Pygmäenseepferdchen

Tauchsafari Raja Ampat auf der "Mandarin Siren"

Dezember 2010

Als das Blechschild mit der Aufschrift "Last baggage" zum 2. Mal an uns vorbeirauscht, ohne dass unsere Tauchrucksäcke auf dem Gepäckband zu sehen sind, beginne ich, mir Sorgen zu machen. Die Befürchtungen bewahrheiten sich, im allgemeinen Winterchaos am Frankfurter Flughafen hat es Lufthansa nicht geschafft, unser Gepäck via Singapur nach Djakarta zu befördern. Nachdem der erste Ärger verflogen ist, sehen wir das Positive an der Situation: Wir sind hier, alles andere ist erstmal egal, nachdem noch am Abflugtag Dutzende Flüge ausgefallen sind und wir unsicher waren, überhaupt aus Deutschland wegzukommen.

Tag 1: MI, 22.12., Sorong

Die 9 Stunden Aufenthalt bis zu unserem Weiterflug schlagen wir mit viel Bintang trinken tot. Das lokale Gebräu ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, ab der 3. Dose aber gut trinkbar. Morgens um 5 Uhr geht es mit Merpati weiter. Indonesische Fluglinien sind ja nicht gerade für ihre hohen Sicherheitsstandards berühmt und beim Blick auf die gut sichtbaren Risse in der Tragfläche wird mir auch leicht mulmig. Die gut vier Stunden Flug via Makassar nach Sorong verlaufen aber ruhig, sodass wir nur noch mit leichtem Handgepäck bewaffnet nach 32 Stunden Anreise unser Ziel erreichen. Sorong liegt am nordwestlichen Zipfel der indonesischen Provinz Irian Jaya, die die Westhälfte Neuguineas einnimmt. Von hier aus starten die Tauchsafaris Richtung Raja Ampat, DEM Unterwasser-Bio-Hotspot auf dem Planeten. Über 500 Korallen- und 1300 Fischarten hat man bisher in dem Gebiet gezählt, welches 1500 Inseln umfasst und mit 46.000 Quadratkilometern Fläche etwa so groß wie Niedersachsen ist. Und immer noch finden Forscher regelmäßig neue Arten. Wir hoffen, zumindest ein paar der merkwürdigen Critter wie Walking Shark und Bobbit-Wurm zu sehen, die diesen Teil der U/W-Welt berühmt gemacht haben.

Zuerst ist aber mal Einkaufen angesagt, im Saga-Supermarkt statten wir uns mit dem Nötigsten aus, was man für eine zweiwöchige Tauchsafari so braucht: 2 Shorts, 3 T-Shirts, 3 Unterhosen, Zahnbürste, Zahnpasta, Duschgel, fertig. Bzgl. Tauchausrüstung herrscht Fehlanzeige, es gibt in Sorong keinerlei Tauchshops. Zum Glück gibt es auf der Mandarin Siren, unserer Herberge für die nächsten 2 Wochen, Leihausrüstung, wenn auch natürlich nicht alles in passender Größe vorrätig ist. Die vier Nummern zu großen Booties stopfe ich einfach mit den bei der Anreise getragenen, dicken Wintersocken aus, das passt dann schon. Neoprentechnisch sind nur Shorties vorhanden, die spare ich mir gleich ganz, bei 28 Grad Wassertemperatur wird in Shirt und Shorts getaucht. Die wichtigsten Ausrüstungsteile – Kamera, Computer und Automat – hatte ich eh im Handgepäck, sodass dem zweiwöchigen Tauchvergnügen nichts mehr im Weg steht. Zuerst genießen wir aber bei einem kühlen Bintang die warme Tropensonne auf dem Sonnendeck der Mandarin Siren.

