Februar 2015
Die Hiobsbotschaft kommt 10 Tage vor der Abreise: Vor den Neptune Islands hat ein Rudel aus sechs Orcas einen Weißen Hai zerlegt, woraufhin dessen Artgenossen die Gegend um Port Lincoln verlassen haben. Doof für den Hai, blöd auch für uns, denn unsere Tauchertraum-Gruppenreise ist völlig auf den Top-Räuber der Meere ausgelegt, wobei die Orcas ihm diesen Ruf offenbar gerade streitig machen wollen.
Mit einigermaßen gemischten Gefühlen jetten wir daher am Rosenmontag los. Mit Emirates geht es via Dubai in 22 Stunden nach Adelaide. Als wir den australischen Kontinent erreichen, werde ich beim Blick nach unten ein klein wenig sentimental: In strahlendem Türkis liegt unter uns das Ningaloo Reef und das Örtchen Exmouth, wo ich vor 15 Jahren fantastische 8 Wochen verbracht habe, um meinen Divemaster zu absolvieren. In Adelaide angekommen checken wir im erstklassigen Stamford Plaza-Hotel ein, das am nördlichen Rand des Stadtzentrums liegt. Trotz des langen Fluges ist bei allen noch etwas Energie übrig, um in einer der umliegenden Bars noch ein Gute-Nacht-Bierchen zu nehmen. Die Hoffnung, dass die Bierpreise hier etwas zivilier sind als in Sydney, erfüllt sich leider nicht: Auch in Adelaide muss man wegen der hohen Alkoholsteuern inzwischen über 8 AU$ (knapp 6 EUR) für ein Pint hinblättern.
Da unser Weiterflug nach Port Lincoln erst am späten Nachmittag ist, nutzen wir den Tag, um im Stadtzentrum von Adelaide herumzustreunen. Nördlich des Zentrums befindet sich eine ausgedehnte Parkanlage, in dem das Adelaide Oval steht, ein formschönes Stadion, das auch Austragungsort für die gerade stattfindende Cricket-WM ist. Ich werde ja nie begreifen, wie man sich für dieses Spiel, wo eine Begegnung auch gerne mal 5 Tage mit 8 Stunden täglicher Spielzeit dauert, begeistern kann, aber in Oz ist das zusammen mit Rugby und Aussie Rules Football die Sportart Nummer 1.
Nach einem kleinen Rundgang durch die St. Peters-Kathedrale hocken wir uns auf ein Bötchen für eine 40-minütige Rundfahrt über den River Torrens. Alternativ kann man auch Tretboot fahren, aber bei 30 Grad Außentemperatur ist uns das zu schweißtreibend.
Um 14 Uhr werden wir abgeholt und zum Flughafen kutschiert. Am Gate treffen wir auf Andrew Fox, den Geschäftsführer von Rodney Fox Shark Expeditions, mit denen wir die nächsten 10 Tage vor den Neptune Islands auf die Suche nach den Weißen Haien gehen wollen. Andrew macht uns allerdings von vorneherein nicht viel Hoffnung. In den vergangenen Jahren ist es schon 2x passiert, dass die Weißen abgehauen sind, immer zu unterschiedlichen Jahreszeiten, einmal im August und einmal im Dezember. Warum, weiß man nicht, aber beides Mal hat es ca. 6 Wochen gedauert, bis sie an ihre angestammten Futterplätze um die Neptunes zurückgekehrt sind. Das wäre schon sehr ärgerlich, auch wenn ich ja bereits in Südafrika und Mexiko die Weißen gesehen habe. Nirgends sonst auf der Welt hat man aber die Möglichkeit, die Tiere aus einem Käfig heraus zu beobachten, der in 30 m Tiefe auf dem Meeresboden im Kelp steht. Rodney Fox sind die einzigen, die einen sog. "Bottom Cage" verwenden, wodurch man den Blick von unten auf die Haie hat und nicht hauptsächlich von oben, wie in Guadalupe. Des Weiteren haben die Weißen Haie Australiens den Ruf, etwas umtriebiger zu sein, als ihre mexikanischen Kollegen. Die Hoffnung stirbt zuletzt, vielleicht haben wir ja doch noch Glück.
