Juni 2018
Selten war die Entscheidung pro oder contra Malpelo so schwer wie diesmal. Soll ich wirklich während der Vorrunde der Fußball-WM ohne Fernsehen, Internet und Radio auf dem Ostpazifik rumschippern? Und das, obwohl ich erst letzten Oktober schon auf Tauchsafari nach Malpelo war? Ich soll. Das an Silvester hereingeflatterte Angebot von Tauchertraum für eine Scouting-Tour auf der "Ferox" ist einfach zu verlockend. "Scouting-Tour" bedeutet, dass Michael, der Inhaber und Gründer von Tauchertraum, das Boot selbst auch noch nicht kennt und dieser Trip der Evaluierung desselbigen dient. Auch Gorgona als Tauchrevier ist für ihn Neuland. Daher gibt es bei dieser Tour einen erheblichen Preisnachlass auf den regulären Tourpreis, für den man nochmal schön 2 Wochen nach Ägypten fliegen kann. Auch die Reisezeit im Juni ist optimal, da sich dann die großen Seidenhaischulen vor Malpelo aufhalten. Zumindest war das in der Vergangenheit so.
Ein halbes Jahr später startet der Trip mit einer morgendlichen Pool-Session im Interconti-Hotel in Cali, nachdem uns am Vortag Lufthansa und Copa via Panama sicher nach Kolumbien befördert haben. Um 13 Uhr steht der Shuttle-Bus vor dem Hotel bereit und kutschiert uns in 4 Stunden über kurvenreiche Straßen durch die Berge Kolumbiens in die Hafenstadt Buenaventura. Durch heruntergekommene Vororte geht es zum Hafen, wo eine starke Polizeipräsenz für Sicherheit in einer der kriminellsten Städte Kolumbiens sorgt. Das Skiff der "Ferox" steht schon bereit und setzt uns zu dem 1 km vor der Küste liegenden ehemaligen Minenleger über. Das Schiff war nach der letzten Generalüberholung nur noch 8 Monate lang für die schwedische Marine im Einsatz, bevor es ausgemustert wurde. Ob den Schweden aufgefallen ist, dass sie gar keinen Bedarf haben, Seeminen zu legen? 2017 wurde das Schiff von Colombia Dive Adventures aufgekauft und zu einem Tauchschiff umfunktioniert, mit dem Ziel, es nach dem Abgang von "Inula" und "Yemaya" als neues, zuverlässiges und sicheres Schiff für Touren nach Malpelo zu etablieren.
Nach dem Willkommensdrink stechen wir um 18:30 Uhr in See. Noch 34 Stunden bis Malpelo.
Die Langeweile der Überfahrt wird nur von 4 Mahlzeiten, einem Sicherheitsdrill, der aus dem Anlegen der Schwimmwesten besteht, und dem allgemeinen Tauchbriefing unterbrochen. Wie man es schon gewohnt ist, wird es vor Malpelo 3 Tauchgänge pro Tag geben, um 7:30 Uhr, 10:45 Uhr und 15 Uhr. Seitdem die "Maria Patricia" im August 2016 fünf Taucher vor Malpelo verloren hat, müssen alle Taucher um 16:30 Uhr aus dem Wasser sein. Die 12 Gäste werden in 2 Gruppen aufgeteilt, die mit den beiden Skiffs an die Tauchplätze gefahren werden. Die Ausrüstung verbleibt die gesamte Zeit auf den Skiffs, man muss sich nur um Maske und Kamera kümmern.
Um 4:30 Uhr in der Früh haben wir unser Ziel erreicht. Malpelo begrüßt uns mit dunklen Regenwolken, die leider für die Jahreszeit typisch sind. 3 Stunden später springen wir zum Check-Tauchgang ins Wasser und wie nicht anders zu erwarten war, bedeutet das Altair de Virginia (aka El Arrecife), der wahrscheinlich einfachste der ca. 20 Tauchplätze rund um die Insel. Der Auftakt ist allerdings etwas dünn, nur ganz wenige Hammerhaie lassen sich blicken. Der riesige Schwarm Jordan-Schnapper, der noch letzten Oktober hier stand, ist in alle Winde verstreut und von den Pelikan-Barrakudas ist überhaupt nichts zu sehen. Das Positivste ist die Wassertemperatur von 26 Grad. Frieren muss man in den kommenden 10 Tagen nicht.