Tag 2: DO, 23.12., Batanta

Batanta unter blauem Tropenhimmel Früh am Morgen verlassen wir Sorong und steuern unser erstes Ziel an. Batanta ist neben Misool, Waigeo und Salawati eine der vier Hauptinsel Raja Ampats, was übersetzt "Reich der vier Könige" bedeutet. Jede Insel steht für einen König. Merkwürdigerweise heißt der erste Tauchplatz ausgerechnet Happy Ending. Wir hoffen mehr auf einen fröhlichen Anfang, aber so furchtbar berauschend ist der Tauchplatz nicht. Viel dunkler Sand bestimmt das Bild, darauf ein paar Nackt- und Fadenschnecken, Schlangensterne und Plattwürmer, das ist es fast schon. Herausstechend sind lediglich die winzigen Seepferdchen, die sich an noch winzigere Algenbüschel klammern. Der Platz war aber auch nur zum Warmwerden, erklärt uns Deirdre, Tauchguide, Managerin, Chef an Bord und Mädchen für alles in Personalunion. Seit einem halben Jahr ist die Irin an Bord des Schiffes, nachdem sie zuvor einige Jahre den Bau eines Hotels in Sri Lanka geleitet hat und davor schon 7 Jahre lang in Indonesien als Tauchguide u.a. in Komodo und Sulawesi unterwegs war. Bewegte Vergangenheit.

Uns bewegt gerade die Frage, wie es wohl mit Tauchen weitergeht. 4x am Tag wird auf der Mandarin Siren getaucht, i.d.R. gegen 8 Uhr, 11 Uhr, 14.30 Uhr und zum Nachttauchgang um 18 Uhr. Manchmal wird der Nachttauchgang aber auch zum Dämmerungstauchgang umfunktioniert, dann verschiebt sich auch alles schon mal nach vorne und man springt um 6.30 Uhr zum ersten Mal ins Wasser. Getaucht wird von einem Schlauchboot aus, welches man vom Mutterschiff bequem von einer seitlich angebrachten Plattform besteigen kann. Was das Rödeln mit der Ausrüstung nach dem Tauchgang angeht, heißt die Grundregel für den Gast: Nichts anfassen und einfach nicht im Weg stehen, sondern lieber eins der heißen Getränke schnappen, die gereicht werden und sich in eins der vorgewärmten Handtücher hüllen. Die Crew kümmert sich darum, dass alles Gerät wieder am richtigen Platz landet und spült sogar die vollgepinkelten Neoprenpellen. Bequemer geht es nicht.

Unser zweiter Platz heute heißt Happy Ending Rocks und schließt sich direkt an Happy Ending an. Auch hier ist Muck Diving bei mieser Sicht angesagt, aber im Gegensatz zu seinem Vorgänger gibt es hier im Flachwasserbereich auch durchaus tolle Korallen zu bestaunen. Vor allem Tischkorallen haben sich breit gemacht, um die viel bunter Rifffisch herumschwirrt. Zurück über Wasser präsentiert sich der Himmel inzwischen Grau in Grau, von Tropensonne ist nicht mehr viel zu sehen. Auch die Vorhersage für die nächsten Tage ist nicht sehr vielversprechend, aber was soll's, immerhin ist der Regen 30 Grad wärmer als daheim.

Für den dritten Tauchgang kurven wir schnell um die Ecke in die nächste Bucht und springen dann an Reflections I ins Wasser. Auch hier ein ähnliches Bild wie zuvor an den fröhlich endenden Felsen, klar, warum sollte es auch anders sein. Höhepunkt hier ist der Wobbegong, der es sich unter einem Überhang bequem gemacht hat. Seit über 10 Jahren habe ich keinen mehr gesehen, das letzte Mal kurz nach der Jahrtausendwende im Darwin Harbour. Auch nett ist die schwangere Gebänderte Seenadel und ein herumspringendes, irres Etwas, was Deirdre als "Dancing Dot" bezeichnet – vermutlich eine juvenile Ausgabe irgendeines Fisches, die tatsächlich nur so groß wie ein Punkt und daher viel zu klein für das Ablichten mit meiner Kompaktknipse ist. Der Nachttauchgang am gleichen Platz hält im Wesentlichen viele, viele Federsterne für uns bereit, in denen sich kleine Krebse und Mini-Fische vor ihren Feinden verstecken. Insgesamt betrachten wir den ersten Tag als Appetithappen auf mehr außergewöhnliches Unterwassergetier, welches Raja Ampat hoffentlich noch bereithält. Appetitlich geht es auch beim Abendessen zu, Chefkoch André fährt ordentlich auf – Hunger werden wir in den nächsten 2 Wochen nicht leiden müssen. Es geht im Essbereich allerdings etwas eng zu, der Platz ist für 8 Gäste plus Guide deutlich unterdimensioniert. Das hat auch der Betreiber des Bootes erkannt und nimmt für zukünftige Touren nur noch 6 Gäste an.

