Blick über Horta, Azoren

Azoren – Blauhaie und Mobulas – Woche 2

August 2012

Tag 8: SO, 12.08.

Zum Start in Woche 2 ist es schon wieder vorbei mit dem herrlichen Wetter, von den wohlbekannten Azorenhochs, die Europa mit schönem Wetter versorgen, ist weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen ziehen Sturm und Regen über die Insel. An Tauchen ist nicht zu denken, was mich dazu veranlasst, bis zum Mittag mein Bett nicht zu verlassen. Zum Nachmittag hin klart es auf und die Sonne kommt raus, sodass ich mich noch zu einem eineinhalbstündigen Läufchen rund um Horta entschließe, Sightseeing inbegriffen. Anschließend statte ich dem Walmuseum einen Besuch ab. Bis in die 60er-Jahre hinein wurde vor den Azoren Jagd auf die Meeressäuger gemacht, etwa 20 Wale wurden pro Monat rausgezogen und in der kleinen Fabrik zu Öl verarbeitet. Ein 45-minütiger Film erklärt alle Details dieses deprimierenden Kapitels azorianischer Geschichte.

Die Semana del Mar geht heute zu Ende, sodass wir abends dem Festival nochmal unsere Ehre erweisen, den Sangeskünsten der heimischen Bands lauschen und uns bis tief in die Nacht mit Gin Tonic und Caipis auf den morgigen Tauchtag (hoffentlich!) vorbereiten.

Tag 9: MO, 13.08.

Petrus wird in diesem Urlaub wohl nicht mehr unser Freund. Der Wind bläst weiter kräftig, selbst am Monte da Guia sind heute nur die Plätze auf der Ostseite ansteuerbar. Die kennen wir schon, deswegen entschließen wir uns zu einem Tauchgang am Pontão 16. Dieses Wrack eines Schwimmpontons liegt nur ein paar Meter vom Hafen entfernt windgeschützt vor der Ostküste Faials in 26 m Wassertiefe auf dem Sandboden. Der Ponton selbst ist von außen ziemlich uninteressant. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Fische außenrum etwas weniger scheu sind, als am Monte da Guia, weswegen man mit der Kamera etwas besser rankommt. Kurz vor Ende wage ich noch eine kleine Exkursion ins Wrackinnere, was mangels Lampe zu einer ziemlich finsteren Angelegenheit wird. Zum Glück hat Buddy Marcel ein Leuchtmittel dabei und auch die alle paar Meter angebrachten Bullaugen erhellen etwas die Sinne. Zu sehen ist - rein gar nichts. Durch ein nicht mehr vorhandenes Schott auf dem Deck verlassen wir schließlich den Ponton und hängen am Seil noch die 2 min Deko ab. Mangels Riff fehlt an diesem Platz die Möglichkeit zum Austauchen, man taucht ein klassisches Rechteckprofil, sodass der Tauchgang nach Ablauf der Nullzeit beendet ist.

Da wir nichts Besseres zu tun haben, gehen wir am Nachmittag dann doch nochmal an der Ostseite des Vulkans ins Wasser. Die beiden Höhlen von Ponta das Furnas, die wir vor ein paar Tagen nur kurz in Augenschein nehmen konnten, warten noch auf eine genauere Erkundung. Der Eingang zur ersten Höhle wird von einem Monster von einem Schalentier bewacht, ansonsten ist nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Toll ist an diesem Platz einfach die düstere Atmosphäre und das tiefe Blau des Ozeans, das beim Blick aus der Höhle Richtung offenes Meer perfekt zur Geltung kommt. Zwischen den beiden Höhlen trifft man, wenn man genau hinschaut, in knapp 30 m Wassertiefe auf ein kleines Schiffswrack, welches so zertrümmert ist, dass es kaum noch als solches zu identifizieren ist. Insgesamt erweist sich der Tauchgang als netter Zeitvertreib für den Nachmittag.

Weniger nett ist die Windvorhersage für den Rest der Woche, die uns Norberto nach unserer Rückkehr per windguru.com präsentiert: "I don't think you can go to Princess Alice again". Na prima. Auch mit der Condor Bank sieht es übel aus, Freitag wäre der nächste Tag, wo das möglich wäre. Das ist schlecht, da Mio bereits einen Tag vor dem Rest der Truppe abhaut und dann schon im Flieger sitzt. Norberto bietet uns an, es morgen mit dem Katamaran zu versuchen, es würde aber mit Sicherheit so ruppig werden wie vergangenen Dienstag. Wir stimmen trotzdem zu, was bleibt uns auch anderes übrig?

Nach Ende des Festivals brauchen Armanda und Fernando etwas Erholung, weswegen sie die Pizzeria für 3 Tage dicht machen. Daher müssen wir uns heute nach einer neuen Möglichkeit zur abendlichen Kalorienzufuhr umsehen. Die Wahl fällt auf das "Atletico", ein von Russen betriebenes Restaurant in der Nähe des Strandes. Angeboten werden täglich wechselnde Fischgerichte und auch die Shrimps- und Calamari-Platten sind top. Voller Begeisterung machen wir uns auch hier nach dem Essen an die Vernichtung der vorhandenen Schnapsvorräte.