3 Klassen besser ist dann der nächste Abstieg an La Nevera: Viele, viele Hammerhaie beglücken das Auge, teils in kleinen Schulen im Blau, zumeist aber einzeln an den Putzerstationen, die entlang des Hangs verstreut sind. Wir verteilen uns strategisch; jeder sucht sich ein möglichst gutes Beobachtungsplätzchen im Riff. Das Ziel ist es, sich idealerweise nicht zu bewegen und nicht zu atmen, um die äußerst scheuen Hammerhaie nicht zu verschrecken. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, die starke Dünung schmeißt mich auch noch in 20 m Tiefe etwas enervierend hin und her. Hier für eine stabile Hockposition deutlich überbleit ins Wasser zu gehen, ist ausnahmsweise mal kein Fehler. Auch der Neo wird entgegen meiner sonstigen Gewohnheit trotz der tropischen Wassertemperatur zum Einsatz kommen, um das Gemetzel, das die scharfkantigen Felsen und Seepocken mit der nackten Haut anstellen, in Grenzen zu halten. Der klasse Tauchgang wird von ein paar Galapagoshaien und einigen Seidenhaien beim Safety Stop abgerundet. Von letzteren hoffen wir ja sehr auf größere Schulen in den nächsten Tagen.
Etwas irritiert sind wir am Mittag von der Ankunft eines Katamarans namens "Hemisphere", auf dem die Flagge der Bermudas weht. Der zum Zeitpunkt seines Baus größte Segelkatamaran der Welt ist mit 44 m deutlich länger als die 31 m lange "Ferox" und führt eine kleine Motoryacht mit sich, von dem aus sich sogleich ein Dutzend Taucher ins Wasser schmeißt. Anscheinend hat hier ein gut betuchter Geschäftsmann seine Beziehungen spielen lassen, denn eigentlich darf immer nur ein Tauchboot gleichzeitig vor Malpelo liegen. Mit ein paar finanziellen Geschenken an die richtigen offiziellen Stellen geht aber in Südamerika bekanntlich fast alles.
Den Tagesabschluss macht La Pared del Naufrago an der Nordwestseite Malpelos. Zu Beginn gibt es die üblichen Hammerhaie, allerdings in überschaubarer Stückzahl. Beim Paddeln gegen die leichte Strömung entlang der Steilwand Richtung Cara del Fantasma werden wir in wenigen Metern Entfernung von einem Walhai überholt. Es bleibt nur ein kurzes Vergnügen, mit wenigen Flossenschlägen ist das ca. 7 m große Tier im Blau des Ostpazifiks verschwunden. Dennoch ist der größte Fisch des Planeten natürlich ein schöner Abschluss eines vielversprechenden ersten Tauchtages.
Der erste Tauchgang an La Nevera ist eine Kopie des gestrigen, nur fehlen diesmal am Ende die Seidenhaie in Gänze.
Der 2. Abstieg an D'Artagnan, einem alleinstehenden Felsen vor der Nordspitze Malpelos, verläuft dann anders als geplant: Statt wie besprochen zu den drei Musketieren rüberzuschwimmen, vertaucht sich unser offizieller, von der Ferox angeworbener Guide, und umrundet den Felsen lediglich ein Mal. Kann ja mal passieren, nur leider hat sich schon gestern gezeigt, dass er sich nicht wirklich mit Malpelos Tauchplätzen auskennt. Er war erst 9x hier, das letzte Mal vor 3 Jahren. So wird, wie schon gestern, auch in den kommenden Tagen Michael das Guiden von Team "Delta" selbst übernehmen müssen, was eigentlich kein Zustand ist, da auch er als Gast auf dem Boot ist. Diesbezüglich wird es in der Zukunft sicherlich eine andere Lösung geben. Immerhin ist mit Jaime einer der besten Malpelo-Kenner als Guide für die andere Gruppe am Start. Versüßt wird der desorientierte Tauchgang dafür mit einem Riesenvieh von Walhai — zumindest wenn ich den Tauchkollegen glauben darf, denn leider habe ich da gerade woanders hingeguckt...
