Brother Islands auf der "Sir Cousteau"

April 2001

Ich wollte einfach nur weg. Und zwar möglichst schnell und tief. Nach langer Suche im Internet hab ich dann tatsächlich noch den letzten Platz für eine Tauchsafari zu den Brother Islands im Roten Meer ergattert. Hatte zwar noch nie davon gehört, aber das war egal, Hauptsache weg.

Zwei Wochen später stehe ich in Hurghada auf dem Rollfeld und bin mir nicht ganz sicher, ob das bewaffnete Militär, dass da vor den Maschinen steht und die Touris vor terroristischen Übergriffen, wie sie in Ägypten ja schon einige Male vorgekommen sind, schützen soll, mich eher beruhigen oder beunruhigen soll. Ich entscheide mich für die Affentaktik und denke ruhig gar nichts mehr. Deutsches Denken ist in Ägypten sowieso komplett fehl am Platz, es geht alles einen etwas anderen Gang. Das geht schon bei der Einreise los. Warum soll man denn auch für die 600 Touris, die da gerade mit drei Fliegern angekarrt worden sind, mehr als einen Einreiseschalter aufmachen? Es geht doch auch so. Außerdem braucht es eh etwas länger, bis die Berge von Gepäck, die reihenweise vom unterdimensionierten Gepäckband fallen und sich daneben zu Bergen auftürmen, wieder eingesammelt sind. Beim Verlassen des Flughafengebäudes denke ich dann, dass das Militär mich lieber vor "Gepäckträgern" statt vor Terroristen schützen sollte. Erstere fallen nämlich sofort über einen her und zerren einem ungefragt das Gepäck aus der Hand, wenn man sich nicht mindestens mit Fusstritten wehrt. Ein paar ganz Vorwitzige verlangen dann auch noch Bakhschisch (Trinkgeld) dafür, dass sie das Gepäck einmal scharf angeguckt und vielleicht auch noch mit dem kleinen Finger berührt haben. Sein Deutschsein sollte man also besser gleich beim Abflug abgeben, sonst ist man herzinfarktgefährdet.

15 min später sitzen wir Tauchtouris im Marriot und schlagen die Zeit bis zum Einchecken auf dem Boot mit ein paar Kaltgetränken tot. Als wir dann am Pier sind, erfreut erstmal ein brennendes Boot draußen auf dem Wasser unsere Augen. Nach einer halben Stunde kommt dann auch die ägyptische Polizei auf die Idee, dass es vielleicht ein feiner Zug wär, zu gucken, ob man sich irgendwie nützlich machen könnte. Man kann. Das Gute an der Situation ist, dass es nicht unser Boot war, dass da gerade abgebrannt ist. Die "Sir Cousteau", 1999 vom Stapel gelaufen, liegt friedlich und unverkohlt am Pier. Das Boot macht einen ziemlich guten Eindruck, hübsch geräumig und sauber, mit gemütlichen Sitzecken, großem Sonnendeck und einer spassigen Crew. Hier werde ich's aushalten können.

Abends gibt's das erste Briefing von Guide Carlo, Holländer, gelernter Goldschmied, seit 12 Jahren am Roten Meer und mit einem Raucherhusten ausgestattet, dass ich mich frage, ob er diese Tour tatsächlich überleben wird. Er wird. Zwei Stunden lang brieft er uns mit den Abläufen auf dem Boot und den Besonderheiten des Tauchens auf dem Roten Meer und insbesondere an den Brothers. Derart gerüstet kann's am nächsten Morgen dann endlich losgehen.

Unser erster Tauchgang ist der obligatorische Checktauchgang an einem Platz namens Disha und dient dazu herauszufinden, ob man auch nach einem Jahr Tauchpause noch weiß, wie rum man seine Flossen anziehen muss. Außerdem üben wir schon mal den korrekten Ausstieg aus dem Wasser unter Brothers-Bedingungen (sprich: hoher Seegang), was sich später noch als gute Idee erweisen soll, zumal es für einige der Mittaucher der erste Liveaboard ist. Nach absolviertem Check geht die Fahrt erstmal die Küste runter Richtung Safaga. Die ersten beiden Tage sollen dem Wieder-Warm-Werden nach längerer Tauchpause dienen. Außerdem seien die Wetterbedingungen an den Brothers eh grad nicht tauchgeeignet, wie uns Carlo erzählt. Sechs Boote lägen schon da und seit zwei Tagen sei kein Taucher im Wasser gewesen. Nun gut, dann vergnügen wir uns eben erstmal um Safaga, dort hat es auch einige schöne Plätze. Am besten gefallen haben mir dort Seven Ergs und Panorama Reef, die auch zu einem Wiederholungstauchgang einladen, während Middle Reef mit seinen Canyons lediglich ganz nett, Punkt, ist.

