Dhoni vor der Insel Alimatha, Malediven

Tauchsafari Malediven auf der Myna

Februar 2021

Verwundert blicke ich auf das Schild "WORLD'S LEADING DESTINATION 2020", das uns am Ausgang des Flughafenterminals von Malé begrüßt. Wie kann in diesem Arschlochjahr überhaupt irgendein touristisches Ziel "führend" gewesen sein? Aber wahrscheinlich prangte das Teil schon vor Corona da. Die Anreise war ansonsten unproblematisch. Wie in Corona-Zeiten üblich, mussten wir

  • vor dem Einsteigen in den Flieger einen negativen PCR-Test vorlegen, nicht älter als 96 Stunden vor Abflug.
  • uns frühestens 24 Stunden vor Abflug auf der Website der maledivischen Einreisebehörde digital anmelden und das Testergebnis mit hochladen.
  • eine Buchungsbestätigung des Resorts oder Hotels mit uns führen.
  • ein Rückflugticket vorlegen können.

Insgesamt also alles recht einfach. Einfach ist auch der Transfer zum Safariboot. Direkt am besagtem Marketingbanner parken die Wassertaxis, von denen uns eins in 20 min zur Marina von Hulhumalé bringt, in der die Safariboote vor Anker liegen. Als ich 2002 hier war, stand hier noch absolut gar nichts, die Aufschüttung der Insel war noch nicht abgeschlossen. Jetzt ragen Plattenbauten in den Himmel, die den Urlaubscharme von Köln-Chorweiler versprühen. Also nichts wie weg gen Süden, unser erster Stopp heißt Guraidhoo im Süd-Malé-Atoll.

Tag 1: SO, 31.01., Malé → Guraidhoo

Die Fahrt von Malé nach Guraidhoo dauert ca. 2 1/2 Stunden. Hier steigen die restlichen Gäste zu, die schon eine Woche früher dem Corona-Wahnsinn in Europa entflohen sind. Insgesamt besteht unser Grüppchen auf dieser privat organisierten Tauchsafari aus 12 Deutschen und Österreichern. Die Orga hat im Wesentlichen Hardy übernommen, der auf den Malediven 20 Jahre lang ein Safariboot betrieben hat und daher dort wie ein bunter Hund vernetzt ist. So hat er es glücklicherweise auch geschafft, 20 Kisten Gerstensaft zu organisieren, was sich erstmal trivial anhört. Da aber auf den Malediven der Alkoholausschank an Einheimische verboten ist und nur für Touristen importiert wird, ist die Situation aktuell schwierig: Keine Touristen - kein Bier.

Hardy hat auch veranlasst, dass vor Abfahrt auch die einheimische Crew getestet wird, so dass auf diesem Boot niemand ist, der nicht im Vorfeld negativ getestet wurde, was einer entspannten Urlaubsatmosphäre sehr zuträglich ist. Die läuten wir abends bei einer Skatrunde auf dem Zwischendeck der Myna ein. Das Boot bietet reichlich Platz für 18 Gäste, die sich auf 10 Kabinen in Unter- und Zwischendeck verteilen. Das Hauptdeck nimmt der große Salon inkl. Bar und Küche ein. Das Oberdeck ist halb und halb in Sonnen- und Schattendeck unterteilt und bietet viel Platz für alle Sonnenanbeter. Es gibt sogar einen Jacuzzi, der aber während unserer Tour geschlossen bliebt. Die Kabinen sind mit individuell regelbarer Klimaanlage, TV und großen Badezimmern ausgestattet. Die Website wirbt auch mit freiem WLAN, was sich aber schnell als reiner Marketing-Schmu herausstellt. De facto ist das WLAN unbenutzbar; wer auf der Tour Internet braucht, sollte sich bei Ankunft in Malé am Flughafen zum Preis von ca. 30$ eine einheimische Prepaid-Karte kaufen. Die Steckdosen auf dem Boot sind englische Typ G-Dosen; pro Kabine steht ein Adapter für deutsche Stecker zur Verfügung, ebenso im Salon.

