März 2022
Fast eine halbe Stunde lang steht unser Flieger nach der Landung auf dem Vorfeld des Velana International Airports von Malé herum, bis endlich ein Gate frei wird und wir aussteigen können. Das lässt schon ahnen, dass auf den Malediven wieder Hochbetrieb herrscht wie eh und je vor der Pandemie. Nach der Gepäckabholung erstehen wir als Erstes zum Preis von 35 $ eine einheimische SIM-Card des Anbieters Ooredoo mit satten 17 GB Datenvolumen. Nach den Erfahrungen des letzten Jahres möchte ich mich nicht drauf verlassen, dass das Boots-WLAN funktioniert.
Nachdem also die Einreiseformalitäten erledigt sind, marschieren wir die 200 m zum Domestic Terminal und checken für unseren Inlandsflug mit Maldivian ein, über die ich mich im Vorfeld schon mehrfach aufgeregt habe. Zum einen hat meine erste Online-Buchung nicht funktioniert: Nach Abschluss der Zahlung gab es auf der Website eine Fehlermeldung. Die Kohle wurde abgebucht, aber eine Reservierungsbestätigung habe ich nicht bekommen. Anfragen per Mail wurden ignoriert. Danke für nichts! Dann wurde auch noch unser ursprünglich gebuchter Inlandsflug abgesagt, ohne dass wir darüber eine Benachrichtigung bekommen haben, was uns gestern Morgen vor Abflug in Frankfurt noch einen Mail- und Telefon-Hickhack mit dem Service-Center in Malé beschert hat. Ich kann jedem nur raten, der Maldivian bucht, regelmäßig über die Website unter "Manage Booking" zu prüfen, ob der Flug tatsächlich noch stattfindet. Und wenn nein, ist es vielversprechender, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und das Call-Center anzurufen als es per E-Mail (cc@iasl.aero) zu versuchen oder sich darauf zu verlassen, dass die Flüge, die auf der Website stehen, die einzig verfügbaren sind.
Dash 8-Turboprop, bei der leider die Triebwerke den Ausblick auf die maledivische Inselwelt verdecken, verläuft ruhig und ohne Zwischenfälle, sieht man mal von dem "Equator Crossing Certificate" ab, welches uns die Flugbegleiterin irgendwo im Luftraum zwischen Huvadhu- und Addu-Atoll zu unserer Überraschung überreicht. Pünktlich um 14:15 Uhr landen wir auf Gan, der südlichsten Insel der Malediven und Teil des Addu-Atolls (administrativ: Seenu-Atoll). Eigentlich sollte uns dort ein Vertreter der "Keana" erwarten, unserem Tauchsafari-Boot für die nächsten 2 Wochen, das unter deutscher Leitung steht. Als aber nach 20 Minuten immer noch niemand da ist, rufen wir dann doch mal die Keana-Kontaktnummern an. Bei einer geht niemand ran, bei der anderen meldet sich jemand aus dem Buchungscenter in Malé, mit dem sich die Kommunikation schwierig gestaltet, da er des Englischen kaum mächtig ist. Da wundert es mich dann auch nicht, dass kein Abholer da ist; wahrscheinlich wurde die WhatsApp, die ich gestern noch auf Deutsch an diese Nummer geschickt habe, um über unsere geänderte Ankunftszeit zu informieren, mangels Verständnis und Unkenntnis von Deepl oder Google Translate ignoriert. Zum Glück sind wir während unserer Wartezeit mit einem einheimischen Tauchguide ins Gespräch gekommen, der unserer Kontaktnummer die Lage auf Dhivehi erklärt. Eine halbe Stunde später kommt dann auch das Tauchdhoni der Keana angetuckert, sammelt uns ein und bringt uns zur Keana, die in der Lagune vor Feydhoo ankert.