Zwei volle Tage verbringen wir vor Safaga, bis es an Tag 3 nach dem frühmorgendlichen 6.30 Uhr-Tauchgang plötzlich heißt: Bullaugen zu und ab zu den Brothers. Die liegen mitten im Roten Meer, geradewegs gen Südosten, und da es einen ziemlichen Nordwind hat, wird es eine ziemlich holprige Überfahrt quer zum Wellengang. Zwischendrin verabschiedet sich die schwere Marmorplatte von der Bar, kracht mit lautem Getöse zu Boden und zerspringt in 1000 Stücke. Von dieser Tauchgefahr stand aber nichts im "Verzichte bei Tod auf alle Ansprüche"- Disclaimer, den wir vorher wie immer unterschreiben mussten. Ohne weitere Unfälle und mit einer Mischung aus Vorfreude, Respekt und Skepsis erreichen wir nach sieben Stunden Fahrt am Spätnachmittag den großen Bruder. Skepsis deshalb, weil die Taucher der anderen beiden Boote, die hier schon festgemacht haben, seit zwei Tagen wegen des hohen Seegangs nicht im Wasser waren. Guide Carlo bewertet die Bedingungen jedoch als annehmbar und so verlieren wir keine Zeit und springen in die Neos. Ein paar Minuten später kriechen auch die Leutchen auf den anderen Booten an Deck. Wahrscheinlich gab's da angesichts unserer Vorbereitungen eine kleine Rebellion der zahlenden Kundschaft. Der Einstieg ins Zodiac wird bei voller Montur zu einem Balanceakt auf der schwankenden Plattform, aber als alle unfallfrei ihren Platz gefunden haben, geht das Abenteuer Brothers endlich los. Die Tauchgänge sind nicht immer ganz einfach und oft mit starker Strömung verbunden, aber das macht auch ein bisschen den Reiz aus. Zwei Tage verbringen wir hier mit insgesamt sechs Tauchgängen, zwei am großen Bruder, vier am kleinen. Von mir aus hätten es ruhig etwas mehr sein dürfen, aber leider brauchen wir noch einen vollen Tag zurück nach Hurghada.

Am 6. und letzten Tauchtag bringen wir noch zwei gemütliche Abschlussabstiege am Gota Abu Ramada und Arouk Giftun hinter uns. Dort hat einen dann der Massentourismus wieder, es blutet einem das Taucherherz, wenn man mit anschauen muss, wie der eine oder andere Tagesausflügler, der sich wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben mit Flossen versucht und noch nie weiter als durch die heimische Badewanne geschwommen ist, auf den Korallendächern rumtrampelt und das Riff mit 'nem Wanderweg verwechselt. Solche Leute hat man glücklicherweise nie auf Liveaboards, vor allem nicht, wenn es zu den Offshore Riffen geht, weswegen ich einen Tauchurlaub auf dem Boot immer einem Tauchurlaub an der Küste vorziehe.

24 Stunden vor dem Rückflug wird dann nicht mehr getaucht, so dass uns noch Zeit bleibt, uns vom Pool am Marriot verjagen zu lassen, uns ein paar "very special offers, only for you my friend" aufschwatzen zu lassen und das nervtötende, permanente Hupen ägyptischer Autofahrer in uns aufzusaugen.

Fazit: Das Tauchen an den Brothers ist absolut genial, drei Tage dort wären absolut angemessen statt der nur zwei Tage, die wir gemacht haben. Eine Tour zu den Brothers ist halt wegen der exponierten Lage der Inseln auch immer ein bisschen ein Glücksspiel, man kann im Vorhinein nie sicher sein, tauchfreundliche Bedingungen vorzufinden.

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