Tauchen am Ningaloo Reef

April/Mai 2000

Das Ningaloo Reef liegt vor Australiens Westküste, etwa 1100 km nördlich von Perth, und ist mit einer Länge von ca. 260 km das längste Saumriff der Welt. Trotz seiner leichten Zugänglichkeit ist es noch relativ unbekannt. Vor Exmouth reicht das Riff bis auf wenige Kilometer an die Küste heran, während es bei Coral Bay lediglich 100 m sind. Coral Bay ist daher der ideale Ort zum Schnorcheln, während sich in Exmouth eine Vielzahl von Tauchbasen tummeln.

Leider leidet auch das Ningaloo Reef stark unter der weltweit auftretenden Korallenbleiche, als "farbenfroh" würde ich den Zustand nicht gerade bezeichnen. Die übrige Meeresfauna ist jedoch fantastisch und macht das Riff zu einem Highlight des Tauchens in Australien. Ich habe mich kurzerhand entschlossen, meinen Divemaster-Kurs hier zu machen und habe im April und Mai 2000 acht Wochen am Riff verbracht, wobei ich fast jeden Tag Tauchen war. Es war nie langweilig, ich habe es nicht bereut. Im Folgenden beschreibe ich einige Tauchplätze, die man beim Besuch des Riffs nicht verpassen sollte.

Exmouth

Exmouth ist eine 3500-Seelen-Gemeinde auf der Cape Range Peninsula, einer Halbinsel knapp 1300 km nördlich von Perth. Es gibt eigentlich nur zwei Gründe, hierherzukommen: Tauchen und Walhaitouren. Exmouth hat nur einen Pub (ein zweiter war gerade in Bau, als ich dort weg bin), aber jede Menge Tauchbasen, mit denen man Tauchtrips oder Schnorcheltrips mit Walhaien unternehmen kann. Hierzu gehören das Exmouth Dive Center, Village Dive, Western Australian Getaway Scuba und Coral Coast Dive. Keine Tauchbasis in Exmouth haben Ningaloo Blue und Diving Ventures, die aber ebenfalls Walhaitouren durchführen.

Navy Pier

Der Navy Pier ist wegen seines Fischreichtums und der düsteren Atmosphäre mein persönlicher Liebling unter Exmouths Tauchplätzen. Schon beim Abtauchen erzeugen die unter Wasser nur schemenhaft zu erkennenden Pylone eine etwas unheimliche Stimmung, insbesondere bei schlechter Sicht, die normalerweise zwischen 3 und 15 m liegt. Schlechte Sicht heißt aber nicht, dass man nichts zu sehen bekommt, im Gegenteil. Die Rotfeuerfische, auf die man direkt am Einstieg trifft, bilden nur den Anfang eines tollen Tauchgangs. Der Meeresboden unter dem Pier ist z.T. sehr felsig mit vielen Spalten und da überall Trümmer von Rohren, Stangen und Gittern herumliegen, haben die Meeresbewohner ideale Möglichkeiten, sich zu verstecken. In jedem zweiten Loch sitzt ein Oktopus, der sich erschrocken zurückzieht, wenn man ihm zu nahe kommt. Nebenan lugen die Krötenfische mit ihren überdimensionalen Augen und den breiten Mäulern aus ihren Höhlen hervor. Ab und zu schreckt man mal eine Muräne auf, die sich eifrig zurück in ihr Loch verkriecht. Eine gute Tarierung ist hier sehr wichtig, sonst landet man noch auf einem der vielen Skorpions- oder Steinfische, die sich überall am Meeresboden tummeln. Riskiert man mal einen Blick nach oben, zeichnet sich ein großer Schwarm Flötenfische gegen das Sonnenlicht ab und bewegt man sich nicht allzu hektisch, schwimmen auch die Riesenzackenbarsche, die durchaus schon mal länger sind, als man selbst, nicht fluchtartig davon. Keinen Zentimeter bewegen sich die Wobbegongs, die einfach nur faul auf den Querstreben der Pylone herumliegen. Die lassen sich selbst nicht stören, wenn man sich 10 Zentimeter neben sie legt. Die Weißspitzenriffhaie schwimmen dann schon mal davon, bleibt man jedoch ruhig liegen, drehen sie einen Bogen, kommen zurück und legen sich genau dorthin, wo sie vorher auch lagen und beäugen einen dann mehr oder weniger misstrauisch. Weniger misstrauisch sind die Putzergarnelen. Hat man sich am Morgen nicht ordentlich die Zähne geputzt, nehme man den Mund voll Wasser und die Garnelen erledigen den Rest. Kein Scherz, ich ziehe eine ordentliche Portion blend-a-med aber trotzdem vor. Ab und zu schwimmt auch schon mal ein Blaupunktrochen vorbei und im Sand liegen haufenweise Plattköpfe (engl. Flatheads) herum. Wer ganz genau hinschaut, kann auch die eine oder andere Flunder entdecken. Mit Sicherheit entdecken wird man den Schwarm Barrakudas, wenn er an einem vorüberzieht, genauso wie die vielen, vielen Katzenwelse, Papageifische, Kaiserfische, Doktorfische, Kugelfische, Kofferfische, Seebarsche, Plattwürmer, Nacktschnecken, etc. pp. Seltener dagegen tauchen auch mal Schmucklangusten oder große Stechrochen auf. Wer sich nachts unter Wasser wagt, kann mit ein bisschen Glück auch große Einsiedlerkrebse herumkrabbeln sehen.

