Vom Landgänger zur Wasserratte in fünf Tagen

Tauchen? Wieso das? Bevor ich nach Australien gekommen bin, habe ich auch nicht nur einen Gedanken daran verschwendet, mich in ein Element zu begeben, in dem man als kiemenloses Lebewesen vielleicht 'ne Minute überleben kann, wenn man ein bisschen die Luft anhält. Warum also? Ganz klar, weil's Hölle Spaß macht. Weil man Dinge zu Gesicht bekommt, die sich andere Menschen noch nicht mal im Traum vorstellen können. Weil kein Tauchfilm, den man sich bequem bei Chips und Bier im Fernsehen anguckt, die Atmosphäre rüberbringen kann, die man erlebt, wenn man selbst im Wasser ist, mit all den bunten Fischen und Korallen um einen rum - und den Haien und Seeschlangen ;-) Weil man sich ganz einfach in einer anderen Welt bewegt, für die man sich nicht in unförmige, spacige Anzüge zwängen muß. Man muß einfach nur ins Wasser hüpfen. OK, so ein Neo wird ab 7 mm Dicke auch ganz schön unbequem, aber es lohnt sich. Es muß ja nicht gleich das Great Barrier Reef sein, auch wenn's sicherlich nicht der schlechteste Ort ist, um mit dem Tauchen zu beginnen.

Die Qual der Wahl oder: So wählt man seine Tauchschule aus

In Cairns hat man die Qual der Wahl, bei welcher Tauchschule man seinen Schein macht. Die bekanntesten sind Deep Sea Divers Den, Pro-Dive, Down Under Dive, Tusa Dive und das Cairns Dive Center. Preise zu vergleichen lohnt sich durchaus, man kann schon mal bis zu 100 AU$ sparen. Zwischen 500 und 600 AU$ muß man für einen Fünftages-Kurs (neun Freiwassertauchgänge) investieren und ich möchte eigentlich jedem raten, den Kurs in fünf und nicht in vier Tagen zu machen, bei dem man lediglich vier Freiwassertauchgänge hat. Denn in den ersten vier Tagen ist man fast ausschließlich damit beschäftigt, seine Pflichtübungen zu absolvieren. Hat man viele Leute im Kurs und stellt sich der eine oder andere vielleicht weniger geschickt an, kann es also passieren, dass man kaum mal Zeit für einen Blick auf die Unterwasserwelt hat und das ist ja nun eigentlich der Grund, warum man sich unter Wasser begeben hat. Der fünfte Tag des Kurses besteht dagegen ausschließlich aus Funtauchgängen, fünf an der Zahl. Dies ist der Tag, der am meisten Spaß macht und den man so richtig genießen kann.

Tipp Ist man der englischen Sprache vielleicht nicht so 100 Prozent mächtig, sollte man sich überlegen, seinen Kurs in der Muttersprache zu machen. Der Tauchlehrer und der Rest des Kurses ist nämlich sehr dankbar, wenn die Kommunikationsmöglichkeiten über Zeichensprache hinausgehen. Das fördert nicht nur den flüssigen Ablauf des Kurses sondern nicht zuletzt die eigene Sicherheit. Es ist ziemlich ungesund, wenn man sich statt auf fünfzehn plötzlich auf fünfzig Meter Tiefe wiederfindet, weil man im Briefing nur die Hälfte verstanden hat. In Deutsch kann man seinen Kurs fast überall machen, da haben wir als Reiseweltmeister ganze Arbeit geleistet.