Getröstet werde ich beim 3. Tauchgang, wieder an La Nevera, mit dem 2. Walhai des Tages. Das 5m-Riesenbaby ist sehr gemächlich unterwegs, sodass wir uns problemlos annähern und ein paar Blicke von vorne erhaschen können. Ansonsten ist der "Kühlschrank" im Vergleich zu heute Morgen aber kaum wiederzuerkennen. Nur vereinzelt zeigen sich Hammer- und Galapagoshaie, an den Putzerstationen ist zum Tagesausklang kaum was los.
Zum Start in den Tag versuchen wir, D'Artagnan nochmal richtig zu betauchen. Da jetzt Michael wieder guided, klappt das auch problemlos. Direkt neben dem Felsen steht, wie so häufig, eine riesige Schule Großaugenmakrelen. Die bleibt auch das einzige Highlight, die genauso große Schule Mullet Snapper, auf die man oft auf dem Weg zu Aramis, dem westlichsten der 3 Musketiere, stößt, hat noch Nachtruhe. La Nevera zeigt sich dann wieder von einer etwas aktiveren Seite als gestern, nicht so aktiv wie am ersten Tauchtag, aber mit aufsteigender Form. Den Tagesabschluss macht heute die Bajo Monstruo, ein Unterwasserberg vor der Nordostspitze Malpelo. Dies ist der Platz, an dem man neben Cara del Fantasma die besten Chancen hat, auf den Schildzahnhai Odontaspis ferox zu treffen, eine Tiefsee-Art, die auch vor Malpelo heimisch ist und natürlich Namensgeber für unser Tauchschiff ist. "Die besten Chancen" heißt aber nicht, dass die Chancen gut sind. Normalerweise versteckt sich das "Monster" unterhalb von 60 m. Eher gewinnt man im Lotto, als einen zu sehen, auch wenn er in dieser Jahreszeit schon mal etwas höher kommt. Für uns gibt es heute bei 30 m "nur" eine Armada von Lederzackenbarschen und eine Putzerstation, die von etwa 15 Hammerhaien frequentiert wird.
Die Zwischenbilanz nach den ersten 3 Tagen fällt gemischt aus. Tauchtechnisch konnten wir aufgrund des Wetters noch nicht die recht ungeschützten Plätze ganz im Süden betauchen. Von den Seidenhaischulen fehlt bisher jede Spur. Da scheint es im Moment nach den ganzen Walhai-Sichtungen (auch die andere Gruppe hatte bereits zwei) wahrscheinlicher, auf eine Walhai-Schule zu treffen. Immerhin ist auf die Hammerhaie Verlass.