Tag 3: FR, 24.12., Misool

Der Heiligabend startet mitten in der Nacht mit der achtstündigen Überfahrt nach Misool, ganz im Süden des Inselreichs gelegen. Die zerklüfteten Sandsteininseln erinnern mich entfernt an die Pilzinseln Palaus. Nur war da das Wetter besser, der graue, stürmische Himmel hier erinnert mehr an die heimische Nordsee. Das gilt zum Glück nicht für Misools Unterwasserwelt, deren Erkundung wir an der Ostspitze von Whale Rock II starten. Beim Sprung ins Wasser bekommen wir direkt eine Widrigkeit von Raja Ampats Gewässern zu spüren: Die Strömung ist oft unberechenbar und kann sich von einer Sekunde auf die andere beliebig ändern, sowohl in Richtung als auch Stärke. Die anfangs noch moderate Strömung frischt auf einmal derart auf, dass unser Tauchgrüppchen gesprengt wird: Während es die eine Hälfte unter Zuhilfenahme von maximalem Flossenschlag und Festkrallen an den Felsen noch um die Spitze herum auf die Nordseite des Walfelsens schafft, wo die geplante Tauchroute verläuft, wird die andere Hälfte auf die Südseite geweht. Schlimm ist das nicht, sofern man sich an die Marschroute hält und direkt auftaucht, wenn man abgetrieben wird, denn die Mandarin Siren hat ja eine fitte Crew. Das Schlauchboot sammelt einen dann schon wieder ein und bringt einen auf den rechten Weg zurück. Wiedervereint geht es an der brilliant bewachsenen Steilwand entlang, wo man hinschaut Gorgonien, Anemonen und Korallen, auf denen Unmengen Federsterne hocken. Alles bunt in bunt, von Korallenbleiche ist nichts zu sehen. Haufenweise Juwelen- und andere Zackenbarsche schwimmen herum, eine Kröte knuspert genüsslich an einer Koralle und ein Barramundi verkriecht sich bei unserer Annäherung ängstlich in einem Loch. Wahrscheinlich ahnt er, dass ich ihn seit meinem Australien-Aufenthalt vor 10 Jahren auch durchaus gerne mit etwas Zitrone verfeinert in einer Bratpfanne sähe, Barramundi ist in Australien ein sehr beliebter, weil wohlschmeckender Speisefisch. Zu seinem großen Vergnügen darf der hier aber noch ein bisschen weiterleben.

90 Minuten später und ein paar Meter weiter bietet sich uns an Bitbatiem Kecil ein ähnliches Bild: eine tolle Steilwand mit Tonnen von Fisch und einem wunderbaren Korallengarten auf dem Riffdach. Wirklich außergewöhnliches Fischgetier ist zwar nicht dabei, aber das allgemeine Ambiente verbreitet schon gute Laune. Für die sorgt auch Deirdre mit immer neuen, mehr oder weniger absurden Geschichten aus ihrem abwechslungsreichen Leben – und mit ihren künstlerischen Fähigkeiten natürlich.

Nach dem Nachmittagstauchgang an Mammer setzt bei mir langsam die Schreibfaulheit ein: "Well, a wall again. Fish everywhere." ist alles, was ich in meinem Logbuch notiere. Erwähnenswert sind noch die "schooling Nudibranches", ein Schwarm weißer Nacktschnecken krabbelt im Kollektiv auf den Korallen umher.