Immerhin scheint Maldivian kulant beim Gepäck zu sein: Unser Handgepäck wird nicht gewogen und auch die, die mehr als die eigentlich erlaubten 20 kg auf die Waage bringen, müssen nichts nachzahlen. Der 90-minütige Flug in den tiefen Süden mit derDie Keana wurde 2015 nach den Vorstellungen des Malediven-Urgesteins Norbert Schmidt gebaut. Die Baukosten beliefen sich auf etwa 1,4 Mio. EUR. Auf den ersten Blick ist das Ambiente eher nüchtern-rustikal, sieht man mal von dem chicen Barbereich ab. Die Kabinen sind aber groß, bieten viel Platz und liegen alle auf Haupt- und Oberdeck (haben also normale Fenster mit Tageslichteinfall). Lediglich an Ablagen mangelt es etwas, hier dürfte es ein Regalbrett oder eine Schublade mehr sein. Katastrophal sind die sicherlich gut gemeinten Multifunktions-Steckdosen chinesischer Bauart, die eigentlich einen Reiseadapter überflüssig machen. Leider sind sie so wabbelig, dass die flachen Eurostecker nicht halten: Unbedingt eine Mehrfachsteckdose mit E/F-Stecker einpacken! Pluspunkte sammeln dagegen wieder die großen Badezimmer. Die sind dann abends auch so ziemlich das einzige Thema eines denkwürdigen Bootsbriefings: Norbert erwartet uns mit einer Po-Dusche in der Hand am Tisch und erklärt, dass dieses der wichtigste Gebrauchsgegenstand auf dem Boot ist, da er Klopapier überflüssig macht. Wir sollten es mal ausprobieren. Wenn es nicht anders ginge, dürften wir aber auch Papier nehmen, das dann auch "in gebräuchlichen Mengen" ins Klo wandern darf. Er schließt mit einem "Noch Fragen?". "Was ist mit Sicherheit?", fragt Hanno. "Die Schwimmwesten auf euren Zimmern habt ihr ja gesehen. Muster Station ist am Heck." Die Veranstaltung ist nach 5 bis 10 Minuten beendet. Ok, ich finde auch, man muss so ein Bootsbriefing nicht unnötig in die Länge ziehen, vor allem nicht mit Leuten, die schon eine Handvoll Safaris hinter sich haben. Etwas skurril fand ich es trotzdem.
Der erste Morgen startet mit dem allgemeinen Tauchbriefing, welches etwas ausführlicher ausfällt als das gestrige Bootsbriefing. Täglich werden 3 Tauchgänge angeboten, in der Regel gegen 7 Uhr, 10:30 Uhr und 14:30 Uhr. An einem Tag wird es statt des Nachmittagstauchgangs einen Nachttauchgang geben. Getaucht wird mit 29-32er Nitrox bis zu einer Maximaltiefe von 30 m (gesetzlich vorgeschriebenes Tiefenlimit). Wie auf den Malediven üblich, bleibt das Gerödel während des gesamten Trips auf dem Tauchdhoni. Einen Neo werde ich angesichts der aktuell herrschenden 28 Grad Wassertemperatur nicht brauchen. Unser 13 Personen starkes Tauchertraum-Gruppenreise-Trüppchen wird in 2 Gruppen mit je einem Guide (Ashraf und Apeh) unterteilt. Nach dem Sprung vom Dhoni kann aber jedes Buddy-Team werkeln, wie es will; man muss nicht sklavisch dem Guide folgen.
Nach einer halben Stunde ist alles gesagt, unser "Deep South"-Abenteuer kann starten, sodass wir um 7:30 Uhr mit dem Dhoni zu unserem ersten Platz tuckern, der im Wesentlichen als Check-Tauchgang dient. Für mehr ist das Bodu Giri, welches sich irgendwo inmitten der Lagune befindet, auch nicht gut. Das "Riff" ist eine Geröll- und Algenwüste, bei der man sich wundert, das sich überhaupt ein paar Fische, wie Füsiliere und Fahnenbarsche, hierher verirren. Ein Highlight gibt es aber doch: Vom Riffdach kommend schwimmt in großem Bogen ein Großer Geigenrochen an uns vorbei – eine eher seltene Begegnung für den gemeinen Sporttaucher. Abgesehen davon hüllen wir über den Tauchgang den Mantel des Schweigens. Wahrscheinlich ist der Platz auch deshalb auf keiner Tauchkarte im Netz zu finden.