Getaucht wird, wie allgemein auf den Malediven üblich, von einem separaten Tauchdhoni, auf dem das Equipment gelagert wird. Ein Tauchdeck gibt es daher auf der Myna nicht, weswegen die Fotografen eine Ecke des Salons zur Kamera-Lagerstätte inkl. Ladestation umfunktionieren. 3x am Tag werden wir ins Wasser springen; die Tauchzeit beträgt i.d.R. zwischen 45 und 60 min. Als Folge der Antwort auf meine Frage nach der aktuellen Wassertemperatur, entferne ich den gerade ausgepackten 3-mm-Neo direkt wieder vom Dhoni. Bei 27 Grad wird es mir auch in T-Shirt und Badebux nicht kalt. Dies ist auch die Minimaltemperatur, die man ganzjährig auf den Malediven erwarten kann. Meistens ist es noch wärmer, verraten mir die Kollegen, die aufgehört haben zu zählen, wie oft sie jetzt schon hier waren. Meiner zarten Hoffnung, dass sich bzgl. Korallenbleiche in den letzten 20 Jahren vielleicht was verbessert hat, versetzt diese Information natürlich sofort einen massiven Dämpfer.

Tag 2: MO, 01.02., Guraidhoo

Unser 1. Tauchtag startet mit einem Eingewöhnungstauchgang am Villivaru Giri. "Giri" bezeichnet in Dhivehi (der Landessprache der Malediven) einen Unterwasserberg, der im Gegensatz zu einem "Thila" bis an die Wasseroberfläche reicht und bei Ebbe auch aus dem Wasser herausragen kann. Da es an Giris meist wenig Strömung hat, sind sie gut für einen Check Dive zum Testen der Bleimenge und Üben von Bojenschießen geeignet, was wir dann am Ende des Tauchgangs auch tun. Die 60 min davor sind so la-la. Die Korallen sehen tatsächlich etwas besser aus als das, was ich von vor 20 Jahren in Erinnerung habe, sind aber weit davon entfernt, was man im Roten Meer oder in Südostasien zu Gesicht bekommt. Immerhin hat es tatsächlich reichlich Fisch, von denen die beiden LaNaBüBas meine persönlichen Lieblinge sind. Auch die Tauchgänge 2 und 3 am Kuda Giri Wreck und dem Guraidhoo Giri fördern keine besonderen Highlights zutage, so dass für das Highlight an Tag 1 ein gewonnener Grand Hand mit Vieren, Schneider, Schwarz herhalten muss.

Tag 3: DI, 02.02., Guraidhoo

Den 2. Tauchtag starten wir mit einem Tauchgang im Guraidhoo Kandu. "Kandus" sind in Dhivehi Kanäle zwischen Inseln, Riffen und Atollen. Oft kachelt es hier gewaltig, so dass man Kanäle meist bei einlaufender Strömung nach immer dem gleichen Muster betaucht: Man springt am Außenriff, hängt sich in 30 m Tiefe mit dem Riffhaken an den Eingang des Kanals, bewundert die am Kanaleingang patroillierenden Haie, Rochen und Fischschwärme, lässt sich dann mit der Strömung in die Lagune treiben und dort vom Dhoni wieder einsammeln. So handhaben wir es auch hier, allerdings gibt es bei miserabler Sicht kaum etwas zu sehen. Nicht eine müde Haiflosse bekommen wir zu Gesicht; im Kanal streunt lediglich ein scheuer Napoleon durch die Lande. Beim Einstieg ins Dhoni folgt dann der Schock: Gabi liegt mit stark geschwollenem Knöchel auf der Bank. Vor dem Sprung ins Wasser ist sie gestolpert und mit der schon angezogenen Flosse irgendwo hängen geblieben. Wenn das Bein sich dreht und der Fuß nicht, kann das nicht gesund sein. Die folgende Untersuchung in der Sanitätsstation auf Guraidhoo lässt dann auch nichts Gutes erahnen; der Transport per Speedboot zum Krankenhaus auf Hulhumalé ist unumgänglich. Von dort kommt dann am späten Nachmittag die schlechte Nachricht: Wadenbeinbruch und Syndesmosebandriss, Tauchurlaub für Gabi und Rainer beendet, bevor er richtig begonnen hat. Unser 2. Abstieg am Vilivaru Giri verliert angesichts dieser Diagnose an Bedeutung.

Tag 4: MI, 03.02., Guraidhoo → Alimatha

Nach dem Motto "The show must go on" springen wir am nächsten Morgen an Guraidhoo South, welches der gleiche Kanal ist, den wir gestern schon betaucht haben, nur eben diesmal die Südseite, statt der Nordseite. Laut Hardy ist dies normalerweise ein "Hammerplatz" mit Haien ohne Ende, oft Adlerrrochen und Fischschwärmen satt, aber leider ist davon auch heute nichts zu sehen. 2 Graue Riffhaie und ein paar Weißspitzen treiben sich am Kanaleingang herum, ansonsten herrscht Friedhofsatmosphäre bei Sichtweiten um 15 m. Vielleicht sind wir einen Ticken zu früh im Jahr, so ab März sorgt der wechselnde Monsun für klare Sicht und bessere Tauchbedingungen.

