Mandarinfische

Crittersuche vor Ambon

September 2023

Um 9 Uhr sagen wir Lebewohl zu den Mitreisenden und der Crew der "Velocean", die uns in den letzten 14 Tagen durch die Bandasee geschippert hat, von Alor bis jetzt hier nach Ambon. Die letzten sechs Tage unseres Urlaubs verbringen Rainer, Gabi und ich bei den Spice Island Divers, deren Resort im Süden Ambons direkt hinter dem Flughafen liegt. Der Insel wird eine ähnliche Qualität in puncto "Muck Diving" nachgesagt wie der weitaus bekannteren Lembeh Strait an der Ostspitze Sulawesis. So ziemlich alles, was dort über den Sandboden kreucht und fleucht, soll es auch vor Ambon geben. Wir sind gespannt, ob wir das in ein paar Tagen bestätigen können.

Tag 1: FR, 22.09.

Nach Bezug der geräumigen Bungalows machen wir uns erstmal mit dem Resort vertraut: Das Essen wird dreimal am Tag in der offenen Lounge gereicht. Frühstück gibt es in Buffetform, zum Mittag- und Abendessen gibt es ein festes Menü. Am Strand sind ein paar Sonnenliegen aufgebaut, die allerdings genausowenig zum Verweilen einladen, wie der Strand selbst. Hier täte mal ein wenig Sanierung not, was Kurt, der indonesische Manager, der vor einem halben Jahr das Ruder übernommen hat, nach eigener Aussage auch auf der Agenda hat. Neben der Lounge befindet sich eine großzügige Bar, von der aus es in den Kameraraum geht, in dem die Unterwasserfotografen ihr Equipment auf jeder Menge Kameratischen lagern können. Auch für Handtücher, Luftduschen und Ladestationen ist natürlich gesorgt. An der Tauchbasis hängt eine Karte mit den 50 Plätzen, die auf beiden Seiten der Ambon Bay angefahren werden. Allerdings liegen manche Plätze so absurd nah beieinander, dass man sie nicht guten Gewissens als getrennte Tauchplätze zählen kann. Es gibt täglich zwei Ausfahrten mit zwei Tauchgängen am Vormittag und einem weiteren am Nachmittag. Zusätzlich kann man sich abends auch noch im Dunkeln ins Wasser stürzen. Auf einen Guide kommen maximal vier Gäste, was ich allerdings für Muck Dives mit Fotografen schon zu viel finde.

Am Nachmittag steigen wir zum ersten Mal am Westufer der Bucht am Platz Laha 2 ins Wasser, nur wenige Minuten Bootsfahrt von der Basis entfernt. Bei Dreckssicht krabbeln wir einen Sandhang hinunter, auf dem einige Feuerseeigel verstreut liegen, in denen Romeo, unser Guide, direkt ein Coleman-Partnergarnelenpärchen findet. Na ja, so oft wie er hier taucht, muss er gar nicht suchen, sondern weiß schon beim Sprung ins Wasser, in welchem Seeigel sich die beiden aufhalten. Zwischen zwei Felsbrocken hat sich ein Braungebänderter Bambushai zur Ruhe gebettet und tut keinen Mucks. Auf einigen der spärlich vorhandenen Korallen tummeln sich Tozeuma-Garnelen in Orange, Grün und Rot. Nahezu unsichtbar für das ungeschulte Auge schwebt ein Seegras-Geisterpfeifenfisch über dem Boden und ahmt ein treibendes Blatt nach. Ebenso leicht zu übersehen und das absolute Highlight des Tauchgangs: Ein grüngelber Tentakel-Drachenkopf (Rhinopias frondosa) thront auf einer Weichkoralle. Wir erfreuen uns noch an Porzellankrebsen, einer Seekobra, winzigen Nacktschnecken, zwei verliebten Sepien, einem Federstern-Springkrebs und einer Hydroid-Dekorateur-Spinnenkrabbe, die sich als Schutz vor Fressfeinden Korallenpolypen auf den Körper Das Örtchen Laha leiht den basisnahen Plätzen seinen Namen. gesetzt hat, und steigen nach einer knappen Stunde Tauchzeit völlig begeistert aus dem Wasser. Was für ein genialer Auftakt! Um so mehr schmerzt mich meine fehlende Fotografierfähigkeit, seit die gebraucht erstandende Olympus in Gunung Api ihren Geist aufgegeben hat.