Mehr Action verspricht da schon der nächste Platz: Am Maa Kandu, einem Kanal im Norden des Atolls, befindet sich eine Manta-Putzerstation, weswegen der Platz zu den etwas frequentierteren gehört. Heute haben wir Glück, kein weiteres Tauchboot ist am Start. Leider machen sich auch die Mantas rar: Am Anfang lässt sich kurz einer blicken, dann ist 45 Minuten lang tote Hose. Könnte beides daran liegen, dass wir aktuell auslaufende Strömung haben, was den Großfisch normalerweise fernhält. Blöderweise ist die Putzerstation, die aus einem großen Korallenblock besteht, über dem sich gerne ein Schwarm Blaustreifenschnapper tummelt, auch das einzig Sehenswerte hier. Ansonsten hat das Riff die Qualität des Bodu Giris. Beim Austauchen, bei dem wir mit der Strömung Richtung Blauwasser treiben, erbarmen sich dann doch noch zwei der Riesenrochen und segeln geschwind an uns vorbei.
Nach dem sehr schmackhaften Mittagessen geht es im Inneren des Atolls an der Shangri-La Corner vor der Insel Villingili weiter. Seinen Namen hat der Platz von dem Resort, welches bis August 2020 auf der Insel betrieben wurde und jetzt verlassen da liegt – ein weiteres Opfer der Pandemie. Fischmäßig bietet der Platz Hausmannskost, aber der Korallengarten ist tatsächlich schön anzusehen. Größtenteils besteht er aus Steinkorallen mit der ein oder anderen Anemone dazwischen. Ich hatte überhaupt nicht erwartet, auf den Malediven derart gut erhaltene Korallen zu sehen. El Niño scheint hier weniger stark gewütet zu haben wie im Norden des Landes. Oder die Riffe haben sich hier schneller regeneriert, keine Ahnung.
Nach dem 3. Tauchgang ist das Tagwerk getan, sodass man ab ca. 16:30 Uhr Zeit zum Faulenzen hat, bis um 19 Uhr die Glocke zum Abendessen klingelt. Die einen schlafen ihren Jetlag in der Kabine aus, während die anderen sich auf dem riesigen Oberdeck, welches halb und halb in Sonnen- und Schattendeck unterteilt ist, die Äquatorsonne aufs Haupt brennen lassen. Wieder andere nehmen im urgemütlichen Barbereich am Heck des Mitteldecks schon mal ein paar Deko-Biere zu sich, damit das Abendessen besser flutscht. Dieses wird in Büffetform gereicht und ist auch heute wieder ganz hervorragend. Um es vorwegzunehmen: Das bleibt auch während des gesamten Trips so.
Unser 2. Tauchtag startet mit einem frühmorgendlichen 2. Versuch am Maa Kandu, diesmal bei ziemlich starker, einlaufender Strömung. Und siehe da: Als wir an der Putzerstation angedriftet kommen, sind auch ein paar Mantas zugegen, die sich aber flugs verdünnisieren, als wir uns auf den Boden hocken und hinter ein paar kleinen Felsblöcken Schutz vor der Strömung suchen. Wohl dem, der seinen Riffhaken nicht in Deutschland vergessen hat! Lange passiert nichts, wir können die Mantas 20-30 m hinter uns in der Strömung stehen sehen, aber näher kommen sie nicht. Ob wir "unglücklich" positioniert sind und ihnen die Einflugschneise versperren? Nach 45 Minuten scheinen sie dann Vertrauen gefasst zu haben und segeln zwischen uns durch, um sich an der Putzerstation verwöhnen zu lassen. Als die Nullzeit zu Ende ist, lassen wir los und segeln mit der Strömung davon, vorbei an den 7 Mantas, die artig hintereinander aufgereiht in der Strömung stehen und darauf warten, dass sie dran kommen. Letztendlich war das also noch ein schönes Ding!
Durchschnittlich kommt dagegen der nächste Platz, die Demoa Corner, daher, an der Außenseite im Osten des Atolls gelegen. Wir paddeln eine knappe Stunde lang rechte Schulter an dem mittelmäßig begeisternden Riff entlang. Immerhin sieht man punktuell neue Korallen auf dem alten Bruch heranwachsen. Das Fischleben beschränkt sich auf Kleinkram. Im Blauwasser herrscht, wie auch an den anderen Plätzen bisher, weitestgehende Leere. Lediglich ein paar Blauflossenmakrelen scheinen auf der Suche nach ihrer nächsten Mahlzeit zu sein. Von daher bekommt der Platz von mir ein klares "Na ja, muss man nicht tauchen".