Befasst man sich ein wenig mit der Materie, stellt sich die Frage, nach den Richtlinien welcher Organisation man seinen Schein machen soll oder ob das überhaupt eine Rolle spielt. Man muss sich das ungefähr vorstellen wie im Profiboxen, da gibt es die konkurrierenden Verbände WBC, WBO, WBF und IBF, die alle ihre eigenen Weltmeister nach ihren eigenen Richtlinien küren. Genauso ist es im Tauchen. Es gibt viele verschiedene internationale Verbände, die alle leicht unterschiedliche Richtlinien haben und die sich selbst natürlich für die Größten, Schönsten und Besten halten. Fragt man einen NAUI-Tauchlehrer, was er von der Ausbildung nach PADI-Standards hält, erntet man meist nur ein abfälliges Lächeln. Was nicht viel heißt, denn wo Erfolg ist, sind bekanntlich auch Neider. PADI waren die Vorreiter bei dem Versuch, den Tauchsport einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie haben den ganzen überflüssigen Kram, den man als Freizeittaucher nicht braucht, um mit Spaß sicher zu tauchen, aus dem Lehrmaterial rausgeschmissen, so daß man keine dicken Wälzer mehr auswendig lernen muß, mit Wissen, dass man eigentlich erst als Tauchlehrer braucht. Das Konzept hatte Erfolg, heute ist PADI die mit Abstand größte Tauchorganisation, was die anderen Organisationen dazu bewogen (oder gezwungen) hat, nachzuziehen. Tipp Heute ist die Grundausbildung bei allen Organisationen ziemlich ähnlich und ich persönlich halte es schlichtweg für egal, nach wessen Standards man seinen Schein macht, ob PADI, NAUI, SSI oder auch CMAS. Will man mit einem PADI-Schein bei einer NAUI- oder SSI-Schule einen Tauchtrip machen, wird man dort ebensowenig abgewiesen, wie umgekehrt.

Schließlich und endlich sollte man darauf achten, welche Leistungen im Kurspreis enthalten sind. Wird die komplette Ausrüstung gestellt? Normal ja, denn von einem Nichttaucher wird nicht unbedingt erwartet, dass er eine Tauchausrüstung besitzt. Wieviele Freiwassertauchgänge werden durchgefüht? Normal sind vier bei einem Viertageskurs und acht oder neun bei einem Fünftageskurs. Wo finden die Tauchgänge statt, nur an der Küste oder fährt man auch mit dem Boot für ein paar Tage raus? Letzteres ist natürlich gerade am Great Barrier Reef ein Muss und normalerweise ist bei einem Fünftageskurs ein 3-Tage-Liveaboard im Preis enthalten, bei dem man auch die Möglichkeit haben sollte, einen Nachttauchgang zu machen. Was passiert, wenn bei der tauchmedizinischen Untersuchung, die im Rahmen des Kurses durchgeführt wird, festgestellt wird, dass man nicht tauchfähig ist? Eine seriöse Tauchschule sollte dann den vollen Kurspreis zurückerstatten. Hat man diese Fragen geklärt, steht dem Tauchvergnügen nichts mehr im Wege.

Wie läuft denn nun so ein Kurs ab?

Völlig klar, man rödelt sich direkt die ganze Ausrüstung an, springt ins offene Wasser, taucht auf 30 m ab und hofft, dass einen der Tauchlehrer irgendwie wieder an die Oberfläche befördert, sofern man nicht vorher von dem großen, bösen Hai gefressen worden ist. So oder ähnlich stellt sich so mancher wohl einen Tauchkurs vor, wenn ich so höre, was für Ängste manche Leute davon abhalten, mit dem Tauchen zu beginnen. Die Realität sieht natürlich etwas anders aus.

Anno 1997 verbringt man den Vormittag des ersten Tages normalerweise im Klassenraum und lernt das kleine Einmaleins der Tauchtheorie. Aber keine Angst, man muß kein Physik-Genie sein, um den Ausführungen folgen zu können, selbst ich habe nach angestrengtem Nachdenken begriffen, dass sich bei Verdoppelung des Druckes das Volumen halbiert und ich hab Physik in der 10. Klasse abgewählt. Am Nachmittag geht's dann meist zum ersten Mal in den Pool, um die ersten Übungen zu absolvieren: Ausrüstung anlegen und bedienen, Eintritt ins Wasser, Tarierung kontrollieren, Wechsel zwischen Schnorchel und Mundstück (in Fachkreisen "Regulator" oder "2. Stufe" genannt), Maske mit Wasser volllaufen lassen und ausblasen, 2. Stufe aus dem Mund nehmen, hinter sich schmeißen und zurück holen, etc. pp. Falls etwas schiefgeht, weil man z.B. seine 2. Stufe hinter dem Rücken nicht mehr findet, KEINE PANIK, denn die Übungen werden zunächst in hüfttiefem Wasser durchgeführt, man kann einfach aufstehen und bekommt Luft. Abgesoffen ist da meines Wissens noch niemand.