Der Flug nach Port Lincoln dauert keine 45 min. Der Ort ist mit 14.000 Einwohnern die Hauptstadt der Eyre Peninsula, der Kornkammer Südaustraliens. Das sieht man: Wohin man blickt, sind Felder, nur ab und zu unterbrochen von etwas typisch australischem Busch. Die Busfahrt zur Port Lincoln Marina dauert nochmal 20 min, dann haben wir unser Endziel erreicht. Die "Princess II" ist ein zweckmäßig eingerichtetes Boot und hat eher den Charakter eines Expeditionsschiffes denn eines Tauchsafari-Bootes. Die 12 Gäste sind in 6 kleinen Doppelkabinen mit eigenem Bad untergebracht. Hauptaufenthaltsort wird der Salon sein, denn ein Sonnen- oder Schattendeck gibt es nicht. Will man sich braten, kann man sich allerdings vor der Brücke am Bug breit machen. Auch die Fotografen unter uns müssen etwas improvisieren. Kameratische gibt es nicht, hierfür schafft man sich eine freie Ecke im Salon. Betreut werden wir von einer sechs Mann und Frau starken Crew. Wichtigste Person an Bord ist natürlich Köchin Jade, die extra für die beiden 10-tägigen Tauchertraum-Touren engagiert wurde, denn das Bordessen genießt ansonsten nicht den allerbesten Ruf, wie uns Rory, Chris und Mike, die drei Guides, versichern. Für heute ist Jade allerdings noch arbeitslos, nach der Zuweisung der Kabinen und dem obligatorischen Bootsbriefing geht's zum Abendessen ins nahegelegene Restaurant in der Marina. Danach fallen wir gejetlaggt in die Kojen. Für einen ruhigen Schlaf ist gesorgt, da wir die Nacht noch im Hafen verbringen.
Im Morgengrauen stechen wir in See, die Fahrt nach Hopkins Island südlich von Port Lincoln dauert 3 Stunden. Hier gibt es eine kleine Kolonie Australischer Seelöwen, der wir für den ersten Tauchgang einen Besuch abstatten. Wir müssen uns allerdings etwas gedulden, denn ein von Port Lincoln aus operierendes Tagesboot war schneller und hat schon ein halbes Dutzend Schnorchler ins Wasser geschmissen. Der Gesetzgeber verlangt, dass nur ein Boot gleichzeitig seine Kundschaft ins Wasser lassen darf, die sich maximal eine Stunde lang mit den Seelöwen vergnügen kann. Nun kann man sich sowieso fragen, ob es eine schlaue Idee ist, mit der Beute des Großen Weißen zu schnorcheln und zu tauchen, oder ob dies eher ein Fall für den Darwin Award ist. Die Bucht, in der sich die Kolonie befindet, ist aber sehr flach und befindet sich hinter einem schützenden Riff, kein Weißer hat sich angeblich je hierhin verirrt. Für den Moment darf das gerne so bleiben. Der Tauchgang mit den Seelöwen ist dann auch sehr nett, auch wenn das Wasser ziemlich trüb ist und man wegen der leichten Brandung ständig hin und her geworfen wird. Im Vergleich zu ihren kalifornischen Verwandten sind sie auch sehr zurückhaltend und brauchen Zeit, um sich an Taucher zu gewöhnen und Vertrauen zu fassen. Wahrscheinlich haben sie sich einfach schon mit den Schnorchlern ausgetobt.