Der Nachmittagstauchgang steht wieder im Zeichen des verlassenen Resorts. Shangri-La Beru ist ein langgezogenes Riff, welches die Verlängerung der Ecke ist, die wir gestern schon getaucht sind. Unter Wasser treffen wir auf einen riesigen, gefühlt kilometerlangen Teppich aus Salatkorallen mit vereinzelt dazwischen drängelnden Geweih- und Tischkorallen. Wieder bin ich überrascht von der Qualität der Steinkorallen. Nur fischmäßig ist unterhalb von 15 m leider auch hier kaum was los. Nach 35 Minuten Tauchzeit gehe ich daher mal höher und schaue, was sich oberhalb von 10 m tut. Und siehe da: Auf dem Riffdach tobt das Leben mit Buckelschnapper-Schulen, Süßlippen ohne Ende und allerlei wohlbekannten Riffbewohnern, sowie einer Anemonen-Agglomeration, die sich fast wie "Anemone City" am Daedalus-Riff anfühlt. Merke: Es kommt nicht auf die Tiefe an!
Unser letzter Tauchtag im Addu-Atoll startet wie der gestrige, Mantas gucken am Maa Kandu. Die Strömung kachelt noch stärker als gestern, ansonsten geht der Tauchgang als Kopie durch. Wieder verjagen wir bei unserer Ankunft einen Manta, wieder brauchen seine Kollegen 30 min, um Mut zu schöpfen und uns zu akzeptieren. Ab da ist es super, hautnah segeln sie elegant zwischen uns durch und lassen sich geduldig ablichten. Sehr schön!
Weiter geht's an der Nordwest-Spitze des Addu-Atolls am Platz Koattey Beru. Beim Briefing bereitet uns Ashraf darauf vor, dass das Riff am Anfang ziemliche Scheiße ist, aber sobald wir um die Ecke rum sind, wird es richtig schön. Unter Wasser frage ich mich verwundert, woher er diese Information nimmt. Immerhin stimmt der Anfang der Aussage: Das Riff, an dem wir zunächst linke Schulter entlang gen Norden tauchen, ist ein einziges Desaster, eine total zerbombte Sand- und Geröllwüste. Blöderweise wird es auch nicht besser, als wir die Ecke erreichen und Richtung Westen abbiegen. Das Riff bleibt ein Trümmerfeld, in dem lediglich ein paar vereinzelte Anemonen, eine einzige intakte Geweihkoralle, und ein riesiger Schwarm Gelbrücken-Fahnenbarsche, die im Süden der Malediven allgegenwärtig sind, für vereinzelte Farbtupfer sorgen. Da kann auch die kleine Barrakudaschule, die mal etwas Leben ins Blauwasser bringt, genauso wenig retten wie ihr einzelgängerischer, großer Verwandter. Lieber auslassen den Platz!
Viel besser kommt dagegen Gan Beru daher, das langgezogene, der Außenseite von Gan vorgelagerte Riff. Der Meeresboden liegt bei 30 m, während sich das Riff sattelförmig bis in 10 m Wassertiefe erhebt. Unsere Foto-Session mit einem im Sand liegenden, fetten Stechrochen wird kurz von einem herannahenden Manta unterbrochen, der nun aber mal gar nicht scheu ist und wenige Zentimeter über unsere Köpfe segelt. Dann geht's weiter am Riff entlang, an dem man sich in John-Wayne-Manier dem Fotografieren von all dem Rifffisch hingeben kann, an dem es an diesem Platz glücklicherweise keinen Mangel hat. Insgesamt daher nett.
Wir genießen noch die abendliche Ruhe vor Gan, bevor es gegen 1 Uhr morgens auf die Nachtfahrt zur knapp 60 km entfernten Insel "Fuvahmulah" geht, wo es morgen mit ein paar großen, gestreiften Elasmobranchiern weitergehen soll.