Der zweite Tag läuft ähnlich wie der erste ab, halb im Klassenraum mit dem Rest der Theorie und halb im Pool. Der ein oder andere wird sich wahrscheinlich im Klassenraum ein Gähnen nicht verkneifen können, ich bin schon spannender entertained worden als von den dargebotenen Lehrvideos. Es liegt dann viel am Tauchlehrer, ob die Theorie trotzdem Spaß macht, es gibt welche, die den Stoff des Videos einfach nochmal herunterleiern, und es gibt andere, bei denen man permanent vor Lachen am Boden liegt, wenn sie erzählen und die genausogut eine Karriere als Entertainer starten könnten. Im Pool werden die Übungen des Vortages in etwas tieferem Wasser (2-3 m) wiederholt und zusätzlich übt man einige weitere Dinge, wie z.B. den kontrollierten Notaufstieg. Danach sollte man eigentlich fit für das offene Wasser sein, aber letztendlich liegt es in der Verantwortung des Tauchlehrers, dies zu entscheiden. Man muss einfach die grundlegenden Dinge, wie z.B. das Ausblasen der Maske, beherrschen, sonst wäre ein Tauchgang im offenen Wasser zu gefährlich. Ggf. muß man halt noch einen Tag im Pool "nachsitzen", bevor man dann ins offene Wasser geht.

Am dritten Tag geht's dann endlich so richtig los, nach den Tauchgängen im Pool folgen die ersten Tauchgänge im offenen Wasser. Natürlich ist man normalerweise ziemlich aufgeregt und je besser das Tauchrevier, desto mehr gibt's auch sofort zu sehen. Ich hatte z.B. meinen Kopf noch kaum unter Wasser gesteckt, da schwamm mir schon ein mächtiger Napoleon mitten durchs Gesicht. Mit knapp 1,50 m Länge war das direkt das Größte, was ich bis dahin unter Wasser gesehen hatte, was kein Wunder ist, weil ich bis dahin ja nur die Goldfische aus Nachbars Teich kannte. Wie auch immer, normalerweise geht es runter auf 10-14 m und man wiederholt all das, was man im Pool schon mal geübt hat, ein weiteres Mal. Die Gruppe versammelt sich im Halbkreis und der Tauchlehrer schenkt jedem Einzelnen beim Absolvieren der Übung seine ungeteilte Aufmerksamkeit, während die anderen Delinquenten in der Zwischenzeit im Wesentlichen mit Atmen beschäftigt sind. Auf diese Weise wird verhindert, dass zwei Schüler gleichzeitig ihre 2. Stufe wegschmeißen und nicht wiederfinden. Das ist auf Dauer nicht gut für den Teint. Sind alle Übungen schnell absolviert, bleibt evtl. sogar noch Zeit für ein wenig gruppendynamisches Funtauchen, bei dem man sich in aller Ruhe die Unterwasserwelt angucken kann. Das hängt halt von der Größe der Gruppe und ihrem Können ab. Zwischen den Tauchgängen hat man noch Zeit, ein wenig Theorie zu lernen, denn oft ist es so, dass am Ende des dritten Tages die theoretische Prüfung wartet. Dies ist, zumindest bei PADI, eine Multiple Choice-Prüfung mit etwa 100 Fragen und vier möglichen Antworten pro Frage. Vom Niveau her ist sie ungefähr mit der theoretischen Führerscheinprüfung zu vergleichen. Manche Dinge muss man einfach wissen, aber oft sind die falschen vorgegeben Antworten auch so hirnrissig, dass man die richtige Antwort einfach ankreuzen muss. Es gilt, 75% der Punkte zu erreichen, ansonsten muss man es zu einem späteren Zeitpunkt nochmal versuchen. Alles in allem kein Problem, wenn man sein Lehrbuch gelesen hat, ich habe noch niemanden gesehen, der da durchgefallen wäre.