Beim Abendessen schwatzen wir mit Kurt über die Erlebnisse des ersten Tages. Als ich ihm von meinem Frust bezüglich der kaputten Kamera erzähle, bietet er mir an, seine zu benutzen. Für lau! Er habe sowieso gerade keine Zeit zum Tauchen und die Kamera liege ja sonst eh nur rum. Voll nett! Wir einigen uns darauf, dass er die Kamera vorbereitet und ich sie nur am Ende des Tages öffne, um die Bilder runterzuladen. Sollte sie fluten, gibt es so keine Diskussion, wer Schuld ist. Guter Dinge, dass ich doch noch dazu komme, einige der außergewöhnlichen Critter abzulichten, geht es mit zwei Deko-Bierchen ins Bett.

Tag 2: SA, 23.09.

Die Boote dümpeln in den Wellen. Schwer bepackt besteige ich am Morgen von Tag 2 das Tauchbötchen. So eine 14 Jahre alte Canon EOS 7D mit Makro-Objektiv macht schon einen langen Arm, wenn sie in einem stabilen Metallgehäuse mit zwei Sea & Sea-Blitzen steckt. Wobei letztere im Vergleich zu meinen Inon-Monstern eher zierlich ausfallen. Wir überqueren die Bucht und springen am Platz Batu Lubang. Meine Sorge, dass ich mir auch unter Wasser einen Bruch hebe, erfüllt sich zum Glück nicht, auch wenn das Setup deutlich Abtrieb hat. Es ist aber noch handhabbar und so kann ich die Unmengen an Zeug ablichten, die Romeo wieder findet, von Harlekin-Geisterpfeifen und unterschiedlichen Dekorateurkrabben über kleine Kaurischnecken und einer Gehörnten Hummelgarnele, die mit einer Fadenschnecke anbandelt, bis hin zu weiteren Sepien, Garnelen und Geisterpfeifen. Wieder ein Knaller-Tauchgang! Blöd nur, dass alle Bilder schwarz sind, wie ich bei der Prüfung in der Tauchpause feststellen muss. Da ich zum ersten Mal mit Sucher statt mit Monitor hantiere, ist mir das unter Wasser nicht aufgefallen. Da gilt es, noch ein wenig an der Abstimmung zwischen Verschlusszeit, Blende, ISO und Blitzstärke zu feilen.

Für den zweiten Tauchgang fahren wir ein paar Meter die Küste runter nach Süden und springen am Tirta Point. Es ist hier viel bunter als auf der anderen Seite der Bucht, die ganzen Schwämme, Korallen und Anemonen bringen punktuell auch ein wenig Farbe in die Landschaft. Highlights gibt es wieder reichlich: Neben einem violetten Haarigen Springkrebs, der mit Vorliebe auf Fassschwämmen herumspaziert, sind dies vor allem drei unterschiedlich gefärbte Schaukelfische und eine leuchtend orange Schwammgarnele, die eins ist mit dem ebenso leuchtend orangen Schwamm, auf dem sie sitzt. Gut gelaunt kehren wir nach dem zweiten Tauchgang zurück zur Basis und lassen uns das hervorragende Mittagessen schmecken.

Bei einer Sichtweite, die dem Begriff "Muck Diving" alle Ehre macht, springen wir am Nachmittag erneut an Laha 2, nur wenige Meter weiter als da, wo wir gestern waren. Das Ergebnis ist ähnlich: Wir erfreuen uns an einem winzigen Kakadu-Wespenfisch, einigen Imperator-Garnelen, die auf Seegurken herumkrabbeln, einem knallorangenen Anglerfisch, sowie poppenden Nacktschnecken. Bei soviel Makrokram ist auch die Sicht vollkommen egal. Man sollte nur aufpassen, dass man den richtigen Tauchern folgt und am Ende nicht am Dinghi der Konkurrenz landet ...

Den Tag rundet ein hervorragendes, von einem Bintang unterstütztes Abendessen ab. Um sein leibliches Wohl muss man bei den Spice Island Divers wirklich nicht besorgt sein!

Tag 3: SO, 24.09.