Abends steht "Exploration Dive" an, wir springen an einem bisher nicht betauchten Felsen ins Wasser, um zu schauen, ob sich daraus vielleicht ein richtiger Tauchplatz machen ließe. Der Tauchgang startet auch super, die Lichtkegel unserer Lampen durchschneiden das pechschwarze Wasser und enthüllen eine farbenfrohe, zerklüftete Steilwand, die sogar mit einem "Swimthrough" (einem Loch zum Durchschwimmen) ausgestattet ist. In der 2. Hälfte des Tauchgangs ändert sich jedoch das Bild, überall stehen Salat- und Geweihkorallen. Leider jedoch nur oberhalb von 15 m, darunter steht nicht mehr viel, es sieht aus, als wäre Kyrill hier durchgewütet. Oder wurde da doch etwas mit Dynamit nachgeholfen? Man weiß es nicht. Immerhin suchen in dem ganzen Korallenbruch viele Kleinfische einen sicheren Unterschlupf vor ihren Feinden, die ihnen in der Nacht nach dem Leben trachten. So bieten sich auch hier noch ausreichend Fotomotive. Deirdre ist jedenfalls der Meinung, dass man hier durchaus zukünftig einen regulären Tauchstopp einlegen kann und so dürfen wir dem Platz einen Namen geben. Lisa erinnert die Korallenszenerie sehr an Broccoli und Blumenkohl und so wird ihr Vorschlag Romanesco einstimmig angenommen.

Als Weihnachtsbraten kommt eine Tonne Garnelenschwänze daher, die André würzig mit etwas Schweinesteaks und Gemüse verfeinert. Nach dem 7. Bintang öffnet Deirdre ihre geheimen Spiritousenvorräte und schmeißt noch eine Runde irischen Whisky. Es ist schon kurz nach 2 Uhr, als wir endlich den Weg in die Kojen finden. In 5 Stunden ist Tauchen angesagt, ob das was gibt?

Tag 4: SA, 25.12., Misool

Es ist bereits 8 Uhr, als ich etwas (schlaf)trunken den Salon betrete. Auf dem Deck ist außer Detlevs und meiner weit und breit keine Tauchausrüstung zu sehen. Sind die Kollegen also offensichtlich ohne uns zu wecken in den Tauchtag gestartet, was mir gleich mal etwas die Laune verdirbt. Einen anständigen Weckdienst kann man ja wohl erwarten, wenn man direkt neben dem Maschinenraum schläft. Ohne Ohrenstöpsel ist da kaum Ruhe zu finden, gleichzeitig verhindern die aber auch, dass man ein zaghaftes Klopfen an der Zimmertür hört. Warum es auf der Mandarin Siren keine durch Mark und Bein gehende Schiffsglocke gibt, wie auf anderen Safaribooten, ist mir ein Rätsel. So geht es heute erst um 11.30 Uhr am Black Rock zum ersten Mal ins Wasser. Der schwarze Felsen liegt inmitten einer großen Bucht, steil geht es auf drei Seiten in die Tiefe. Auf der Westseite ragt ein Plateau wie ein Finger ins Meer hinaus. Ein Bunter Fangschreckenkrebs (Odontodactylus scyllarus) beäugt misstrauisch den Fotografen. Dort starten wir unseren Tauchgang und schauen den Schwarzen Schnappern zu, die sich in unseren Luftblasen suhlen. Die große Tischkoralle hat schon bessere Zeiten gesehen, was auch für den Rest der Korallen am Black Rock gilt. Lediglich auf der Südseite und direkt unter dem Überhang, den die Wellen in Jahrtausende langer Arbeit rund um den Felsen aus dem Kalkstein gehauen hat, findet man es etwas bunter vor.

Am Bump Rock bietet sich uns zwei Stunden später ein ähnliches Bild, der Zustand der Korallen ist vielleicht etwas besser. Fischtechnisch gibt es niemanden hervorzuheben, es kreucht und fleucht das bekannte Riffgetier am Fels herum.