Am vierten Tag folgt dann das große Finale, die letzten beiden Pflichttauchgänge, die genauso ablaufen, wie die vom Vortag. Anschließend ist man zertifizierter Taucher und darf von nun an ohne Tauchlehrer, also lediglich mit einem Partner (in Tauchkreisen "Buddy" genannt), unter Wasser gehen. Jeder sollte sich allerdings bewusst sein, dass das nicht heißt, dass man jetzt tauchen kann, sondern nur, dass man jetzt ohne Tauchlehrer weiter üben darf. Ist halt auch wie beim Führerschein. Wer einen Fünftageskurs belegt hat, bekommt dazu meist auch schon am vierten Tag bei einem Nachmittags- oder Nachttauchgang weitere Gelegenheit. Nachttauchgänge gehören bei Kursen am Great Barrier Reef zum Standardrepertoire und ich kann jedem nur empfehlen, diese Möglichkeit zu nutzen, ist eine gute Erfahrung. Mit der Erfahrung von gerade mal vier Freiwassertauchgängen auf dem Buckel, ist es aber eine gute Idee, sich von einem Divemaster oder Instructor der Tauchschule führen zu lassen. Unter Wasser ist es bei Nacht nämlich verdammt dunkel, was die Nervosität bei dem ein oder anderen mit Sicherheit etwas erhöhen dürfte und die Navigation unter Wasser, die ohnehin schon schwer genug ist, für einen Neuling schlichtweg unmöglich macht. Ein erfahrener Profi in Reichweite tut da gut. Außerdem haben die immer so schön hellleuchtende Lampen, die Leihlampe der Tauchschule wirkt da mehr wie ein Glühwürmchen im tiefen Wald.

Der fünfte Tag bei einem Fünftageskurs besteht dann in der Regel nur noch aus Funtauchen. Man schnappt sich also einen Buddy (es findet sich immer einer) und bestaunt in aller Ruhe die Unterwasserwelt. Je langsamer man sich bewegt, desto mehr bekommt man zu sehen. Für die Fische wirkt man durch das laute Atmen eh schon wie eine Dampfmaschine, bewegt man sich dazu noch hektisch durch die Gegend, verschreckt man sie noch mehr und sie flüchten verängstigt. Außerdem benötigt man bei einem ruhigen, entspanntem Tauchstil viel weniger Luft und man kann viel länger unten bleiben. Man lasse also die Fische zu sich selbst kommen, anstatt zu versuchen, ihnen hinterherzujagen, sie sind eh schneller. Was die Navigation angeht, sollte man die als Anfänger getrost vergessen, man ist sowieso nie da, wo man sich vermutet. Wenn man keine Luft mehr hat, tauche man einfach auf und schnorchle zum Boot oder zum Strand zurück. Lässt das Tauchrevier das nicht zu, weil es sich z.B. um einen Strömungstauchgang handelt, sollte man sich lieber wieder von einem Divemaster oder Instructor guiden lassen, das erhöht die Chance, dass man am Ende auch wieder eingesammelt wird.

Fazit: Wie alles Neue im Leben, lernt man Tauchen Schritt für Schritt und mit jeder erfolgreich absolvierten Übung steigt die Sicherheit und das Vertrauen in sich selbst. Es ist nicht gefährlich, wenn man sich verantwortungsbewusst verhält, dafür ist der Spaßfaktor gigantisch. Abschließend sei bemerkt, daß die Schilderung hier natürlich nur eine grobe Idee vermitteln soll, wie so ein Kurs abläuft, im Detail ist das sicher von Organisation zu Organisation und von Tauchlehrer zu Tauchlehrer unterschiedlich. Außerdem hat sich seit 1997 bei einigen Organisationen vieles an der Struktur des Kurses verändert. Heute versucht man tatsächlich, den Schüler so früh wie möglich ins Wasser zu bringen und nicht erst lange mit Theorie zu quälen, um ihm nicht den Spaß an der Sache zu vermiesen. Schließlich will man Tauchen gehen und kein Physik-Diplom machen.

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