Tag 10: DI, 14.08.

Schwer kämpft der kleine Katamaran gegen die Wellen an, die anfangs noch moderaten Wellen werden immer höher, je weiter wir uns Richtung Westen bewegen. Nach knapp eineinhalb Stunden Fahrt ist es schließlich so weit, der Käpt'n eröffnet uns, dass die Condor Bank heute unerreichbar ist und wir umdrehen müssen. Ich frage mich, ob das für Ortskundige nicht schon früher absehbar war, wahrscheinlich hat es einen Grund, warum außer uns weit und breit kein Boot auf dem Wasser zu sehen ist? Nun ja, hinterher ist man immer schlauer. Wir drehen also um und machen uns stattdessen auf zu einem kleinen Unterwasserberg 3 Seemeilen südlich der Baixa da Feteira, um hier unser Glück zu versuchen. Niemand von uns Gästen denkt allerdings ernsthaft daran, dass dies auch nur annähernd eine Chance auf Erfolg hat, denn es wird ja schon einen Grund haben, warum die Boote normalerweise zur Condor Bank fahren und nicht zu diesem viel einfacher zu erreichenden Spot. Wir halten das für eine reine Alibi-Aktion, aber was soll's. Unsere Vermutung bestätigt sich, bereits nach einer halben Stunde Anködern gibt die Crew den Versuch auf. Sie bieten uns noch an, einen Küstentauchgang in der Bucht zu machen, was aufgrund der Erfahrungen von Tag 1 auf allgemeine Ablehnung stößt. Stattdessen würden wir unser Glück gerne am Unterwasserberg im Kanal zwischen Faial und Pico versuchen, an dem wir an Tag 3 wegen der Fischer nicht hin konnten. Die Tide steht richtig und so machen wir uns auf den Weg. Die Sichtprüfung vor Ort ergibt aber bei dem aufgewühlten Wasser eine Sichtweite von max. 5 m, die Crew rät uns ab, in dieser Brühe zu tauchen, man sieht sowieso nichts. Wir folgen dem Rat und so gehen 5 Stunden Bötchenfahr'n zu Ende, ohne dass wir nass geworden sind. Bugger!

Mit Ausnahme des Windes ist das Wetter annehmbar, sodass am Nachmittag Strandbesuch angesagt ist. Das wohltemperierte Wasser lädt zu einer kleinen Schwimmrunde rund um die Bucht ein. Für den Abend lädt Norberto zu einem Fisch-Barbecue an die Basis ein. Eine halbe Stunde vor dem geplanten Beginn öffnet aber der Himmel seine Schleusen und die Veranstaltung fällt buchstäblich ins Wasser. Daher müssen wir die heute verbrauchten Kalorien doch wieder durch einen Besuch im "Atletico" dem Körper zurückgeben, wobei wir das Konzept der Superkompensation auf die Nahrungsaufnahme adaptieren.

Tag 11: MI, 15.08.

Es ist weiterhin Schietwetter, wir entschließen uns zu einem finalen Küstentauchgang an der Baia da Entre Montes. Wie schon beim 1. Mal lassen wir es extrem gemächlich angehen. Immerhin sichten wir noch einen Bärenkrebs, der sich trotz der fortgeschrittenen Stunde keine große Mühe beim Versteckspielen macht. Nach 75 Minuten ist unser letzter Ausflug am Monte da Guia beendet. Zusammengepackt wird trotzdem noch nicht, wir hoffen für Freitag noch auf Windbedingungen, die eine Ausfahrt zur Condor Bank ermöglichen.

Tag 12: DO, 16.08.

Gammeltag. Mangels besserer Beschäftigung schnüre ich nochmal die Laufschuhe und laufe zur Abwechslung mal nach Westen raus aus Horta, immer an der Küste lang. Der eine oder andere Aussichtspunkt bietet nette Ausblicke auf das aufgewühlte Meer und den Monte da Guia. Bis Feteira macht die Angelegenheit Spaß, nur der Rückweg über die Hauptstraße ist dann nicht mehr so prickelnd. Die Wiedereröffnung des Atlantis nach überstandener Festival-Regeneration wird sogleich gebührend gewürdigt. Die Kommunikationsprobleme, die durch eine Englisch-Blockade der Aushilfskellnerin entstehen, überbrückt die Abendgesellschaft dabei souverän mithilfe von Bildersprache.

Tag 13: FR, 17.08.