Was das Schiff angeht, vermisst man auf der "Ferox" doch einigen Komfort, den man auf der "Yemaya" hatte. Einen Salon gibt es nicht; wenn man zusammensitzen will, kann man sich auch bei Wind und Wetter nur im Freien aufhalten. Dort, wo bei reinrassigen Tauchbooten das Tauchdeck ist, befindet sich auf der "Ferox" der Essbereich mit zwei Holztischen und vier Bänken. In einer Ecke steht der Kameratisch, der ausreichend Platz für das Foto-Equipment bietet, sofern nicht alle 12 Gäste mit fetten Kameras erscheinen. Direkt neben den Esstischen steht der Kompressor, der nach den Tauchgängen zum Flaschenfüllen angeworfen wird, sodass es auf dem Hauptdeck sehr laut wird.1) Zum Frühstück klettert man daher mit der Kaffeetasse in der Hand über eine steile Treppe aufs Sonnendeck, wo es neben ausreichend Liegestühlen auch eine Bar gibt2). Bei dem ständigen Wellengang, den man vor Malpelo hat, muss man hier gut auf Teller, Besteck und Gläser aufpassen, damit sie nicht bei der nächsten Welle am Boden liegen. In den Zimmern vermisst man insb. im Bad Haken und Ablagemöglichkeiten. Es wäre sehr leicht, hier mit wenig Aufwand Abhilfe zu schaffen. Ansonsten ist das Platzangebot in den Zimmern aber gut. Auch stehen reichlich Steckdosen nach deutschem (!) Standard zur Verfügung. Was an den beiden Doppelkabinen vorne im Bug ziemlich nervt, ist der Lärmpegel: Jede kleine Welle, die gegen den Rumpf schwappt, wird von selbigem so sehr verstärkt, dass man denkt, neben dem Ohr spielt eine Kindergeburtstagsrunde Topfschlagen. Auch ohne laufende Maschinen ist so an eine entspannte Nachtruhe kaum zu denken. Ohrenstöpsel oder lärmdämmende Kopfhörer nicht vergessen! Das gilt wie gesagt nur für die beiden Kabinen vorne im Bug, in den anderen ist es laut Aussage der Mitreisenden deutlich leiser.
Nicht begeistert war ich auch von der Sauberkeit, die wir auf dem Schiff beim Einchecken vorgefunden haben. Die Schubladen mussten wir erstmal feucht durchwischen, bevor wir unsere Klamotten darin verstauen konnten. Auch die Decks scheinen seit langer Zeit keinen Eimer Wasser mehr gesehen zu haben. Badeschuhe einpacken oder mit schwarzen Füßen ins Bett gehen! Oder natürlich vorher Füße waschen. Man darf aber hoffen, dass sich der Betreiber entsprechendes Feedback für die Zukunft zu Herzen nimmt.
Positiv hervorzuheben ist dagegen die Sicherheit des Tauchbetriebs. Jeder Gast bekommt einen AIS-Sender, den er aktivieren kann, wenn er abgetrieben wird. Das Gerät hat bei optimalen Bedingungen eine Reichweite von 6 Seemeilen und löst bei Aktivierung auf den Skiffs und dem Schiff einen Alarm aus. Es funktioniert auf Sichtlinie, übermittelt also keine GPS-Koordinaten, sondern Entfernung und Richtung, was bei rechtzeitiger Aktivierung ausreichen sollte, um den abgetriebenen Taucher schnell wiederzufinden. Die Skiffs sind mit zwei leistungsfähigen Außenbordern ausgestattet und die Fahrer halten per Funk Kontakt zum Schiff – zwei Faktoren, die wohl so auf der "Maria Patricia" nicht gegeben waren und zum Tod von zwei Tauchern geführt haben. Die Skiff Driver sind fit und folgen zuverlässig den Luftblasen der Taucher. Etwas ungünstig ist lediglich der Einstieg in die Skiffs vom Schiff aus. Hierzu muss man zwei Sprossen einer an der Bordwand befestigten Leiter überwinden, was bei starkem Seegang besondere Vorsicht verlangt.
Zum Start in den Tag begleitet uns zum ersten Mal Haibert, der Park Ranger der Naturschutzbehörde. Eigentlich ist er auf der Insel stationiert, hält sich aber überwiegend auf dem gerade vor Anker liegenden Tauchboot auf. Wahrscheinlich wird es auf Dauer auf dem kahlen Felsen doch ziemlich langweilig und das ständige "Rauf auf die Insel" und "Runter von der Insel" über die schwankende Strickleiter dürfte auch maximal lästig sein. Die letzten Tage hat Haibert die Annehmlichkeiten des Luxus-Katamarans genossen. Nun muss er sich mit dem Standard auf der "Ferox" begnügen, denn der Katamaran segelt heute ab. Bei unserem ersten Abstieg an La Pared del Naufrago sammelt Haibert gleich mal viele Meter herumliegende Angelleinen ein – und bei uns damit ordentlich Pluspunkte. Leider verpasst er dadurch das Walhai-Riesenbaby, das heute mit einem Affenzahn über uns hinwegfegt — kein Tag ohne Walhai. Weiteres Highlight ist die riesige Schule Jordan-Schnapper, die wir eigentlich an Tag 1 am Altar erwartet hatten und für ein ausführliches Video- und Fotoshooting nutzen.