Um 6 Uhr morgens erreichen wir Fuvahmulah, wo erstmal etwas unklar ist, wie es weitergeht. In dem kleinen, an der Südspitze der Insel gelegenen Hafen, ist nur Platz für zwei Safariboote, und da man wohl nicht vorreservieren kann, müssen wir darauf hoffen, dass noch ein Platz frei ist, was angesichts der anderen drei Safariboote, die noch vor der Insel in den Wellen dümpeln, etwas unsicher ist. Wir haben aber Glück und können schließlich um Punkt 7 Uhr einlaufen und nach etwas Rangiererei am Kai festmachen. Es gibt eigentlich nur einen Grund, nach Fuvahmulah zu kommen: Tigerhaie. Vor Jahren haben die heimischen Fischer festgestellt, dass die Tigerhaie an die Hafeneinfahrt kommen, um sich über die Fischabfälle herzumachen, die die Fischer über Bord gekippt haben. Irgendein findiger Tauchbasenbetreiber hat dann ein Geschäft draus gemacht und die Tiger angefüttert, um sie den zahlenden Tauchkunden zugänglich zu machen. Seither firmiert die Hafeneinfahrt Fuvahmulahs unter dem Namen "Tiger Zoo" als Tauchplatz. Das Tauchen hier ist streng reglementiert: Man kann nur mit lokalen Guides abtauchen und muss im Vorfeld einen Zeitslot buchen, der auf 30 min beschränkt ist. Für den Köder muss jeder Taucher einen zusätzlichen "Obulus" abdrücken, der nach Saison und Guide zu variieren scheint. Für uns werden pro Taucher und Tauchgang 30 US$ fällig. Andere Taucher berichten, dass sie auch schon mal 40 oder 60 Dollar investieren mussten – ganz schön üppig für 2 Minuten Bootsfahrt und ein bisschen Fischabfall.
Wie auch immer: Da sich heute der halbe maledivische Tauchtourismus vor Fuvahmulah versammelt zu haben scheint, müssen wir uns noch etwas gedulden. Wir sind erst um 10:30 Uhr dran, was uns noch Zeit für einen Tauchgang am Fuvahmulah Beru gibt, dem die Insel umgebenden Riff. Eigentlich taucht man hier nicht, der Abstieg ist nur eine Notlösung, weil die Zeit nicht reicht, um entweder nach Norden zur "North Corner" oder nach Süden zum "Plateau" zu fahren, welches ansonsten die einzigen beiden Plätze sind, die laut Ashraf vor Fuvahmulah einen Sprung ins Wasser lohnen. Die in unergründliche Tiefen abfallende Steilwand ist korallentechnisch halb und halb. Zwischen kaputten Steinkorallen sieht man neue, gesunde hervorsprießen. Sicherlich ein Lichtblick nach all den schlechten Nachrichten der letzten 3 Jahrzehnte. Das Fischleben ist so lala, nichts, weswegen man hier abtauchen muss, wenngleich der riesige Schwarm Fledermausfische, der durchs Blauwasser stürmt, nicht alltäglich ist.
Zurück im Hafen haben wir 45 Minuten Zeit, bevor es zurück aufs Dhoni geht, wo uns schon der lokale Guide erwartet, der uns erstmal eine Einweisung gibt. Das Regelwerk hat nur partiell etwas mit dem zu tun, was ich von den Bahamas oder aus Südafrika kenne. Frei übersetzt:
Das Spektakel läuft dann so ab, dass man sich in etwa 8 m Wassertiefe in einer Linie vor der Hafeneinfahrt auf den Boden setzt. Links und rechts sind Köderboxen aufgebaut, an deren Inhalt sich die Tigerhaie gütlich tun. Nach einer halben Stunde muss man den Platz verlassen, um der nächsten Gruppe Platz zu machen. Der Tauchgang ist dann aber nicht beendet, man kann einfach noch zur Seite weg am Riff entlang weitertauchen und die Tigerhaie auf ihrem Weg vom und zum Tauchplatz beobachten. Wegen des Bootsverkehrs sollte man es natürlich tunlichst vermeiden, direkt vor der Hafeneinfahrt aufzutauchen.
