Oktober 2017
Mit Schrubber und Wassereimer bewaffnet rückt die Crew der Yemaya während der (ziemlich ruhigen) Überfahrt dem Oberdeck zu Leibe, das danach in freundlichem Hellblau erstrahlt und nicht mehr in Schwarzblau, wie noch in Woche 1 auf Cocos. Geht doch! Die angedrohten 56 Stunden bleiben uns zum Glück erspart: Nach nur 42 Stunden (schon wieder!) kommt pünktlich zum Sonnenaufgang Malpelo in Sicht. Teil 2 unserer Cocos/Malpelo-Combo-Tour kann starten.
Als wir um die Ecke biegen, passieren wir die Maria Patricia, ein kolumbianisches Boot, von dem ich bisher nur Fotos gesehen habe, die schon Übles erahnen lassen. In der Realität sieht der Kutter noch schlimmer aus. Ich kann echt nicht begreifen, wie man mit so einem Seelenverkäufer aufs offene Meer rausfahren kann. Erst recht nicht, seit der Kahn letztes Jahr Ende August fünf Taucher verloren hat. Das war für mich auch ein Grund, jetzt nochmal nach Malpelo zu fahren, da zum Zeitpunkt der Buchung nicht abzusehen war, ob es zukünftig noch die Möglichkeit gibt, mit einer zuverlässigen Crew und einem Schiff, welches nicht nur vom Rost zusammengehalten wird, nach Malpelo zu kommen. Stand Januar 2018 sieht es diesbezüglich aber wieder besser aus, mit der "Planet" und der "Ferox" sind zwei neue Tauchsafari-Schiffe auf dem Markt, die die Lücke füllen könnten, die "Yemaya" und "Inula" hinterlassen. Diese werden ab 2018 nicht mehr fahren, da die kolumbianischen Behörden ab diesem Jahr nur noch Boote zulassen, die von Kolumbien aus starten, was i.d.R. Buenaventura bedeutet. Leider ist die Sicherheitslage dort nicht die beste, Buenaventura gehört immer noch zu den gefährlichsten Städten Kolumbiens, was wohl auch ein Grund dafür ist, warum "Yemaya" und "Inula" sich ein anderes Betätigungsfeld suchen. Der Ort gilt als Rückzugsort für den Rest der kolumbianischen Drogenkartelle, in dem Straßengangs ganze Stadtviertel beherrschen und brutale Bandenkriege an der Tagesordnung sind. Allerdings gibt es auch Berichte von Touristen, die eine entspannte Zeit in der Umgebung hatten. Wahrscheinlich muss man, wie überall, einfach wissen, wohin man gehen kann und wohin nicht. Ich renne auch nicht nachts alleine durch Köln-Ostheim.
Wir starten die Erforschung von Malpelos Tauchplätzen auf der Westseite am Platz La Nevera ("Der Kühlschrank"). An dem im 45-Grad-Winkel abfallenden Stein- und Geröllhang befinden sich einige Putzerstationen, an denen sich viel Fisch tummelt. Die mit den dreieckigen Flossen sind heute aber nicht dabei. Wir kämpfen uns gegen die Strömung zum Nordende der Bucht, wo eine Landzunge ins Freiwasser hinausführt. Immerhin begegnen wir dort noch einer Kleingruppe aus 5 Hammerhaien, aber insgesamt war der Start etwas zurückhaltend. Darf besser werden.
Ganz im Süden von Malpelo befinden sich einige kleine vorgelagerte Felsen. Der südwestlichste davon hört auf den schönen Namen La Gringa. Der negative Einstieg mit Kamera in der Hand scheint meiner Olympus nicht zu gefallen, denn unter Wasser verweigert sie den Dienst, jegliches Drücken irgendeines Knopfes quittiert sie mit unwirscher Untätigkeit. Ein jahrtausendealtes Naturgesetz besagt, dass man die besten Tauchgänge immer dann hat, wenn man sie nicht per Film oder Foto für die Nachwelt festhalten kann. Das scheint sich auch heute zu bestätigen, denn direkt beim Abtauchen kreiselt bei bester Sicht eine riesige Säule aus Großaugenmakrelen neben uns herum. Unreal! Aus dem Tunnel, der von der Westseite auf die Ostseite des Felsens führt, stürmen uns einige Black Jacks und Weißspitzen entgegen. Im Tunnel selbst sorgt im Schein der Lampen ein Schwarm Blau-Gold-Schnapper für einen grellen Kontrast zu der düsteren Umgebung. In dem tollen Licht am Ende des Tunnels kreuzt noch ein Galapagoshai unseren Weg und dann — passiert genau nichts mehr. Wir paddeln 20 min durchs Blauwasser in der Hoffnung, dass noch irgendetwas vorbeischwimmt, aber vergeblich. Tja, kann passieren, Naturgesetz-Mythos zerstört.