Der eine oder andere Vieltaucher wird jetzt vielleicht sagen: "Hab ich alles schon gehabt!" Kann sein, aber hier hat man eine absolut realistische Chance, all die oben genannten Viecher während eines einzigen 50-Minuten-Tauchgangs zu sehen. Insbesondere Tauchnovizen kommen hier voll auf ihre Kosten, aber ich hab auch Taucher mit 500 Tauchgängen und mehr gesehen, die völlig euphorisch aus dem Wasser kamen. Der Navy Pier ist mein absoluter Lieblingstauchgang in Exmouth. 25-mal bin ich hier getaucht, der Navy Pier wird nie langweilig und ist immer für eine Überraschung gut.

Lighthouse Bay

Ein weiterer toller Trip ist eine Halbtagestour nach Lighthouse Bay. Hier haben es mir insbesondere die Tauchplätze Labyrinth und Blizzard Ridge angetan.

Das Labyrinth ist eine Putzerstation für Seeschildkröten. Die Chance, hier auf Echte Karettschildkröten zu treffen, ist sehr gut. Einmal haben wir 8 Stück während eines Tauchgangs gezählt. Sie sind auch nicht sehr scheu und lassen einen bis auf wenige Zentimeter herankommen, wenn man sich gemütlich bewegt und sie nicht in Angst und Schrecken versetzt. Den Eingang zum Labyrinth markiert eine große Prachtanemone, in der sich nicht selten der ein oder andere Clownfisch tummelt. Oft trifft man auch auf Blaupunktrochen, Kofferfische, Langusten und Schulen von Fledermausfischen. Einmal kreuzte auch ein Ammenhai unseren Weg, aber darauf darf man i.a. nicht hoffen. Der Maximaltiefe dieses Tauchgangs beträgt 14 m, ist also für jedermann machbar.

Blizzard Ridge ist ein in 14 m Tiefe verlaufender Grat, in dessen Spalten man Olive Sea Snakes, die unter Wasser eher gelblich wirken, findet. Vielleicht bin ich aber auch nur farbenblind. Die Seeschlangen können jedenfalls ziemlich neugierig sein, insbesondere Kameralinsen und Tauchermasken haben es ihnen angetan. Es sind jedoch absolut friedliche Gesellen, versucht man nicht gerade, ihnen einen Knoten in den Schwanz zu machen, sehen sie keinen Grund, ihr Gift an einem zu verschwenden. Eine hat mal beim Auftauchen das Bein meines Buddies gestreift und obwohl der sich daraufhin ziemlich erschrocken und heftigst mit den Beinen gezuckt hat, hat es die Schlange nicht interessiert. Natürlich sollte man trotzdem keinen Unsinn mit so einer Seeschlange treiben, eine Olive Sea Snake produziert etwa 15 mg Gift, wovon bereits ein Zehntel einen Erwachsenen töten kann. Neben den Seeschlangen finden sich noch Wobbegongs, Weißspitzenriffhaie, mächtig große Stechrochen, kleine Blaupunktrochen, Rotfeuerfische, Putzergarnelen, Anemonen mit den dazugehörigen Clownfischen, Seesterne, jede Menge Nacktschnecken in allen möglichen Farben und ab und zu auch mal eine Muräne.

Fazit: Ein toller Trip für Kröten- und Schlangenfans, beides hab ich bei jedem Trip zu Gesicht bekommen, aber natürlich gehört da auch etwas Glück dazu.