Die üblichen Verdächtigen dann an La Nevera — und die Silkies zieren sich weiter. Gut für Silkies war in der Vergangheit auch das Aquarium, ein Unterwasserberg südwestlich von D'Artagnan. Bei starker Strömung geht es an der Abstiegsleine, die Michael und Jaime extra gestern Abend noch installiert haben, abwärts. Mit nur einer freien Hand ist es gar nicht so einfach, auf dem Felsen einen sicheren Halt zu finden, um das Treiben an der Putzerstation zu beobachten. Das nimmt sich allerdings überschaubar aus, die Dienste der putzenden, respektive putzigen, Falterfische nehmen heute nur ein paar stattliche Bernsteinmakrelen in Anspruch. Haie Fehlanzeige. Nach 20 min lassen wir los und driften durchs Blaue gen Panama. Auf unserem Weg begegnet uns eine große Schule Gelbflossenthune, die uns minutenlang umkreisen und die Mullet Snapper, die eigentlich an Aramis stehen sollten. Nach 20 min Drift tauchen wir auf und stellen fest, dass es wahrscheinlich genau diese Schule war, denn wir kommen weit, weit nördlich der 3 Musketiere wieder an die Oberfläche. Das Skiff wartet schon, aber Robert, unser Fahrer, muss sich noch etwas gedulden, denn 2 Seidenhaie unterm Boot verlangen nach unserer vollen Aufmerksamkeit. Fehlen nur noch ihre 98 Freunde ...
Die hoffen wir am nächsten Morgen bei unserer ersten Ausfahrt in den tiefen Süden zu finden. Wir springen an La Gringa und bestaunen 15 min lang das Tiefgrau des Ostpazifiks. Wir paddeln rüber zu El Bajon, einem Platz, der in der Vergangenheit oft sehr gut für Galapagoshai- und Hammerhai-Sichtungen war. Heute herrscht auch hier gähnende Leere. Die Strömung treibt uns nach Westen gen David. Auf einmal sind wir umringt von einer Gruppe Gelbflossenthune und im Schlepptau haben sie die bisher so schmerzlich vermissten 98 Freunde: Eine Seidenhaischule aus 100-200 Tieren prüft einige Minuten gründlich, wer sich da in ihrem Revier aufhält. Na endlich! Das sind die Szenen, auf die wir so sehr gehofft haben. Total begeistert tauchen wir mit dem letzten Rest Luft in der Flasche auf.
Natürlich probieren wir es an Tauchgang 2 genau da, wo wir zwei Stunden vorher auf die Silkies gestoßen sind. Man sollte kaum glauben, dass sich David in so kurzer Zeit so unterschiedlich präsentieren kann: Wo vorhin noch die Silkies tobten, herrscht jetzt bedrückende Stille, die nur kurz von einem vorbeiziehenden Walhai unterbrochen wird (schon wieder!). Ansonsten: nada, nichts, tote Hose.
Eher mittelmäßig ist auch der Tagesabschluss an D'Artagnan: Auf die Putzerfischarmada und die Großaugenmakrelen ist Verlass, auch wenn der Schwarm heute nicht so dicht steht, wie vorgestern. Wir schwimmen rüber zu Porthos, dem mittleren der drei Musketiere und schaukeln uns mit der Dünung durch die Kathedrale. Am Eingang steht heute eine große Schule Blau-Gold-Schnapper, in der Kathedrale selbst ist aber nicht so arg viel los. Nach dem Ausgang dümpeln wir noch etwas durchs Blau aber kein Fisch weit und breit lässt sich mehr blicken, noch nicht mal ein Walhai!