Weiter geht's am Altair de Virginia, in vielen Tauchplatzkarten auch als El Arrecife verzeichnet. Wie La Nevera auf der Westseite ist auch diese Bucht auf der Ostseite relativ geschützt und wäre problemlos auch im Buddy-Team zu betauchen, was aber auf der Yemaya unglücklicherweise grundsätzlich nicht erlaubt ist. Wir starten am Südende der Bucht, wo es sich in knapp 30 m Tiefe zwei knallorangene Anglerfische gemütlich gemacht haben. Vor 4 Jahren gab es hier noch keine. Frage mich, wo die herkommen, Anglerfische sind jetzt nicht gerade als ausdauernde Schwimmer bekannt. Vielleicht mit irgendeinem Tauchboot eingereist. Ansonsten ist der Altar noch eine sichere Sache für Schwarmfisch: Jordan-Schnapper, Lederzackis, Ozean-Drückerfische, Blau-Gold-Schnapper und Barrakudas – alles findet sich hier in stattlicher Anzahl. Am Nordende hat es sogar ein sehr schönes Korallenriff; der einzige Anflug von Korallen rund um Malpelo. Alles blitzt und strahlt, wobei das nicht nur von den Korallen kommt, sondern auch von der verloren gegangen GoPro, die mir zwischen den Korallen entgegenfunkelt. Die anschließende Sichtung des darauf enthaltenen Videomaterials fördert zwei Erkenntnisse zutage: Erstens scheinen manche Taucher mehr an Selfie-Videos als am Festhalten der sie umgebenden Unterwasserwelt interessiert zu sein. Zweitens ist in diesem Fall dieser Taucher Gast oder Guide auf der Maria Patricia. Da selbige aber schon heute Mittag Richtung Kolumbien abgedampft ist, erfreut sich jetzt jemand — zumindest für den Rest des Urlaubs — einer neuen Action-Cam.
Die ersten zwei, drei Tage dienen dazu, die Tauchplätze zu finden, an denen sich die Hammerhaie bevorzugt aufhalten. Unsere Suche starten wir an Tag 2 an der Ferreteria, Malpelos südlichstem Platz. Die "Eisenwarenhandlung" ist ein kleiner Unterwasserberg, der bis in 20 m unter die Wasseroberfläche reicht und den man während eines Tauchgangs 5x umrunden kann, wenn man auf Streckentauchen steht und wenn einen die Strömung nicht in einer Ecke festnagelt. Die Strömung nagelt aber gewaltig und wir gucken sowieso lieber den Tonnen von Fisch zu, die bewegungslos in selbiger stehen. Die Tüpfelmuränen, vor denen man sich auf Malpelo kaum retten kann, kuscheln sich hier im halben Dutzend zusammen in ein Loch. Nach 30 min ist es Zeit für den Abflug und das ist wörtlich zu nehmen. Bei unserem Flug durchs Blauwasser lassen wir einen Hammerhai stehen, aber sonst passiert nichts mehr. Ein jahrtausendealtes Naturgesetz besagt, dass man nie, nie, niemals die Kamera ausschalten darf, bevor man an der Bootsleiter ist, aber da der Mythos gestern schon zerstört wurde, packe ich bereits während des Safety-Stops zusammen. Falscher Ansatz, aus dem Nichts schießt plötzlich ein Rudel Delfine auf uns zu, verifiziert, dass wir größtenteils harmlos sind und dreht daher freundlicherweise noch einige Minuten lang ein paar Runden um uns herum, bis ihnen unsere albernen Bespaßungsversuche zu langweilig werden. Entzückend! Bezüglich des Mythbusting bin ich jetzt aber wieder unsicher.