Am späten Nachmittag heißt es erneut "Exploration Dive", diesmal jedoch als Dämmerungs- nicht als Nachttauchgang. Direkt gegenüber unserem Ankerplatz schmeißen wir uns an einer unbekannten, senkrecht abfallenden Steilwand ins Wasser. Die Korallen hier sind nicht der Rede wert, nur vereinzelt wachsen ein paar kleine Gorgonien an der Wand. Die vielen Nacktschnecken sind relativ rasch abgelichtet. Um die aufkommende Langeweile zu bekämpfen, fange ich an, in den Gorgonien nach Pygmäenseepferdchen zu suchen. Lange muss ich auch nicht suchen, ein Bargibanti hat sich in einer der Gorgonien ein Zuhause gesucht. Nachdem die Suchmission erfüllt ist, bleibt noch das Ablichten der in den Drahtkorallen heimischen Gobys, bevor sich auch Tauchtag 3 dem Ende neigt.

Tag 5: SO, 26.12., Misool

Unser 4. Tauchtag startet mit einer frühen Schlauchbootfahrt zum Boo Window. Der graue Himmel sieht nicht so aus als wolle er heute nochmal die Sonne durchlassen. Heftig prasselt uns der Regen ins Gesicht, sodass wir froh sind, als wir uns endlich eine Etage tiefer begeben können. Wir folgen einem im 45 Grad-Winkel abfallenden Hang, auf dem von Korallenbewuchs nichts zu sehen ist. Ein Occi ahnt wohl, wie es an der Oberfläche aussieht und zieht sich ganz tief in seine Behausung zurück. Nach 20 Minuten Tauchzeit macht der Hang einen Bogen und auf einmal strömt es uns ordentlich entgegen, sodass wir kräftig paddeln müssen, um um die Ecke zu kommen. Der positive Nebeneffekt der Strömung heißt Fisch, Barrakudas, Blauflossen- und Pferdemakrelen, Fledermausfische und Schnapperschwärme hängen im Blauwasser ab. Ein Napoleon streift übers Riff, gefolgt von einer Karettkröte und einer Horde Büffelkopfpapageien. Kurze Zeit später erreichen wir die Namensgeber des Platzes, drei große Löcher im Fels erlauben wie durch ein Fenster den Blick auf die andere Seite des Riffes. Beim Flug durch einen kleinen Kanal passiert uns noch eine Zitronenmakrele und ein zutrauliches Falterfisch-Pärchen, bevor wir kurz darauf diesen prima Tauchgang beenden.

Weniger fischig geht es wenig später am Potato Point zu, dafür wartet eine atemberaubende Steilwand auf unsere Augen und Kameras. Die Wand ist eingehüllt in Gorgonien, Anemonen, Weich- und Hartkorallen. Deirdre geht wieder fleißig auf Pygmy-Suche und fördert zwei "happy fat" Bargibantis und eine "sad" Denise zutage. Als weiteres Highlight haben sich in einem Busch zwei Sägeblattgarnelen verschanzt. Auch die Schneckenfans unter uns kommen an diesem Platz voll auf ihre Kosten.

Nach mal wieder ausgiebigem Mittagessen springen wir am kleinen Bruder von Whale Rock II ins Wasser, der erstaunlicherweise Whale Rock heißt. Eigentlich wollten wir es ruhig angehen lassen, aber die Strömung ist anderer Meinung und treibt uns im ICE-Tempo an der wunderbar bewachsenen Westseite der Insel entlang. Nach nicht ganz 15 Minuten sind wir an der Südspitze angekommen und sitzen in der Falle: Sowohl von der West- als auch von der Ostseite kommt uns eine Strömung entgegen, gegen die wir nicht anschwimmen können. Napoleon, Thunfisch, Pferdemakrele und Büffelkopf-Papagei tun sich da sehr viel leichter. Uns ins Blauwasser treiben lassen Detlev und Andreas frohgemut am Walfelsen wollen wir nicht, denn dann ist der Tauchgang beendet, was schade wäre, da auch die Südspitze ganz pittoresk ist. Also halten wir uns nah am Ufer auf, wo es etwas Strömungsschatten hat und begutachten die bunten Anemonen und Weichkorallen. Eine Kröte lässt sich von uns nicht stören und knabbert genüsslich ihr Korallenmahl. Ein Titandrücker tut es ihr gleich. Viele Tischkorallen, unter denen Süßlippen Schutz suchen, stehen herum. Nach 20 Minuten Abhängen an der Südspitze lässt die Strömung auf einmal nach und wir können unseren Weg um den Fels herum auf der Ostseite fortsetzen, die aber nicht ganz mit der Westseite mithalten kann.