Wir verlassen das Weißhai-Futter und fahren 30 min nach Westen in die West Bay, eine Bucht vor einer anderen der sieben Inseln im Gebiet des Lincoln National Parks. Beim Briefing macht uns Chris klar, dass er nicht ausschließen kann, dass hier auch mal ein Weißer vorbeikommt. Falls dem so ist, würde er versuchen, ihn mit dem Schlauchboot zu vertreiben. Vielen herzlichen Dank! Ziel des Tauchgangs hier ist das Aufspüren von Großen Fetzenfischen, im Englischen "Leafy Sea Dragon" genannt. Diese äußerst merkwürdigen Kreaturen, die aussehen wie zerschredderte Seepferdchen, leben nur an wenigen Plätzen entlang der australischen Südküste. Nur wenige Taucher bekommen sie während ihres Taucherlebens live zu Gesicht. Wir heute auch nicht, denn mit ihrer perfekten Tarnung sind sie im dichten Kelp der West Bay praktisch unsichtbar. Die starke Dünung, die uns ständig hin- und herwirft, trägt auch nicht gerade dazu bei, dass man systematisch die dicht bewachsenen Felsen absuchen kann. Dafür ertappe ich mich dabei, mich ab und zu mal danach umzusehen, was sich wohl von hinten nähert. Zum Glück nichts. Nach 50 min haben wir genug Kelp gesehen, mit einer heißen Tasse Kaffee wird die durch die 15 Grad Wassertemperatur etwas eingefrorene Blutzirkulation in den Händen wieder ans Laufen gebracht.
Es geht zurück zur Hopkins Island für einen 2. Tauchgang mit den Seelöwen. Die Kollegen sind aber nun überhaupt nicht mehr in Spiellaune. Nur am Ende hat es noch zwei aktive Gesellen, die dem Tauchgang noch eine Berechtigung geben.
Direkt anschließend geht die Fahrt weiter nach Süden, bis zu den North Neptune Islands sind es nochmal gut 2 Stunden Fahrt. Es dämmert schon, als der Anker fällt und wir nach einem ganz hervorragenden Abendessen in die Kissen sinken.
Schon früh am Morgen beginnt die Crew mit dem Anködern. Hierfür wird über eine ausgeklügelte Konstruktion permanent mit Fischblut verdünntes Wasser ins Meer geträufelt. Derweilen dürfen wir uns in Dreiergruppen aufteilen und festlegen, wann wir mit dem Käfig zum Meeresboden fahren wollen. Jede Fahrt dauert 25-30 min, danach ist die nächste Gruppe dran. Obwohl sich weit und breit kein Hai blicken lässt, rödeln wir uns irgendwann zwischen Frühstück und Mittagessen an. Neben den gefühlt 50 kg Gewicht, die man per Tragegurt umgehängt bekommt und die für einen sicheren Stand im Käfig sorgen sollen, schultert man noch seine Pressluftflasche, denn die Luftversorgung erfolgt nicht wie in Guadalupe von der Oberfläche. Belustigt erzählen die Guides, dass sie so viele zerbissene Schläuche gar nicht wechseln könnten. Wir werden noch kurz über die per Seil zu übermittelnden Signale aufgeklärt, für den Fall, dass dem "Cage Captain" was passiert: 1x ziehen = Stopp, 2x = runter, 3x = rauf. Kriegt man hin.
Am Kran werden wir schließlich hinabgelassen, bis wir den Meeresboden in 27 m Tiefe erreichen. Die Hoffnung, einen Hai zu sehen, haben wir nicht. Wenn einer da wäre, wäre er auch schwer zu sehen, denn die dichte Wolke aus Stachelmakrelen, die den Käfig permanent auf der Suche nach Fischabfällen umkreist, versperrt die Sicht und nervt schon nach kurzer Zeit. Zu ihnen gesellen sich einige "Kingfishes", eine in Oz sehr beliebte Bernsteinmakrelenart – vor allem gegrillt. Immerhin hat es noch zwei Adlerrochen und einen XXL-Stechrochen, ansonsten zeigt sich der trübe Ozean von seiner leersten Seite. Nach 30 min sind wir wieder oben und verspüren keine große Lust, die Aktion heute nochmal zu wiederholen.
