Der Passagierdampfer Carnatic wurde 1862 in London gebaut und verkehrte auf der Route Suez - Bombay - China. In den fühen Morgenstunden des 13. September 1869, wenige Monate vor Eröffnung des Suezkanals, lief die Carnatic auf ihrem Weg durch den Golf von Suez auf das Sha'ab Abu Nuhas Riff auf und war nicht mehr freizubekommen. Da die Lage nicht bedrohlich erschien, ordnete der Kapitän an, dass Passagiere und Crew den folgenden Tag und die folgende Nacht an Bord verbringen sollten, bis Hilfe käme. Eine fatale Fehlentscheidung, denn um die Mittagsstunden des 14. September brach die Carnatic plötzlich auseinander und sank in 30 m Tiefe. 27 Menschen kamen dabei ums Leben.
Die Carnatic ist in guter Gesellschaft am Sha'ab Abu Nuhas, die Nordseite des Riffs ist ein Schiffsfriedhof. Ein paar Meter nebenan liegen die Chrisoula K. und die Giannis D. An letzterer macht unser Boot fest, denn ihre Aufbauten reichen bis 4 m unter die Wasseroberfläche. Mit dem Zodiac geht's dann rüber zur Carnatic und mit einer schwungvollen Rolle rückwärts hinein ins warme Nass.
Wir beginnen unseren Tauchgang am Heck, welches in knapp 25 m Tiefe liegt. Mit seiner hohen Heckpartie und den sieben quadratischen Fenstern sieht das Schiff aus, als wäre es geradewegs einem alten Seeräuberfilm entsprungen. Es liegt nach Backbord geneigt, das hölzerne Deck ist komplett weggefault. Nur noch ein Eisengerippe ist übrig, sodass man keine Probleme hat, in das Schiff hineinzutauchen. Am Heck wachsen ein paar hübsche Korallen, sonst ist von Bewuchs nichts zu sehen. Wir tauchen innen entlang zur Mittelsektion, die komplett zerstört ist, da hier das Schiff auseinandergebochen ist. Nur noch ein Trümmerfeld ist übrig, nichts als Altmetall. Leider in Trümmern ist auch die große Acropora-Koralle, die hier beheimatet war. Jetzt liegt sie tot und abgebrochen auf dem Boden. Zu viele unvorsichtige Taucher oder zu viele gefräßige Dornenkronen, wer weiß das schon? Lässt man das Trümmerfeld hinter sich, kann man an der Backbordseite ein Weinregal entdecken, in dem noch ein paar alte, vollkommen festgewachsene, mit undefinierbarem Zeug bedeckte Flaschen stecken. Bleibt zu hoffen, dass die auch weiterhin dort bleiben und keine dümmlichen Souvenirjäger versuchen, sie für ihre Trophäensammlung mitzunehmen. Taucht man an der Backbordseite weiter Richtung Bug, kann man wieder zwischen dem tragenden Gebälk ins Innere des Schiffs hineintauchen. Hier ist es wesentlich enger und dunkler als in der Hecksektion. Eine gute Tarierung ist hier keine schlechte Idee (ist sie eigentlich nie), denn der Boden ist übersät mir Glasscherben. Hier noch eine unzerstörte, volle Weinflasche zu suchen, kann man sich getrost schenken, die gab's schon vor 10 Jahren nicht mehr. Wir verlassen das Schiff kurz vor dem Bug durch eine kleine Öffnung und tauchen um den Bug herum zur Steuerbordseite. Dies ist der einzige Teil des Schiffes, der noch einen Rest lebender Korallen aufweist. Oder ist es bereits beginnendes neues Leben? Keine Ahnung, jedenfalls ist der Bewuchs nicht zu vergleichen mit der Numidia oder gar der Yongala. Ein paar vereinzelte Korallen, that's it. Wenigstens begegnet uns noch ein ganz fettes Exemplar der Marke Napoleon, länger als ich ohne Flossen, mit fetteren Lippen als Louis Armstrong und mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er ein paar Pangalaktische Donnergurgler zu viel gehabt. Wir haben jedenfalls genug Carnatic gehabt und machen uns auf den langen Weg zurück zur Giannis D. 20 Minuten lang tauchen wir an der Riffkante entlang, bis wir sie erreichen und leider, leider gibt es in der Zwischenzeit auch gar nichts zu sehen. Das Riff ist total kaputt, kaum eine lebende Koralle ist noch zu erspähen. Die Mühe kann man sich sparen und lieber gleich an der Carnatic wieder auftauchen und sich vom Zodiac einsammeln lassen.
Fazit: Das Betauchen des Wracks an sich hat mir gut gefallen und ist total ungefährlich, da es überall große Löcher hat, durch die man wieder rauskommt. Vertauchen unmöglich. Wer aber erwartet, irgendwas Lebendiges zu sehen, seien es Fische oder Korallen, wird schwer enttäuscht werden.