Auch am 2. Weihnachtsfeiertag darf ein Nachttauchgang natürlich nicht fehlen. Der heutige findet an Kallig statt und ist ziemlich schneckenlastig. Sowohl gigantische Gehäuseschnecken als auch nicht weniger imposante Nacktschnecken krabbeln über das nicht sehr ansehnliche Riff, das größtenteils aus Geweihkorallen besteht, von denen ein Gutteil schon arg in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Wodurch, vermag ich nicht zu sagen, Sturm, Taucher oder vielleicht doch die ein oder andere Stange Dynamit?

Tag 6: MO, 27.12., Misool

Weihnachten ist rum und auch unser Besuch von Misool neigt sich langsam dem Ende. Heute ist der letzte Tauchtag im tiefen Süden, bevor es noch in der Nacht wieder zurück nach Norden geht. Vorher ist aber noch 4x Tauchen angesagt. Los geht's am Eagle's Nest. Eigentlich wollten wir "Riff rechte Schulter" tauchen, aber die Strömung macht hier, was sie will und zwingt uns in die andere Richtung. Eine Horde von 20 Büffelkopf-Papageien, die uns entgegenkommt, kann über so wenig Schwimmfähigkeit nur müde lächeln und schwimmt in die von uns eigentlich angepeilte Richtung davon. Große Elefantenohrschwämme wachsen auf dem schräg abfallenden Riffhang, der viel Unterschlupfmöglichkeiten für Langusten und andere scheue Meeresbewohner bietet. Dazu gehört auch ein juveniler Fledermausfisch, mein persönliches Highlight bei diesem Tauchgang, da selten gesichtet und mit seinen überdimensionalen Rücken- und Bauchflossen und dem knallorangen Rand um den schwarz-grau-gestreiften Körper fast schon critterverdächtig.

Noch vor dem Mittagessen ist Tunneltauchen am Farundi Swimthrough angesagt. Eine kleine Landzunge trennt die Farundi-Bucht vom Freiwasser. Unter dieser Landzunge verbindet ein ca. 15 m langer Tunnel die Bucht mit dem offenen Wasser. Der Tauchgang startet mehr mit Schnorcheln, denn am Anfang ist das Wasser so flach, dass das Neopren fast auf den Korallen scheuert. Dann taucht der Tunneleingang in 2 m Wassertiefe vor uns auf und relativ schnell wird es relativ dunkel. Steil geht es abwärts, bis wir uns nach kurzer Zeit in 30 m Tiefe am Tunnelausgang wiederfinden. Der Weg führt links herum in die Bucht hinein durch einen Garten von Peitschenkorallen. Schon bald werden die durch Gorgonien abgelöst, in denen Deirdre wieder auf Pygmäenjagd geht – wie immer mit Erfolg. Aber nicht nur Pygmys findet man in den Gorgonien, bei genauem Hinschauen sieht man auch kleine Gobys und noch kleinere Schnecken. Ich bin der Pygmys ohnehin langsam müde und schaue lieber zu, wie sich ein Fledermausfisch gründlich putzen lässt. Ausgetaucht wird wieder unter dem kleinen Überhang, den fast alle kleinen Inseln vor Misool an der Wasseroberfläsche aufweisen. Auch an Farundi findet man hier bunte Korallen, die einen schönen Tauchgang abrunden.

Schön ist auch Cedu's Wall, wenn die Sicht auch so beschissen ist, dass man die Hand kaum vor Augen sieht. Ok, 15 m wird es schon haben, aber gefühlt ist das ja gar nichts im Vergleich zu dem 25-30 m, die es an den anderen Plätzen hatte. Die Wand präsentiert sich als Kleinviehplatz, im Wesentlichen finden wir Schnecken und Shrimps – und natürlich wieder ein paar Pygmys. Für eine willkommene Abwechslung sorgt da kurz vor Tauchgangsende eine Seekobra, die unsere Anwesenheit ignorierend übers Riff streift und ihre Nase auf der Suche nach Fressbarem unter praktisch jede Koralle steckt.