Muiron Islands

Die Muiron-Islands liegen eine gute Bootsstunde von Exmouth entfernt, 16 km nördlich des North West Capes. Leider konnte ich hier nur zwei Tauchgänge machen, sodass mir ein Urteil ziemlich schwerfällt. The Spit bietet zwei "Swim-throughs", durch die man hindurchtauchen kann, sowie einiges an buntem Fischtreiben. Noch besser gefallen hat mir Fraggle Rock, wo es jede Menge Weichkorallen, Fische und tolle Felsformationen zu sehen gab. Wobbegongs, große Stechrochen, Zackenbarsche und riesige Schwärme Baitfish standen ebenso auf dem Programm. Normalerweise soll man an den Muirons auch häufig auf Seeschildkröten treffen, was bei uns aber bedauerlicherweise nicht der Fall war. Auch Max, der freundliche Kartoffel-Zackenbarsch, der gern mal ein wenig mit den Tauchern spielt, hat sich nicht blicken lassen.

Fazit: Ist mit Sicherheit kein Fehler, hier zu tauchen, auch wenn mir Navy Pier und Lighthouse Bay besser gefallen haben.

Westseite

Vom Fischreichtum her können die Tauchplätze vor der Westseite der Halbinsel den vorher beschriebenen Tauchplätzen, vor allem dem Navy Pier, nicht das Wasser reichen. Dafür finden sich hier die einzigen Tauchplätze in Exmouth, die auch mal tiefer gehen als die 14 m, die man am Navy Pier und in der Lighthouse Bay hat. Man sollte aber keine 50 m-Drop-Offs erwarten, die 26 m der Milyering Wall sind schon fast das höchste der Gefühle. Dafür empfand ich die Kalksteinformationen als ziemlich imposant und es macht Spaß, an der Wand entlangzutauchen. An einigen Tauchplätzen auf der Westseite findet man Swim- throughs, also Durchlässe, durch die man hindurchtauchen kann. Da kommt direkt ein Hauch von Höhlentauchen auf, vor allem beim Dibbley Dropoff (30 m), sowie bei Nick's Lumps und Three Fins (beide um 20 m). Vor den Eingängen der Swim-throughs lungern oft riesige Schwärme Baitfish herum, durch die man sich hindurchkämpfen darf. Die Fische werden so genannt, weil sie nur für eines gut sind: gefressen zu werden. Wenn man ganz viel Glück hat, kann man auch mal größere Fische, wie Hammerhaie, Gitarrenrochen, Delfine und sogar Mantas sehen, aber das ist leider die Ausnahme und nicht die Regel. Gut gefallen haben mir noch die Ranger Bommies, eine Ansammlung von Korallen, Schwämmen und Anemonen, zwischen denen sich haufenweise Kleinvieh und ab und zu auch mal große Stechrochen tummeln. Ein sehr relaxeder und farbenfroher Tauchplatz in gerade mal 7 m Tiefe.

Fazit: Wer nur ein paar Tage in Exmouth hat, sollte lieber auf Navy Pier, Lighthouse Bay und Muiron Islands setzen. Ansonsten kann man vielleicht mal einen Blick auf die Westseite riskieren.

Walhai-Touren

In den letzten 10 Jahren ist das Ningaloo Reef durch seine Walhaie bekannt geworden, die jedes Jahr von April-Juni dort vorbeiziehen. Glücklicherweise war ich genau zu der Zeit da, sodass ich mit diesen friedlichen Giganten einige Male schnorcheln konnte. Es bleibt einem förmlich der Atem stehen, wenn so ein 9 m-Riese genau auf einen zugeschwommen kommt und dann langsam an einem vorbeizieht. Wobei "langsam" ziemlich relativ ist. Manche Haie sind recht schnell, sodass man schon ziemlich fit sein muss, um mitzukommen. Andere dagegen sind so langsam, dass auch meine Oma keine Probleme hätte, da mitzuschnorcheln, und die ist immerhin schon 89. Es ist halt Glückssache, auf welchen Typ Hai man trifft, eine gute Fitness ist sicher nicht verkehrt. Sonst ärgert man sich nur, dass man 300 AU$ für die Tour ausgegeben, aber nichts gesehen hat. Eine Garantie auf Walhaie gibt es ohnehin nicht. Insbesondere in der ersten Aprilhälfte ist die Situation noch sehr unsicher, die walhaisicherste Zeit ist Mitte Mai. Manche Veranstalter bieten eine freie zweite Chance, falls man erfolglos war, darüber sollte man sich vorher erkundigen. Weiterhin macht es Sinn, sich beim Tourist Bureau oder besser noch, bei anderen Reisenden zu erkundigen, ob die Walhaisituation in Exmouth oder im 150 km weiter südlich gelegenen Coral Bay die bessere ist. Im April 2000 hatten wir z.B. in Exmouth nur selten Walhaie, während sie zum selben Zeitpunkt in Coral Bay schon sehr zahlreich auftraten.