Meine Unsicherheit bekommt wenig später an La Nevera neue Nahrung: Wieder gibt meine Kamera nach dem negativen Einstieg keinen Mucks mehr von sich. In Zukunft lasse ich mir das Teil wieder anreichen, wenn es die Welle zulässt. Wir hocken uns am Südende der Bucht in den Hang und warten. Schon nach wenigen Minuten zieht in dem heute klaren Wasser eine Schule aus 50 Hammerhaien genau auf unserer Höhe in Formation nah am Riff vorbei. Was für ein Anblick! Ein paar Galapagoshaie haben sich inkognito unter sie gemischt und sogar ein Schwarzspitzenhai (die Hochseevariante) ist dabei. Nachdem die Schule an uns vorbei ist, dreht sie um und kommt aus der Gegenrichtung nochmal zurück. Sehr zuvorkommend! Wie schon beim 1. Versuch an diesem Platz hangeln wir uns wieder am Hang entlang gen Norden. Während es gestern sehr ruhig war, turnen heute immer wieder Kleingruppen von Hammerhaien über und unter und um uns herum, mal im Blauwasser, mal am Riff. Knaller-Tauchgang!
Petrus meint es gut mit uns, die Sonne lacht vom Himmel herab. Den strahlenden Sonnenschein nutzt Adrian für einen Ausflug über die Insel. Natürlich per Drohne. Malpelo von oben ist schon ein toller Anblick! Eine Möglichkeit zum Besuch der Insel werden wir diesmal leider nicht haben, denn die kolumbianische Marine hat sich endlich erbarmt, den völlig verwitterten Ausleger zu erneuern, der die einzige Zutrittsmöglichkeit zur Insel darstellt. Während der Bauarbeiten ist kein Besuch der Tölpel, der Echsen und all der verlorenen Seelen, die in der Militärstation hausen, möglich.
Zum Tagesausklang geht's zum ersten Mal in den Norden. D'Artagnan ist ein alleinstehender Felsen, etwas südlich von den drei Musketieren. Bei meinem ersten Besuch vor 9 Jahren haben wir hier einen der skurrilsten Unterwasserbewohner gefunden. Gerne wäre ich auch diesmal wieder auf die Suche nach der Rotlippen-Seefledermaus gegangen, aber Reto, der in der 2. Woche unser Guide ist, erzählt beim Briefing, dass es vor Malpelo wahrscheinlich keine mehr gibt. Zumindest haben sie schon seit Jahren keine mehr gesehen. Vielleicht sind die Mäuse aber auch einfach nur in für Taucher unerreichbare Tiefen abgewandert, denn normalerweise leben sie ab 100 m abwärts. Auch ohne Fledermäuse ist D'Artagnan aber genial. Die Steilwand auf der Außenseite ist in eine Wolke aus Lederzackis und Barbier-Falterfischen gehüllt. Auf dem Meeresboden in 34 m Tiefe beobachten wir eine Schule Steuerbarsche bei der Abendtoilette. Im Gänsemarsch schwimmen sie einen Felsblock an, legen sich auf die Seite und scheuern ihre Schuppen an dem Fels entlang, um lästige Parasiten loszuwerden. Wir brechen auf in Richtung Aramis, dem westlichsten der drei Musketiere, und passieren auf dem Weg eine riesige Schule aus Großaugenmakrelen und eine noch viel riesigere Schule "Mullet Snapper", die selbst mit Fisheye nicht vollständig aufs Bild zu kriegen sind. Gigantisch! Wir driften an den Musketieren vorbei Richtung offenes Meer, aber bevor wir uns vom Skiff einsammeln lassen, startet Reto den Lockruf der Seidenhaie. Kräftiges Schlagen mit den Flossen auf die Wasseroberfläche weckt die Aufmerksamkeit dieses sehr neugierigen und überhaupt nicht schüchternen Hochseehais. Wir müssen auch nicht lange warten; schon nach ein paar Minuten umkreisen uns sechs Silkies und bescheren uns den perfekten Abschluss eines tollen Tauchtages.