Die Bootsfahrt am nächsten Morgen hätten wir uns eigentlich sparen können. Nach Kampung Baru kann man auch schwimmen, der Platz liegt direkt neben der Basis und wartet überraschenderweise mit ebenso viel Kleinvieh auf, wie die anderen Plätze, die wir bisher betaucht haben. Mein Highlight ist wieder die orange Schwammgarnele von gestern. Neben Sepien, Dekorateurskrabben und einer Kaurischnecke entzückt mich vor allem noch der kämpferische Federstern-Springkrebs, der sein Zuhause verlassen hat und mich im Sand hockend zum Tanz auffordert.

Für den zweiten Tauchgang bleiben wir auf der Westseite der Bucht und fahren ein paar Meter runter nach Air Manis, was soviel wie "Süßwasser" bedeutet. Der Tauchgang erweist sich als sehr Gliederfüßer-lastig mit Tozeuma-Garnelen, Gespenstkrebsen, Hydroid-Dekorateurskrabben und Xeno-Krebsen. So richtig ins Herz schließe ich aber einen Winzling von Baby-Feilenfisch, der sich regungslos hinter einem Grashalm versteckt und uns argwöhnisch anstarrt. Zum Abschluss geben sich noch zwei ebenfalls regungslose Geisterpfeifenfische die Ehre: Während der Harlekin vor seinem Algenbüschel Wache hält, treibt die Seegras-Variante wie ein Blatt im Wind mit der Strömung davon. Wieder mal zwei super Tauchgänge vor der Mittagspause.

Nach der Mittagspause springen wie schon wieder an Laha 2, merken aber sehr schnell, dass es diesmal schwierig werden könnte mit Fotografieren. Die starke Strömung macht es äußerst schwer, mal auf der Stelle stehenzubleiben und nach Kleinzeug zu gucken, zumal man ja auf dem Sandboden auch nichts hat, woran man sich festhalten könnte. Das ist schade, denn auch heute wartet der Platz mit einigen Sehenswürdigkeiten auf. Nach 40 Minuten wird die Strömung so stark, dass wir in einer Fortführung des Tauchgangs keinen Sinn sehen. Ich will schon hoch, als Romeo gerade noch wild gestikulierend auf einen gelben Schwamm am Meeresboden zeigt. Unter Einsatz maximalen Flossenschlags schaffe ich es noch, mich dem Schwamm zu nähern und vier schnelle Fotos von dem Tentakel-Drachenkopf zu schießen, als der er sich entpuppt. Ist sicherlich der gleiche wie an Tag 1. Dann ist es aber wirklich gut und mit leicht schmerzenden Beinen geht es nach oben.

Für die Abendunterhaltung sorgt neben dem mal wieder sehr schmackhaften Dinner der Genuss der Zweitliga-Party zwischen St. Pauli und Schalke. Als HSV-Fan muss man ja wissen, was der "Feind" so treibt.

Tag 4: MO, 25.09.

Tauchtag Numero vier startet mit einer Überraschung: Auf der Ostseit der Bucht hat es bei Kaca Lengkung ein prächtiges Korallenriff! Man muss also vor Ambon nicht nur im Sand wühlen. Zielstrebig steuert Romeo direkt am Anfang einen stattlichen Seefächer an, in dem einige Bargibanti-Pygmäenseepferdchen hocken. Das Ablichten wird mal wieder zu einem Geduldsspiel, denn natürlich drehen sie sich, wie gewohnt, ständig von der Kamera weg. Kann ich auch gut verstehen, denn ansonsten würden sie wohl blind von dem Blitzlichtgewitter, dem sie regelmäßig ausgesetzt sind. Wobei der große Taucherauflauf bisher ausgeblieben ist; außer den anderen Gästen der Spice Island Divers sind wir bisher kaum einer Taucherseele begegnet. Gut so, wir sind auch mehr an den Critterseelen interessiert, von denen bei diesem Tauchgang ein Haariger Springkrebs hervorsticht: eine meiner absoluten Lieblinge.

Wir tuckern ein paar Meter nach Norden zum Devion Point, direkt vor dem Örtchen Amahusu gelegen. Mit der Korallenpracht ist es schon wieder vorbei, mit den Critterseelen nicht. Auf dem Sandboden zieht ein Teufelsfisch umher, aus einem Loch lugt eine Geistermuräne und in einem Algenbüschel hat sich eine Orang-Utan-Krabbe versteckt. Am Ende des Tauchgangs verfolgen wir noch einen winzigen, durchs Wasser sausenden Fussel, der mir ohne Romeo überhaupt nicht aufgefallen wäre. Als er sich nach einer Minute Verfolgungsjagd endlich mal hinsetzt, schieße ich auf Verdacht ein paar Fotos. Die Betrachtung selbiger in der Mittagspause offenbart, dass wir das Vergnügen mit einem "Hairy Shrimp" (Phycocaris simulans) hatten, der mit seiner Maximalgröße von 0,6 cm nun wirklich nichts für meine 2 Altersdioptrien ist.