Der sechste Tauchtag ist schnell erzählt, 2x La Nevera, der sich als bester (und auch einzig guter) Platz für Hammerhaisichtungen herauskristallisiert hat. 11 unserer 29 Malpelo-Tauchgänge finden hier statt. Dazu gibt es vor dem Mittagessen den 2. Abstieg am Aquarium, das wieder mit Thunfischen und einer Menge Wahoos aufwartet. Insgesamt keine besonderen Vorkommnisse heute, außer einem 0:1 gegen Mexiko.
Das einzige besondere Vorkommnis an Tag 9 ist das Unwetter, das über Malpelo hinwegzieht und am Mittag für einen Abbruch des Tauchbetriebs sorgt. Sintflutartiger Regen ergießt sich über uns, wasserfallartig schwappt es die Treppe vom Oberdeck herunter, das sich in einen Swimming Pool verwandelt. Der starke Wind lässt das Wasser waagerecht von der Insel wehen. Die Crew nutzt das reichliche Wasser von oben zum Großreinemachen und rückt Deck und Mobiliar mit dem Schrubber zu Leibe. Da scheint das Feedback bzgl. der Sauberkeit ernst genommen zu werden. Unter Wasser haben wir bei unserem 2. Versuch an La Gringa außer einem Adlerrochen "deep blue sea". Zu La Nevera ist bereits alles gesagt.
Der Sturm hat sich gelegt, die Sonne lacht endlich mal über Malpelo. Wegen des gestrigen Kurzprogramms gibt es heute einen straffen Plan mit 4 Tauchgängen. Das geht nur mit einer Ausnahmegenehmigung von Haibert, da wir es nicht schaffen werden, bis 16:30 Uhr aus dem Wasser zu sein. Wir starten an der Ferreteria, dem südlichsten Platz Malpelos. Der Unterwasserberg, der bis auf 20 m unter die Oberfläche kommt, wartet oft mit starker Strömung und entsprechend viel Großfisch auf. Die Strömung ist da, der Großfisch nicht. So bleibt es beim Ablichten der Muränennester, in denen sich ein halbes Dutzend und mehr der Aale umeinander schlängeln. Immerhin werden wir beim Driften durchs Blauwasser etwas abgetrieben, sodass wir direkt mal das AIS testen können. Funktioniert, sowohl auf dem Skiff als auch auf der Ferox wird akustischer Alarm ausgelöst, sodass wir nur ein paar Minuten ausharren müssen, bis das Skiff zur Stelle ist. La Nevera ist heute nur 20 min lang gut, danach wird es ruhig an den Putzerstationen. Dafür stehen an D'Artagnan die Großaugenmakrelen so dicht zusammen, dass man die riesige Wolke aus Fischleibern kaum von den Inseln auseinanderhalten kann, zwischen denen sie stehen. Gigantisch! Zum Tagesabschluss versenken wir uns an Cara del Fantasma zum ersten und einzigen Mal unterhalb von 40 m auf der Suche nach dem Ferox. Dies ist der Platz, an dem Michael in all den Jahren, in denen er schon nach Malpelo kommt, seine einzige Sichtung hatte. So viel Glück haben wir heute aber nicht.