So gebrieft geht es also ins Wasser und was wir da sehen, ist mit den Worten "Zoo" oder "Zirkus" ziemlich exakt beschrieben. Eigentlich dachten wir auch, dass wir unseren Slot alleine haben, aber mit unseren 18 Tauchern (inklusive Guides) hocken da noch mindestens 30 andere Menschen rum, sodass es erstmal schwerfällt, einen vernünftigen Platz zu finden oder überhaupt die Übersicht zu behalten, wo eigentlich unsere Leute sind. Nach einigen Minuten groovt sich aber alles ein und ich finde einen Platz, von wo aus ich die Tigerhaie ganz gut sehen kann. Und es sind einige, mindestens 7 Individuen wirbeln in der Arena vor uns (so muss man es wohl bezeichnen) den Sand auf. Das anfängliche Kopfschütteln über die Zirkusveranstaltung, bei deren Anblick ich schon verstehen kann, warum viele Taucher Ködern grundsätzlich ablehnen, weicht der Faszination, diese eleganten Tiere unter Wasser live erleben zu können. Mir ist diese Art des Geldverdienens jedenfalls immer noch lieber als ihnen die Flossen abzuschneiden. Nach 30 Minuten machen wir für eine der nächsten Gruppen Platz und tauchen Richtung Osten entlang der Steilwand ab. In 20 m Tiefe befindet sich hier eine Terrasse, auf die man sich hervorragend hocken kann, um die an der Steilwand entlang ziehenden Tigerhaie zu beobachten. Wegen des klaren Wassers kann das u.U. sogar beeindruckender sein als sie oben im Sand wühlen zu sehen.
Nach der Action vom Vormittag wartet am Nachmittag der zweite Top-Platz Fuvahmulahs auf uns: Das Plateau ist eine weitläufige Untiefe, die sich von der Südspitze der Insel bis weit ins offene Meer erstreckt, wie oben in der Satellitenansicht von Google Maps gut zu erkennen ist. Aus Ashrafs Briefing nehme ich mit, dass man an der Kante entlang taucht und auf Großfischsichtungen (Tigerhaie, Hammerhaie, Walhaie, etc.) im Blauwasser hofft. Hofft man das nicht immer? Die Kurzfassung der leicht wirren Ansprache lautet: "Man kann alles oder nichts sehen". Soso. Wir hoffen natürlich auf deutlich mehr als "nichts" und weniger als "alles" wäre grundsätzlich auch ok. Die Paddelei bei null Strömung an der Kante entlang gestaltet sich dann allerdings schon ziemlich zäh. Wir sehen einen schönen, riesengroßen Füsilierschwarm und irgendwo im fernen Grau ein paar ebenso gefärbte Riffhaie. Ansonsten nada, null, nothing. Das war also tatsächlich nur ganz knapp über "nichts".
Nach getaner Arbeit nutzen einige Kollegen die Möglichkeit zum Landgang und besichtigen die Sehenswürdigkeiten der Insel, die eigentlich ein gehobenes Atoll ist, auf dessen knapp 5 Quadratkilometer Fläche sich 15.000 Menschen tummeln. Es ist weltweit das äquatornaheste Atoll, nur 30 km nach Norden sind es bis zum 0. Breitengrad. Die Sehenswürdigkeiten Fuvahmulahs sind allerdings an einer Hand abzuzählen: Neben 2 Süßwasserseen (Überbleibsel der früheren Lagune), einem schneeweißen Sandstrand und einigen Parks ist dies wohl vor allem Gen Miskit, eine im 14. Jahrhundert aus Korallengestein erbaute Moschee. Mich haut die Liste nicht so vom Hocker, weswegen ich bei der drückenden Hitze lieber dem ein- oder anderen Deko-Bier an der Bootsbar fröne.
Beim Abendessen müssen wir entscheiden, ob wir morgen nochmal zum Tiger-Zirkus wollen oder mittags gen Norden abdampfen. Norbert erklärt, dass die Geschichte heute Vormittag anders als beabsichtigt gelaufen ist, da dort eine Gruppe rumsaß, die da gar nicht hingehörte und sich reingezeckt hat, ohne dass die lokalen Guides bezahlt wurden. Das sei wohl schön öfter vorgekommen, weswegen es unter Wasser schon regelrechte Prügeleien gab. Das werde morgen aber definitiv nicht passieren, morgen soll es keinen Massenauflauf geben und alles nach Vorschrift ablaufen. Angesichts dieser Informationen entschließen wir uns, morgen noch einen weiteren Versuch zu wagen.