Wir haben mit der Strömung am Eagle's Nest noch eine Rechnung offen und entschließen uns daher, den heutigen Dämmerungstauchgang nochmal hier zu versuchen. Allerdings haben wir da die Rechnung ohne die Strömung gemacht, die macht nämlich wie schon heute Morgen, was sie will. Erst von hinten, dann von vorne, dann doch wieder andersrum, 3x wechselt die Richtung während des Tauchgangs, sodass wir etwas orientierunglos am Hang hin- und herpendeln. Abgesehen von dieser Laune der Natur, ein paar Schnecken und einem kleinen, gelben, allerliebsten Baby-Kofferfisch gibt es von diesem Tauchgang nichts zu berichten.

Nach dem Abendessen werden die Segel gehisst, natürlich nur symbolisch, denn die Segel auf der Mandarin Siren sind reine Show und nicht zum Segeln gemacht. Die ganze Nacht durch tuckern wir gen Norden zurück Richtung Batanta. Die Überfahrt ist erstaunlich ruhig, denn eigentlich ist schlechtes Wetter mit rauhem Seegang vorhergesagt. Macht nichts, so haben wir wenigstens trotz des hämmernden Schiffsdiesels eine halbwegs angenehme Nachtruhe.

Tag 7: DI, 28.12., Batanta

Der letzte Tag von Woche eins steht nochmal ganz im Zeichen von Makrozeug, Großes darf man vor Batanta nicht erwarten. (Reflections II) besteht im Wesentlichen aus einem sandigen, gemäßigt abfallenden Hang, auf dem vereinzelt ein paar Korallenblöcke stehen. In diesen tummelt sich allerlei interessantes Zeug, allen voran eine äußerst merkwürdig anmutende Platydoris-Nacktschnecke. Hinter einem Vorhang aus Glasfischen verbergen sich Gebänderte und Geringelte Seenadeln, Boxer Shrimps, Hohlkreuzgarnelen, Durban-Tanzgarnelen und eine Armee von Putzergarnelen, die auf den nächsten Kunden warten. Nach einiger Zeit geht der Sandhang in einen Korallenrücken über, dessen Erkundung wir uns für den 2. Tauchgang aufheben.

Der Korallenrücken hört auf den Namen Reflections Ridge und fördert viele kleine silbrige Kugeln zutage, die sich anfühlen wie Tischtennisbälle. Während wir noch die Kugeln betrachten, bei denen es sich eigentlich um Algen handelt, kreuzt eine Qualle mit mindestens 5 m langen Tentakeln unseren Weg. Keiner weiß, um was es sich dabei handelt, deswegen halten wir lieber respektvoll Abstand, denn lange Tentakel bedeuten in der Regel nichts Gutes, soll heißen, das Teil könnte giftig sein. Mit jedem Meter wird die Szenerie schöner, am Ende beleuchtet die strahlende Sonne einen wundervollen Korallengarten, über der ein Schwarm junger Barrakudas kitschig seine Kreise zieht. Die Sache mit dem kitschigen Korallengarten gilt auch für unseren finalen Tauchgang vor Batanta an Diversity. Die Killerqualle zeigt sich ein 2. Mal, ansonsten ist es hier einfach nochmal hübsch bunt.

Noch am Nachmittag nehmen wir den 2. Abschnitt auf dem Weg nach Norden unter den Kiel. Für die Nacht ist wieder schlechtes Wetter vorhergesagt, bis dahin will der Käpt'n einen sicheren Ankerplatz vor Gam schon erreicht haben. Am Abend ist von schlechtem Wetter jedenfalls weit und breit nichts zu sehen, entpsannt schlürfen wir auf dem Sonnendeck unsere Deko-Bintangs und genießen bei einem Pläuschchen den tollen Sonnenuntergang. Deirdre freut sich auch schon auf Woche zwei und den Wechsel von den Makrotauchgängen im Süden zu den Action-Tauchgängen mit viel Fisch im Norden. Wir hoffen, sie behält Recht, denn so schön Woche eins auch war, unser Makrobedarf ist vorerst mal gedeckt.

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