Der vorletzte Tauchtag neigt sich dem Ende. Wir springen an Kampung Baru 2, wobei sich mir wirklich nicht erschließt, was die "2" im Namen rechtfertigt. Es gibt nichts zu sehen, was wir nicht schon hatten, aber für Coleman-Garnelen-Pärchen, niedliche Blennys, Porzellankrebse, ein Sepien-Stelldichein, sowie Angler- und Teufelsfische bin ich eh immer zu haben.

Die Trauer darüber, dass es morgen schon vorbei ist, bekämpfen wir mit zwei großen Bintang zum und nach dem Abendessen. Aber was soll's, noch sind wir hier und jetzt ist jetzt.

Tag 5: DI, 26.09.

Unsere letzte Chance, neben den Rhinopias noch was völlig Außergewöhnliches zu sehen, ist gekommen. Wir fahren auf die Ostseite der Bucht zum Tirta Point 2. Der wartet mit einer Geisterpfeifen-Parade auf, die Ihresgleichen sucht. Wo man nur hinschaut, schweben Harlekin-, Seegras- und Robuste Geisterpfeifenfische herum, mal alleine, mal zu zweit oder dritt. Und was dackelt da am Meeresboden herum? Unverkennbar kreuzt ein Ambon-Drachenkopf unseren Weg, den wir natürlich für einige Minuten begleiten. Nach Lembeh vor 12 Jahren ist das erst meine zweite Begegnung mit diesem skurrilen Meeresbewohner. Und er ist leider auch vor Ambon rar geworden: Wie wir später von Kurt erfahren, ist unsere Sichtung die erste seit 6 Jahren in der gesamten Bucht. Man kann auch mal Glück haben.

Unser Grande Finale auf der Westseite am Platz Laha 3 bietet ein schönes Sammelsurium an Crittern, die wir in den letzten vier Tagen schon sehen konnten, wobei sich vor allem Krebse und Garnelen in Form von Imperatoren, Colemans, Xenos, Dekorateurem und Tozeumas hervortun. Eine gelbe Geistermuräne ist auf der Suche nach einem Versteck. Freischwimmend sieht man erst, wie unfassbar lang diese schlanken Muränen werden können. Normalerweise lugen ja nur die ersten 10-20 cm aus einem Loch. Sie führt uns zu einem hübschen kleinen Korallenriff, an dem wir locker austauchen und noch einigen Anemonenfischen Lebewohl sagen.

Nach einem totgeschlagenen Nachmittag nehmen wir abends einen Cuba Libre-Aperitif, um dann beim Abendessen der musikalischen Verabschiedung des Resort-Staffs zu lauschen, die das positive Fazit abrundet: Es war ein rundum gelungener Aufenthalt. Bis auf das leicht rustikale Ambiente des Resort-Außenbereichs habe ich nichts zu meckern. Die Bungalows sind sauber und geräumig, der Staff mega-freundlich und die Gastronomie 1a. Unter Wasser hat Ambon angedeutet, dass es eine ernsthafte Alternative zu Lembeh ist, auch wenn wir in den fünf Tagen (natürlich) nicht ganz so viel Skurrilitäten gesehen haben, wie ich sie auf Lembeh hatte (wo ich aber 14 Tage lang war). Als Abrundung einer Safari durch die Banda-See taugt Ambon allemal!

Tag 6: MI, 27.09.

Um 7 Uhr verabschieden wir uns vom Staff und werden in einer zehnminütigen Fahrt zum Flughafen chauffiert. Knapp dreieinhalb Stunden dauert der Flug nach Jakarta, wo wir tagsüber leider 9 Stunden totschlagen müssen. Top-Tipp: Das Airport-Hotel in Terminal 2 hat Tageszimmer und ist der einzige Ort am Flughafen, an dem man alkoholische Getränke konsumieren kann. Um 21 Uhr heben wir ab und landen 18 Stunden später nach einem Zwischenstopp in Istanbul wieder in der Heimat: Es ist ein weiter Weg nach Indonesien, aber der Weg lohnt sich!

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