Eine gespenstische Stille liegt am Morgen über dem Hafen, weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. Nicht ein einziges Dhoni bringt die spiegelglatt daliegende Wasseroberfläche in Bewegung. Dazu muss man wissen, dass unser Sonntag in muslimischen Ländern der Freitag ist. Normalerweise ist heute alles dicht. Nur das ein oder andere Tauchboot der lokalen Basen wird rausfahren, aber auch erst am Nachmittag.
Deswegen müssen die Tiger auch noch warten, am späten Morgen fahren wir erstmal zur Nordpsitze an die North Corner. Ashraf erzählt beim Briefing, dass es hier eine Putzerstation für Fuchshaie gibt, die regelmäßig zu Besuch kommen. Man dürfe sich das aber nicht so vorstellen wie am Monad Shoal vor Malapascua: Die Fuchshaie seien hier deutlich scheuer, weswegen es wichtig sei, nicht im Blauwasser rumzuturnen und auf keinen Fall auf sie zuzuschwimmen, sollten sie auftauchen. Eine halbe Stunde später springen wir vom Dhoni und tauchen bei völliger Leere an einem total zerbombten "Riff" entlang. Nicht ein Fisch ist zu sehen, schon gar keine Haie. Nach 35 Minuten wird das Riff etwas besser, doch leider hindert uns die aufkommende Gegenströmung am Weitertauchen. Und da wir keine Lust haben, Richtung Trümmerfeld umzudrehen, stöbern wir einfach die restlichen 20 Minuten in einem überschaubaren Riffbereich und mit überschaubarem Erfolg in allem herum, was ein bisschen nach Koralle aussieht.
Um 13:30 Uhr geht es für uns zum 2. Mal zum Tiger Zoo. Im Gegensatz zu gestern ist an der Hafeneinfahrt gar nichts los, wir sind das einzige Boot. Logischerweise sind wir daher diesmal auch unter Wasser tatsächlich alleine. Leider scheinen aber auch die Tigerhaie heute ihren Ruhetag zu haben. "Nur" 2 oder 3 Exemplare sind zugegen und viel schlimmer: Sie scheinen heute keinen Appetit zu haben. So nimmt sich die Aktivität in der Arena deutlich übersichtlicher aus als gestern. Nach 30 Minuten werden wir abgelöst und hocken uns, wie schon gestern, auf die Terrasse, an der tatsächlich noch einige Tiger entlang patrouillieren. Nichtsdestotrotz hat mir der gestrige Abstieg trotz der Tauchermassen deutlich besser gefallen.
Während unseres Tauchgangs hat die Keana den Hafen von Fuvahmulah verlassen, sodass wir uns ohne Zeitverlust sofort auf den Weg nach Norden machen. Bis zum Huvadhu-Atoll sind es 65 Kilometer, was nicht nur bedeutet, dass wir erneut den Äquator überqueren, sondern vor allem, dass der Nachmittagstauchgang ausfällt. Stattdessen plant Norbert für 21 Uhr den 1x pro Woche stattfindenden Nachttauchgang ein.
Nach 4 1/2 Stunden erreichen wir kurz nach Sonnenuntergang das Zielgebiet und ankern in der Nähe der Insel Lonudhoo. Wir genießen noch das mal wieder hervorragende Abendessen und wollen uns dann gerade zum Nachttauchgang fertig machen, als die Schiffsglocke klingelt und Norbert die Kunde verbreitet, dass die Veranstaltung ausfällt. Der Dhoni-Käpt'n will jetzt nicht mehr rausfahren. Vermutlich, weil die Dhoni-Crew auch schon, wie jeden Abend, das Dhoni sauber- und klarschiffgemacht hat. Ich habe ja den Verdacht, dass der Dhoni-Käpt'n von dem Nachttauchgang-Plan gar nichts wusste. Vielleicht hätte ihm mal jemand Bescheid sagen sollen? Aber dazu müsste man miteinander kommunizieren. Wie auch immer, es gibt Schlimmeres, als sich frühzeitig ohne Nachttauchgang aufs Ohr hauen zu können. Vielleicht klappt das mit der Kommunikation ja in Woche 2 besser, die aus vermittlungstaktischen Gründen diesmal schon an Tag 7 beginnt.