie von jeder Menge Räuber, wie zwei Dutzend Grauer Riffhaie, einigen Hundezahn-Thunen und jeder Menge Roter Schnapper und Regenbogen-Renner. In Fresslaune sind die Räuber aber noch nicht; sie scheinen sich ihr Abendessen erst noch zurechtzulegen, bevor sie dann mit Einbruch der Dämmerung zuschlagen werden. 30 min lang schaue ich mir das Gelauere an, bevor ich mich auf die Suche nach dem VW-Käfer-großen Zackenbarsch mache, der angeblich hier leben soll. Außer einer unkooperativen Kröte fördert der Rest des Tauchgangs aber nichts Nennenswertes mehr zu Tage.

Tauchgang 2 findet an der benachbarten South Pass Wall statt, einem tiefen Kanal, der den offenen Ozean mit der Lagune verbindet. Im glasklaren Wasser können wir mindestens 50 m weit sehen. Direkt am Anfang prüfen eine Silberspitze und ein Grauer Riffhai kurz die Lage, aber danach passiert nicht mehr viel. Eigentlich gar nichts. Wir dümpeln am Rand des Kanals entlang, erfreuen uns an Füsilierschulen, Tausenden Torpedogrundeln und dem üblichen Riff-Kleinvieh und tauchen am Ende über ein ausgedehntes Plateau aus, über das die Sonne ihre Lichtwellen tanzen lässt. Ok-ish, würde ich sagen.

Sehr ok-ish dann Abstieg 3, wieder an Troy's Coral Head. Diesmal haben wir die Jagdszenen aus Hollywood, die Haie und anderen Räuber sind im Angriffsmodus und hetzen ihre Beute quer um und übers Riff. Wie ein fliegender Teppich hüllen die Makrelen das gesamte Riff ein. Großartiges Schauspiel!

Tag 7: DI, 10.09., Gea Pass und Mann Pass

Am nächsten Morgen tuckern wir langsam gen Norden und kommen damit bald in weitgehend unbekannte Gefilde. Die meisten Taucher des Atolls sind Soldaten und Angestellte des Bucholz Army Airfields und beschränken sich bei ihren Tagesausfahrten somit natürlich auch auf die im Süden des Atolls gelegenen Tauchplätze. Ansonsten taucht hier so gut wie niemand; Tauchtourismus existiert erst, seit das Bikini-Atoll geöffnet wurde. Die Safariboote benutzen Kwajalein dabei nur als kurzen Zwischenstopp, meist verbunden mit ein oder zwei Tauchgängen an der Prinz Eugen. Es kommt sogar noch dicker: für den nordwestlichen Teil Kwajaleins gibt es noch nicht mal zuverlässige Seekarten, weswegen Skipper Martin die Truk Master nur tagsüber durch die Lagune steuert. Dass es das im 21. Jahrhundert noch gibt, hätte ich auch nicht gedacht.

Wir starten unser Tagwerk mit der Exploration des Gea Pass, dem Hauptkanal für große Schiffe zwischen den Inseln Gea und Ninni. In den nächsten fünf bis sechs Tagen werden praktisch alle Tauchgänge gleich ablaufen: Wir springen auf der Außenseite der Insel, erforschen dort den Dropoff zum offenen Ozean und lassen uns dann mit der einlaufenden Strömung durch den Kanal in die Lagune treiben, wo uns das Skiff wieder einsammelt. So zumindest die Theorie. Die Außenseite von Ninni ist schnell beschrieben: Absolut tote Hose. Am Eingang des Kanals verwandelt sich das Korallenriff in eine Geröllwüste. Zur Lagune hin wird es etwas besser, einige nette Steinkorallen erfreuen das Auge, aber nichts, weswegen man hier unbedingt ins Wasser springen muss. Das gilt auch für das Fischleben: viel Kleinzeugs, nichts Dolles. Fazit: Den Gea Pass kann man m.E. getrost überspringen.

Nur unwesentlich besser präsentiert sich bei unseren beiden Nachmittagstauchgängen der Mann Pass: Der Start ist vielversprechend mit Adlerrochen, Silberspitze und Grauem Riffhai, gefolgt von einem Hundezahn-Thun-Trümmer. Dann ist's aber auch vorbei mit der Herrlichkeit, die restlichen 105 min (aggregiert) passiert nichts mehr, sieht man von dem Tigerhai ab, den Michael noch exklusiv sichtet. Den Kanal säumt zwar das größte Tischkorallenfeld, das ich jemals gesehen habe (bestimmt mehrere Fußballplätze groß), nur leider sind 70-80% der Korallen tot: ausgebleicht, zertrümmert oder von Algen überwuchert. Ein erschreckender Anblick, bei dem einem das anschließende Abendessen im Halse stecken bleibt. Ob daran alleine die Wassertemperatur Schuld ist, die auf Kwajalein ganzjährig 28-30 Grad beträgt (weswegen ich meinen Neo gleich in Köln gelassen habe), vermag ich nicht zu beurteilen. Hoffentlich wird das in den kommenden Tagen noch besser.

  • Facebook