Zur Unterbrechung der aufkommenden Langeweile gibt's nach dem superben Mittagessen einen kleinen Ausflug mit dem Schlauchboot. Die Wellen lassen leider keinen Landgang zu, so dass wir nur an der Küste der beiden namenlosen Inseln entlang fahren, die zusammen North Neptunes heißen, und den Seelöwen einen Besuch abstatten. So entspannt, wie die hier im Wasser planschen, steigert das nicht gerade unsere Hoffnung, im Laufe der Tour ein paar Große Weiße zu sehen. Die Seelöwen scheinen zu wissen, dass sie aktuell nichts zu befürchten haben.
Mangels anderer Beschäftigung steigen wir am Nachmittag doch nochmal in den Käfig. Das Ergebnis ist das gleiche wie am Vormittag, nur fehlen diesmal sogar die Rochen. Tapfer wird trotzdem weitergeködert und am Abend erscheinen immerhin noch drei Kupferhaie am Heck der "Princess II", die wir von der Taucherplattform aus beobachten. Tauchtechnisch ist es natürlich trotzdem ein enttäuschender Tag. Da wir dies aber im Vorfeld schon befürchtet haben, lassen wir uns die Laune trotzdem nicht vermiesen, die Stimmung unter Gästen und Crew ist weiterhin gut. Man muss halt das Beste aus der Situation machen, die die Natur einem vorgibt. Oder der Getränkekühlschrank.
Wir setzen unseren Weg nach Süden fort, eine weitere Stunde entfernt liegen die South Neptune Islands. Es wiederholt sich dasselbe Spiel wie gestern: Wir steigen in den Käfig und frieren uns bei 13 Grad Wassertemperatur das empfindliche Popöchen ab. Dafür gibt es absolut gar nichts zu sehen, noch nicht mal nervende Stachelmakrelen, nicht ein einziger Fisch wandert durch unser Blickfeld. Rory hat ein Einsehen und bricht nach 15 min den Versuch ab. Zurück an Deck diskutiert die Crew, was zu tun ist und entschließt sich dann, zurück zu den North Neptunes zu fahren, da weitere Versuche hier absolut sinnfrei sind.
Also wieder zurück und am Nachmittag nochmal an den North Neptunes in den Käfig. Wir haben sogar Glück und sichten einen Hai! Allerdings ist es ein harmloser Hundshai von nicht mal einem Meter Länge. Das darf man eigentlich gar nicht laut sagen, dass man sich dafür in einen Käfig begeben hat!
Nach dem neuerlichen erfolglosen Versuch treten wir die Rückfahrt Richtung Port Lincoln an. Eigentlich hätte es die Option gegeben, nach Kangaroo Island rüberzufahren und ein paar Erkundungstauchgänge zu machen, aber dafür hätten wir uns beim Wasserverbrauch etwas am Riemen reißen müssen. Trotz eindringlicher Warnung zu Beginn der Tour scheint es Leute zu geben, die 5x täglich Streckenduschen müssen, anders lässt es sich nicht erklären, dass wir schon am ersten Tag so viel Wasser verbraucht haben, wie andere Gruppen insgesamt während eines viertägigen Trips. Bei sowas fällt mir immer der Spruch einer Freundin ein: "Man muss auch mal stinken können!". Da leider auch die Entsalzungsanlage nicht funktioniert, bleibt uns nichts anderes übrig, als nach Port Lincoln zurückzufahren, um Trinkwasser zu bunkern. Immerhin hat die Crew so auch die Chance, die Entsalzungsanlage zu reparieren.
Nach mehrstündigem Bunkerstopp im Hafen von Port Lincoln wird morgens um 4 Uhr der Diesel angeworfen und auf geht's Richtung Norden. Das nächste Ziel heißt Tumby Bay, ein kleines Küstennest, etwa 5 Stunden entfernt. Das Örtchen ist stolzer Besitzer eines 300 m langen Jettys und der ist ein Makrotauchplatz vom Feinsten. Die düstere Atmosphäre unter dem Jetty mit all seinen Pylonen, die das tiefgrüne Wasser durchschneiden, erinnern mich unweigerlich an den Navy Pier. Schon mein zweites Exmouth-Déjà-Vu während dieses Urlaubs. Allerdings sind die Pylone hier deutlich schöner bewachsen, an vielen haben sich Schwämme und Anemonen breitgemacht. Ich lasse mir Zeit und streife unter dem Jetty umher und lasse die Stimmung auf mich wirken.