Für einen letzten Ferox-Versuch geht es am Morgen am Bajo Monstruo abwärts. Ein riesiger, ca. 2 m langer Schatten, der sich bei der diesigen Sicht nur schemenhaft gegen das trübe Wasser absetzt, erregt kurzfristig unsere Aufmerksamkeit, aber es wird wohl "nur" ein Trümmer-Thun gewesen sein. An La Nevera holen wir uns unsere tägliche Hammerhairation. Beim Safety Stop sehen wie am Ende sogar mal eine größere Schule, aber wegen der heute schlechten Sicht hat es mehr was von "Shades of Grey" als von einer echten Sichtung. Um mal was anderes zu machen, springen wir für den 3. Tauchgang an Mirador, dem westlichsten Zipfel Malpelos. An der Steilwand entlang heißt es Streckentauchen (eigentlich eine Disziplin, die ich hasse) zur French Cave und weiter zu El Freezer. Schön ist der Platz im Wesentlichen wegen seiner Topografie. Weniger schön ist, dass Haibert wieder Dutzende Meter Angelleinen einsammeln muss (weitere Pluspunkte für ihn). Trotzdem hat er noch Muße, ins Blauwasser zu gucken und auf irgendwas zu zeigen, woraufhin alle auf Verdacht losspurten. Ich erreiche den großen Walhai leider nicht mehr. Vielleicht sollte Haibert auf Guide umsatteln, der gute Mann ist echt fit. Zu unserem großen Entzücken schwimmt uns 5 min später ein weiterer, deutlich kleinerer Walhai von der Wasseroberfläche entgegen, der sich in puncto Schwimmgeschwindigkeit auch etwas kooperativer zeigt. So kooperativ, dass er beim Safety Stop nochmal vobeischaut. 3 Walhaisichtungen in den letzten 10 min eines Tauchgangs hat man auch nicht alle Tage.
Es geht dem Ende entgegen, heute gibt es nur noch 2 Tauchgänge. La Nevera hat die Aktivität schon eingestellt, so gut wie nichts los. Am Altair de Virginia gehe ich mit der Nase im Sand erstmal auf die Suche nach den Anglerfischen, die im Oktober in der Nähe des Shark Detectors noch saßen. Als jemand gegen den Tank hämmert, schaue ich ins Blauwasser: nichts zu sehen. Ich schaue nach oben: 2 m über mir zieht ein fetter Walhai vorbei. Das ist dann auch die 14. und letzte Walhaisichtung in den 10 Tagen vor Malpelo. In seinem Schlepptau toben noch ein Dutzend Hammerhaie im Sand, dann kehrt am Altar wieder Ruhe ein.
Direkt nach dem Tauchgang werden die 3 Skiffs eingesammelt, ein paar Lebewohl-Fotos geschossen und ab geht die Fahrt gen Osten! Zeit, das Foto- und Videomaterial zu sichten, das auch diesmal wieder die ein oder andere schöne Szene hergibt:
Zeit auch für das Fazit, wie hat sich mein 4. Malpelo-Besuch geschlagen? Es war wieder top, auch wenn es sicherlich nicht die stärkste Tour war, vor allem, weil sich die Silkies uns leider nur 1x als große Schule gezeigt haben. Dafür gab es eine Walhai-Schwemme und auch auf die Hammerhaie und die großen Fischschwärme war wieder Verlass. Von daher, Daumen rauf! Die "Ferox" hat in einigen Bereichen Potenzial nach oben, vor allen was Essensvielfalt, Ablauforganisation und Komfort in den Kabinen angeht. Aber genau dazu dient ja diese Scouting-Tour: die Schwachstellen aufzudecken und für zukünftige Touren abzustellen. Käpt'n und Besitzer Tony Cruz zeigte sich sehr offen für Feedback und einige Dinge wurden auch schon während des Trips verändert. Von den drei Schiffen, die aktuell Malpelo anfahren, ist die "Ferox" definitiv das einzige, dem ich mich anvertrauen würde.
1)Update Oktober 2018: Aus gut unterrichteter Quelle ist mir zugetragen worden, dass die Ferox seit Kurzem ein Cascade-Füllsystem hat, also einen Speicher, der vom Kompressor befüllt wird, während die Gäste tauchen. Während des Essens werden die Flaschen dann aus dem Speicher befüllt, sodass der Lärm auf dem Essdeck ein Ende hat. Schön, wenn Verbesserungsvorschläge so schnell umgesetzt werden!
2)Update September 2019: Bei einem weiteren Umbau ist die Bar auf dem Oberdeck einem kleinen Salon gewichen, der auch für Briefings genutzt wird, sodass man sich nun auch "indoor" aufhalten kann.
Jetzt heißt es aber erstmal, noch ein paar Tage locker auszutauchen: noch 24 Stunden bis Gorgona.