Fazit: Ein absolutes Muss, wenn man noch nie Walhaie gesehen hat. Da mit den Walhaien nicht getaucht, sondern nur geschnorchelt wird, kann hier jeder, der nicht verstärkt wasserscheu ist, was erleben. Man sollte allerdings keine 18m-Giganten erwarten, die Walhaie am Ningaloo Reef sind meistens zwischen 4 und 9 m lang – immer noch imposant genug, wie ich finde.

Turquoise Bay

Wer es nicht so mit Tauchen hat, aber dennoch mal einen Blick auf die Unterwasserwelt werfen möchte, sollte sich eine Schnorchelausrüstung leihen und zur Turquoise Bay fahren, eine Autostunde von Exmouth entfernt auf der Westseite der Halbinsel. Auch das Leihen einer U/W-Kamera ist eine gute Idee, denn es gibt viel zu sehen. Während eines 90-minütigen Schnorcheltrips sind mir dort einige Blaupunktrochen, Papageifische, Drückerfische, Einhornfische, Doktorfische, Moorish-Idols und viele Kaiserfische über den Weg geschwommen. Eine große Seeschildkröte hat sich bei meinem Anblick mit zwei, drei kräftigen Flossenschlägen ebenso wie ein Torpedo verabschiedet, wie der Weißspitzenriffhai, wohingegen der Schwarzspitzenriffhai, ziemlich neugierig war und immer mal wieder vobei geschaut hat, um zu sehen, was ich in seinem Revier so treibe. Korallen in verschiedenen Formen und Farben gab's auch zu sehen, aber wie schon erwähnt, hat auch hier die Korallenbleiche deutliche Spuren hinterlassen.

Sehr vorsichtig sein sollte man mit der Strömung, die hier ziemlich stark ist. Es ist wichtig, mit einlaufender Flut ins Wasser zu gehen und rechtzeitig vor dem Höchststand wieder an den Strand zurückzukehren. Schon einige Schnorchler sind hier vom abfließenden Wasser hinauf aufs Meer gezogen worden!

Fazit: Ganz nett, absolut lohnenswert für Schnorchler.

Coral Bay

Coral Bay ist ein Kaff, etwa 950 km nördlich von Perth mit hervorragendem Zugang zum Ningaloo Reef. Süßwasser ist knapp in Coral Bay, aus den meisten Hähnen kommt Salzwasser. Dies gilt selbstverständlich auch für die Duschen, daher kann man sich ein Abduschen nach dem Schnorcheln am Riff sparen. Das Tauchen ist exzellent, z.B. mit Ningaloo Reef Dive oder Coral Dive, welche meines Wissens auch die einzigen Tauchbasen in Coral Bay sind. Highlight sind Manta Touren zu den Putzerstationen, an denen man eine gute Chance hat, auf Manta-Rochen zu treffen. Auch Walhai-Touren werden von Coral Bay aus durchgeführt.

Von den vier Tauchplätzen, die ich in Coral Bay betaucht hab, hat mir Elbow am besten gefallen. Wobbegongs sind hier ebenso anzutreffen wie große Kartoffel-Zackenbarsche. Gelegentlich schauen auch Mantas vorbei und wir hatten auch Glück und konnten sie in einiger Entfernung vorbeifliegen sehen, gefolgt von einem etwas bucklig wirkenden Indopazifischen Ammenhai. In einer kleinen Höhle lag eine mächtige Green Turtle herum und stierte uns genauso uninteressiert an wie die Muränen. Zum Abschluss konnten wir noch einen Sea Apple bei der Nahrungsaufnahme beobachten. Kurz und gut, ein toller Tauchgang mit wenigen Korallen, aber viel Fischigem.

Ein weiterer toller Tauchplatz ist Ashe's Gap, der das genaue Gegenteil von Elbow ist. Wenig großes Fischleben, dafür das Beste an Korallen, was ich am Ningaloo Reef gesehen habe, Exmouth eingeschlossen. Wo man nur hinguckte, Hart- und Weichkorallen, wobei auch die Farben noch überraschend frisch waren. Kleine, graue Muränen, Igelfische und ein Schwarm Barrakudas haben diesen Tauchgang abgerundet.

Fazit: Tauchen kann in Coral Bay genauso schön sein wie in Exmouth. Wenn man genug Zeit und Geld hat, sollte man am besten beides ausprobieren.

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