Ein Stück Glück, das Wetter lässt eine Ausfahrt zur Condor Bank zu. Diesmal nehmen wir wieder die Schlauchboote, da diese mit höheren Wellen besser klarkommen als der Katamaran. Knappe 2 Stunden dauert die Fahrt, mit uns sind noch zwei andere Gummiboote am Start. Kurz nach der Ankunft werden die Köder fertiggemacht, dann heißt es Warten. 1 Stunde vergeht, ohne dass etwas passiert. Nach einer weiteren halben Stunde bemerkt Guide Marco, dass das sehr ungewöhnlich sei, im August, der der beste Monat für Blauhai-Ausfahrten ist, habe er noch nie länger als 45 Minuten auf die Haie warten müssen. Nach 2 Stunden kontaktieren wir die anderen beiden Boote, ob die was gesichtet haben. Fehlanzeige. Wir fragen uns, ob vielleicht unmittelbar eine Naturkatastrophe bevorsteht und uns hier gleich der Vulkan um die Ohren fliegt, denn Tiere haben ja angeblich einen 6. Sinn für sowas. Wir versuchen unser Glück an einem anderen Platz, denn die Condor Bank ist groß. Eine weitere Stunde vergeht, ohne dass sich die Situation ändert. Zeit genug, um mit den Guides ein bisschen über die allgemeine Hailage vor den Azoren zu quatschen. Die spanischen Kutter, die im Hafen von Horta liegen, ziehen jede Woche Tausende Haie aus dem Meer. Die Doppelmoral der azorianischen Regionalpolitiker zum Thema Umweltschutz verdeutlicht uns Marco mit einem kleinen Anekdötchen: Bei einem Tauchgang an der Princess Alice Bank hatte er unlängst das Glück, mit einem Walhai zu tauchen und hat es sich nicht nehmen lassen, den Giganten der Meere ein wenig zu streicheln. Als er einem befreundeten Politiker davon berichtet hat, habe dieser ihn getadelt, man solle doch unter Wasser nichts anfassen, um das Ökosystem nicht zu beschädigen. Auf die Rückfrage, wie der Freund denn zu den Haifischtrawlern im Hafen von Horta stehe, hat Marco niemals eine Antwort bekommen. Geld regiert halt auch die Azoren, insb. in Zeiten, in denen es dem portugiesischen Staat und seinen Menschen nicht so arg gut geht.

Nach 4 Stunden Warterei suche ich die Toilette auf, wenigstens 1x heute will ich Salzwasser­kontakt haben. Danach kippen wir noch eine weitere Stunde erfolglos Fischblut ins Wasser, sodass wir schließlich die Rückfahrt antreten. Die geht wieder flott, in einer guten Stunde sind wir zurück im Hafen. Acht Stunden Schlauchboot fahren und außer einem Sonnenbrand nichts gewesen, die Enttäuschung ist groß. Auch Norberto kann es nicht glauben und meint nur: "The Hurricane took all the sharks!". Äh was, Hurricane wer? Bei der Gelegenheit erfahren wir, dass sich Hurricane Gordon auf den Weg Richtung Azoren macht und Sonntagabend oder Montagmorgen hier eintreffen soll. Es ist der erste Hurricane seit 6 Jahren, der in östlicher Richtung über den Atlantik zieht, statt sich über der Karibik auszutoben.

Die Enttäuschung über die misslungene Blauhai-Ausfahrt ertränken wir am Abend im Atlantis mit ein paar finalen Aguardentes und Bairaos.

Tag 14: SA, 18.08.

Um 9 Uhr holt uns ein Staff-Mitglied von Norberto ab und karrt uns zum Flughafen. Auf dem Heimflug via Lissabon bleibt genügend Zeit, über das Fazit dieses Urlaubs nachzudenken: Insgesamt hat er Spaß gemacht, was vor allem der guten Truppe zu verdanken ist, die wir beisammen hatten. Tauchtechnisch hat uns das miese Wetter doch einiges verhagelt, da einige der geplanten Ausfahrten nicht stattfinden konnten. Immerhin haben wir je 1x die Blauhaie und Mobulas gesehen, diese beiden Ausfahrten waren toll. Für einen zweiwöchigen Urlaub ist das allerdings etwas dünn, da die Tauchplätze rund um den Monte da Guia für meinen Geschmack nicht allzu viel hergeben, dafür muss man nicht so weit fliegen. Auch das Whalewatching hat mich nicht wirklich überzeugt, da man aufgrund der restriktiven Bestimmungen, die sicherlich ihre Berechtigung haben mögen, nicht so nah rankommt und man von dem niedrigen Schlauchboot aus nicht so viel sieht. Vom Katamaran aus, der normalerweise für das Whalewatching verwendet wird, hat man vermutlich eine deutlich bessere Sicht. Was die Zukunft der Azoren als Tauchdestination angeht, bin ich skeptisch. Wenn das Rausziehen der Haie in dem Maße, wie es momentan vor sich geht, nicht bald aufhört, werden die Azoren genauso schnell von der Tauchlandkarte verschwinden, wie sie dort aufgetaucht sind. Wer überlegt, hinzufliegen, sollte dies m.E. schnell tun. Vielleicht denken dann auch die Politiker um, wenn man ihnen vorrechnet, dass ein lebender Hai als touristische Attraktion im Laufe seines Lebens mehr Geld einbringt als ein toter Hai auf dem Fischmarkt. Große Hoffnung diesbezüglich habe ich allerdings nicht.

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