Nach 40 min treffe ich auf die Kollegen, die in der Zwischenzeit schon nach dem Objekt der Begierde gesucht haben: Unter und um den Pier herum leben nämlich mindestens ein Dutzend besagter Fetzenfische, man muss die perfekt getarnten Drachen in den Seegrasbüschen nur finden. Die Suchaktion war erfolgreich und so sehen sich die beiden enttarnten Exemplare einem 40-minütigen Blitzlichtgewitter ausgesetzt, das sie mit stoischer Ruhe über sich ergehen lassen. Nachdem etwa 300 Aufnahmen im Kasten sind, ziehen wir weiter und erkunden noch das tiefe Wasser am Ende des Piers. Na ja, "tief" ist relativ, ohne Klappspaten schafft man hier keine 8 m, was lange Tauchgänge garantiert. Nach 100 Minuten tauche ich endlich auf und lasse mich vom Schlauchboot einsammeln.
Das Mittagessen wird schnell hinuntergeschlungen, denn ich kann es nicht erwarten, wieder ins Wasser zu kommen. Bei all den Fotomotiven und molligen 23 Grad Wassertemperatur fällt das ziemlich leicht. Das Spiel vom Morgen wiederholt sich, nur dauert der Tauchgang diesmal 2 1/2 Stunden. Neuer Rekord für mich. Danach schnell zurück zur Princess, Flasche gewechselt und direkt wieder rein. Beim letzten Tauchgang gehen wir noch auf die Suche nach "echten" Pferden, die es hier auch geben soll. Tatsächlich finden wir auch ein winziges Exemplar.
Ich würde ja gerne noch länger bleiben, aber nach einem weiteren 1 Std. 40 Min.-Tauchgang hämmert mich Rory vom Schlauchboot aus aus dem Wasser. Ende der Spaßveranstaltung, von Norden zieht ein Sturm auf, weswegen wir uns rechtzeitig auf den Rückweg nach Port Lincoln machen wollen. So geht nach fast 6 Stunden Tauchzeit, 50% mehr, als insgesamt an den 3 Tagen zuvor, ein fantastischer Tag zu Ende.
Der Sturm hat sich nur als laues Lüftchen erwiesen, wir sind von Tumby Bay direkt bis zur Seelöwenkolonie durchgebrettert, um erneut die Seelöwen zu bespaßen. Oder sie uns, man weiß da nie so genau, wer welche Rolle innehat. Nach ruhigem Start tollt in der 2. Hälfte auch ein Pack in der Seegraswiese herum und lässt uns ein bisschen interagieren. Sehr schöner Tauchgang und viel lustiger als an Tag 2.
Danach ist Landausflug angesagt, wir fahren zum Festland, um einen kleinen Spaziergang im Lincoln National Park zu unternehmen. Chris erzählt ein bisschen über die Entdeckung dieses Fleckchens Erde durch den britischen Seefahrer Matthew Flinders, der als erster den australischen Kontinent per Schiff umrundet und vielen Örtlichkeiten Südaustraliens ihren Namen gegeben hat. Angesichts von "Dangerous Reef", "Point Avoid" oder "Cape Catastrophe" kann man sich vorstellen, dass die rauhen Gewässer Südaustraliens nicht ganz ohne sind, schon gar nicht für die Seefahrer der damaligen Zeit.
Nicht ganz ohne geht es hier auch an Land zu, wie überall in Australien leben auch im Lincoln National Park allerhand Giftschlangen und -spinnen, allen voran die berüchtigte Braunschlange, die in Australien für den Großteil aller tödlich endenden Schlangenbisse verantwortlich ist. Also stapfen wir möglichst laut über die Trampelpfade, um alle Schlangen rechtzeitig zu vertreiben. Klappt hervorragend, vermutlich lässt sich aber deswegen auch weder Känguru noch Emu blicken, die hier ebenfalls vorkommen. Zum Abschluss stecken wir unsere Füße noch in den feinen, schneeweißen Sand am Strand der Memory Cove, bevor es zurück auf die Princess geht.