Nach dem Tauchgang verabschieden wir Rainer, der gestern Abend noch zurückgekommen ist, um das Tauchgerödel einzusammeln, und machen uns dann auf den Weg ins Vaavu-Atoll, wo wir die nächsten 48 Stunden vor der Insel Alimatha liegen werden. Während Gabi auf dem OP-Tisch wieder zusammengeflickt wird, springen wir am Dhevana Kandu. Es fühlt sich an als wären wir aus einem nebligen Herbst direkt in einen klaren Sommertag gebeamt worden. Bei mindestens 30 m Sichtweite sorgen 2-3 Dutzend Graue Riffhaie und eine Familie aus 8 Adlerrochen für gute Laune. Beim Drift durch den Kanal begegnen wir noch einer riesigen Barrakudaschule, die anscheinend gerade Siesta hält. Superstark, so kann es weiter gehen!

Geht es auch. Für den letzten Tagesabstieg springen wir am Alimatha Jetty, dem Pier vor dem Resort, das auf der kleinen Insel beheimatet ist. Unser Ausflug zum Sandboden in 27 m Tiefe hält ein paar einzelne Ammenhaie und Graue Riffhaie bereit, die teils regungslos am Boden liegen, teils mit eleganten Schwimmbewegung in der starken Strömung stehen, die es auch jetzt am späten Nachmittag noch hat. Eigentlich muss man aber gar nicht so tief gehen, denn vor Alimatha tobt das Leben weiter oben. Im 10 m-Bereich gibt es hier ein unfassbares Rodeo mit mindestens 3 Dutzend Ammenhaien, die in der Sandwolke toben, die sie selbst aufwirbeln. Als nette Beigabe gesellen sich noch einige Graue Riffhaie, Schwarz- und Weißspitzen und ein paar Adlerrochen zu der Runde. Wir ketten uns mit dem Riffhaken an den Felsen fest und schauen eine halbe Stunde lang dem Treiben zu. Mega! So ganz natürlich ist das Auftreten allerdings nicht, denn in der Vergangenheit sind die Ammenhaie hier bei Nachttauchgängen angefüttert und förmlich gemästet worden. Die einjährige Corona-Pause hat ihnen anscheinend ganz gut getan; unsere Wiederholer berichten, dass sie nur noch halb so fett sind wie vor 12 Monaten. Auf mich haben sie jedenfalls einen gesunden Eindruck gemacht.

Tag 5: DO, 04.02., Alimatha

Weiter geht unsere Socal Distancing-Tour mit 2 Kanaltauchgängen, morgens nördlich von Alimatha am Miyaru Kandu, wo ausnahmsweise mal eine Muräne mein Highlight ist. Normalerweise würdige ich die keines Blickes, aber bei einer Großen Netzmuräne, deren Sichtungen ich in 24 Tauchjahren an einer Hand abzählen kann, mache ich eine Ausnahme. Wahrscheinlich legt sich das dann auch nach dem 3. oder 4. Malediven-Besuch. Mittags springen wir erneut am Dhevana Kandu. Der Tauchgang ist eine originalgetreue Kopie des gestrigen Abstiegs. Gleiches gilt für unseren Abschlusstauchgang am Jetty, wo wir uns diesmal das Vorgeplänkel sparen und uns gleich zu der Ammenhai-Arena gesellen und uns über eine Stunde lang in den Riffhaken hängen und Fernsehen gucken.

Tag 6: FR, 05.02., Alimatha → Machchafushi

Unseren letzten Tag vor Alimatha starten wir mit zwei Kanaltauchgängen. "Same procedure as every channel" notiere ich zum neuerlichen Abstieg am Dhevana Kandu. Großartig präsentiert sich am Mittag der Alimatha Kandu, welches der Kanal ist, der vom Außenriff zum Jetty führt. Zwei Dutzend Graue Riffhaie im Blau, Adlerrochen in Formation, eine Netzmuräne und Drückerkolonnen aus Titan, Clown, Gelbrand und Rotzahn erfreuen das Taucherherz. Sehr schöner Abschluss unseres Besuchs im Vaavu-Atoll!