Weite Sprünge können wir heut nicht mehr machen, denn wegen Schichtwechsel auf der Princess müssen wir wieder nach Port Lincoln. Also geht es zum Tagesabschluss nochmal zu den Seelöwen. Die Sicht ist aber unterirdisch, man sieht die Hand vor Augen nicht, geschweige denn einen Seelöwen in einem Meter Entfernung. Also brechen wir das Tauchen ab, hocken uns eine halbe Stunde aufs Schlauchboot und springen dann nochmal nur in Schnorchelausrüstung rein, um die letzten 20 Minuten mit den Löwen herumzutollen.
Mangels Weißer Haie gibt es heute nochmal ein Alternativprogramm. Tourismus ist für Port Lincoln nur ein Nebenerwerb. Die Stadt verfügt über den größten natürlichen Tiefwasserhafen auf der Südhalbkugel und ist daher idealer Umschlagplatz für das auf der Eyre Peninsula angebaute Getreide. Die Stadt beheimatet außerdem die größte Fischereiflotte Australiens. Haupteinnahmequelle ist allerdings die Fischzucht. In großen, an Pontons befestigten Netzen, die aus dem Flieger überall auf dem Meer als gelbe Ringe zu erkennen sind, werden vor allem Blauflossenthun und Gelbschwanzmakrele gezüchtet. Einen dieser Pontons kann man auch als Touri besuchen, die Thune füttern und den ein oder anderen Fisch streicheln. "Swim with the Tuna" heißt die Veranstaltung und ist vor allem für Kinder ein großer Spaß. Die 100 AU$, die dieser Spaß den Erwachsenen kostet, übernimmt für uns netterweise Andrew Fox.
Mit dem Wassertaxi geht es um 10 Uhr zur Zuchtplattform und nach schnellem Anrödeln sind wir kurze Zeit später im Wasser. Leider ist die Sicht auch nicht viel besser als gestern bei den Seelöwen, maximal 3 m hat es. Ich drehe eine Runde um den Block, ohne was zu sichten. Nach der ersten Umrundung schmeißen von oben die nichttauchenden Besucher Häppchen ins Wasser und schwuppdiwupp, sind die Thune da. Wie es sich für einen Offenwasser-Bewohner gehört, flitzen sie so schnell durch die Gegend, dass man mit der Kamera kaum hinterher kommt, zumal man sie bei der miesen Sicht auch überhaupt nicht kommen sieht. Nach 40 min Tuna-Action wechseln wir in den Streichelzoo, denn auf dem Ponton hat es noch einen kleinen Tank mit Port Jackson-Haien als Stargast. Die kleinen Haie sind so an Menschen gewöhnt, dass sie einen ständig verfolgen und um Nahrung betteln. Das kann man sicherlich fragwürdig finden, aber trotzdem lasse ich mir die Chance nicht entgehen, um mal selbst herauszufinden, ob sich Haihaut tatsächlich wie Schleifpapier anfühlt. Tut sie.
Nach dem kurzweiligen dreistündigen Ausflug zu den Thunen stellt sich mittags die Frage, wie wir die letzten Tage gestalten. Es gibt die Möglichkeit, zunächst quer über den Spencer Gulf nach Port Hughes zu fahren, wo es einen der besten Tauchplätze Südaustraliens geben soll, was auch immer das heißt. Von da ginge es nochmal für zwei Tage an die Neptunes für einen letzten Versuch mit den Großen Weißen. Oder aber wir fahren direkt zu den Neptunes und haben dort noch einen Tag länger zur Verfügung. Zu meinem Leidwesen verliert die Port Hughes-Fraktion knapp mit 2:10 die Abstimmung, weswegen wir uns direkt auf den Weg nach Süden machen. Wir wollen schon um Mitternacht an den Neptunes sein, um mit dem Ködern zu beginnen. Ich bin zwar skeptisch, dass das irgendwas bringt, aber wir werden sehen.