Nach dem Mittagessen begeben wir uns auf die Überfahrt ins Ari-Atoll, wo wir am frühen Abend zu einem 45-minütigen Dämmerungstauchgang am Kudhimaa Wreck, welches vor dem Nordstrand der Resort-Insel "Machchafushi" seine letzte Ruhestätte gefunden hat, ins Wasser hüpfen. Die zur Verfügung stehende Zeit wird leider nur mittelgut genutzt, da unser Guide bei miserabler Sicht das Wrack nicht findet. 18 Minuten lang paddeln wir etwas ziellos umher und "bewundern" ein in Trümmern liegendes Riff. Angeblich war dies mal ein wunderschöner Platz mit fantastischen Tischkorallen. Davon ist nichts mehr übrig, es sieht aus wie nach der Bombennacht von Dresden. Dann taucht endlich in der dunklen Brühe der noch dunklere Schatten der "Kudhimaa" auf. Immerhin ist das Wrack noch ganz schön bewachsen und strotzt vor Leben. Mit mehr Nullzeit hätte es echt nett werden können! Was soll's, Scheiße passiert.

Tag 7: SA, 06.02., Machchafushi → Kuda Rah → Rangali / Mirihi

Der erste Tauchgang des letzten Tages von Woche 1 beginnt mit einem Schock: Wir sind nicht alleine am Kuda Rah Thila, eine zweite Tauchgruppe dreht mit uns zwei Runden um das nur etwa 80 m lange Thila, das in der Mitte von einem kleinen Canyon durchzogen wird. Der Tauchertrubel ist nicht verwunderlich, denn die Szenerie ist etwas unwirklich: Das gesamte Riff wird eingehüllt von einem riesigen Blauschnapperschwarm; Tausende, wenn nicht Zehntausende Fischleiber sorgen für eine Farbexplosion, die das Riff mit Sicherheit zu einem der schönsten Plätze im Ari-Atoll machen. Mega!

Wir tuckern am Außenriff entlang Richtung Rangali, wo für die beiden Nachmittagstauchgänge mit Rangali Madivaru ein Platz auf uns wartet, an dem sich angeblich auch mal Tauchers Lieblinge, namentlich Mantarochen, blicken lassen. Unsere Hoffnung diesbezüglich erfüllt sich leider nicht, aber auch ohne Mantas ist der Platz durchaus lohnenswert. Das Riffdach ist schön mit intakten Steinkorallen bewachsen, zwischen denen das kleine Riffleben tobt. Das größte, was wir zu sehen bekommen, sind arg scheue Napoleons, sieht man mal von der im Blauwasser vorbeistürmenden Silberspitze ab, die es eilig hat und uns keines Blickes würdigt.

Am Abend gehen wir für die Nacht vor Mirihi vor Anker. Mitten während der inzwischen schon traditionellen Skatrunde heißt es auf einmal: "Walhai-Alarm!". Am Heck der Myna haben sich 5 Walhaie versammelt und schlürfen genüsslich die Suppe aus Plankton, das vom Licht der Lampen magnetisch angezogen wird. Natürlich muss ich die Skatrunde unterbrechen und schnellstens ins Wasser springen. Was ich nicht ganz begreife ist, wieso dies außer mir nur noch Christian tut und sich der Rest der Tauchkollegen die Szenerie zunächst lieber vom Boot aus anguckt. Fünf Walhaie beim Nachttauchen, so eine Chance hat man vielleicht nur 1x im Leben! Aber jeder, wie er mag. Die folgenden 75 min sind jedenfalls der Knaller, auch wenn das Fotografieren bei den Lichtverhältnissen schwierig ist und man ab und zu auch Probleme hat, den Überblick zu behalten und nicht von hinten gerammt zu werden, während man gerade mit den Walhaien vor sich beschäftigt ist. Allerdings sind die sanften Riesen auch durchaus selbst darauf bedacht, Kollisionen zu vermeiden und meist klappt das auch ganz gut. Nach 75 min steige ich vollkommen euphorisch aus dem Wasser: Bester Nachttauchgang ever, zusammen mit den Mantas von Hawaiis Big Island!

Nach dem Walhai-Intermezzo führen wir unsere Skatrunde fort. Als ich um 23 Uhr, vier Stunden nach ihrem ersten Erscheinen, vor dem Schlafengehen noch einen Blick zur Heckleiter riskiere, turnt da immer noch ein letzter Walhai rum. Wann der sich schließlich schlafen gelegt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ob Woche 2 auch derartige Highlights für uns bereit hält?

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