Das Gegenstück zu den drei Musketieren im Norden sind die drei Könige (span.: "Los Tres Reyes") im Süden: Saul, Salomon und David. Regelmäßig betaucht wird eigentlich nur David. Beim Sprung vom Skiff landen wir mal direkt in einer Waschmaschine, die uns ein bisschen durch die Gegend wirft. Nachdem es alle ohne Anschlagen am scharfkantigen Fels da rausgeschafft haben, hängen wir uns an die Steilwand auf der Ostseite und warten. Reto knistert fleißig mit der Plastikflasche, welches neben dem Flossenklatschen ein weiterer bewährter Hai-Lockruf ist, aber außer einem einzelnen Galapagoshai springt keiner drauf an. Wenig später überquert 20 m über uns eine große Hammerhaischule unseren Beobachtungsplatz; auch von unten immer wieder ein toller Anblick. Wir verlassen David und paddeln durchs Blauwasser Richtung Bajon, einer kleinen Felsoase inmitten der Sandwüste zwischen David, La Gringa und Escuba. Vor vier Jahren war der Keller ein verlässlicher Treffpunkt für Galapagos- und Hammerhaie. Heute ist aber leider gar nichts los, sodass der Tauchgang nach gutem Start doch recht ereignislos bleibt.
Weiter geht's an der Puerta del Cielo, der südlichen Nachbarbucht von La Nevera. Gruppe Blau hatte hier gestern super Hammerhaibegegnungen, mal gucken, was die Himmelspforte für uns bereithält. Erstmal nüscht, am Nordende der Bucht ist 20 min lang tote Hose. Also paddeln wir zum Südende und hängen uns neben eine Putzerstation, vor der ein Galapagoshai hin und her patrouilliert. Nach ein paar Minuten des Wartens kommt von links eine Hammerhaischule ins Bild, was wir zum Anlass nehmen, ins Blauwasser zu starten und neben der Schule herzuspurten. Ziemlich sinnlose Aktion für meinen Geschmack, denn überraschenderweise können die Haie viel schneller schwimmen als wir und Hammerhaie mögen es auch überhaupt nicht, wenn man auf sie zuschwimmt und hauen dann normalerweise ab. Während wir versuchen, wieder zu Atem zu kommen, dreht die Schule netterweise um, kommt wieder zurück und zieht unter uns in Richtung Süden davon. Ausnahmsweise gibt der Blick von oben mal was her, denn gegen den weißen Sand heben sich die Haie ab wie die Schokoladenstücke im Stracciatella-Eis. So wird es am Ende noch ein schöner Tauchgang.
Der Altair de Virginia hält am Nachmittag außer einer Kröte beim Nachmittagssnack, die sich in ihrer Nahrungsaufnahme auch von unserem Blitzlichtgewitter nicht stören lässt, keine wesentlichen Neuerungen bereit. Neu ist dagegen die Motivation der Crew: Unsere Hinweise haben gefruchtet, der Service ist viel besser als in der Vorwoche. Jeden Abend wird jetzt das Deck geschrubbt, sodass man nicht mehr als Schwarzfußindianer ins Bett muss, und auch der Klopapiereimer wird jetzt 2x täglich geleert und nicht mehr alle zwei Tage. Darf so weitergehen!
Das Gute am Tauchen in Badebux und T-Shirt ist, dass man bei Magen-/Darmproblemen keine Sorge haben muss, seinen Neo zu verunreinigen. Natürlich sollte man auch mit der Strömung kacken, man pinkelt ja auch nicht gegen den Wind. Damit wäre mein Highlight des ersten Tauchgangs an La Nevera auch schon vollumfänglich beschrieben. Leider.
Das Schlechte am Tauchen in Badebux und T-Shirt ist, dass es unterhalb einer Sprungschicht etwas frisch am Körper wird. Bisher hat uns Malpelo mit Temperaturen um 25°C davor verschont, aber an Bajon ist es jetzt so weit: Nach dem direkten Sturzflug zum Meeresboden hocken wir uns in 35 m Tiefe auf die Felsen. Die 22°C Wassertemperatur kriechen alsbald unangenehm unter das Segelhemd. Immerhin wird die Friererei mit einer großen Hammerhaischule belohnt, die einige Minuten lang über uns in der Strömung steht. Im wahrsten Sinne des Wortes sehr cool!
"Same procedure wie vorgestern" dann an D'Artagnan, nur dass heute leider die "Mullet Snapper" fehlen. Dafür gibt's beim abschließenden Silky-Flüstern noch ein paar Seidenhaie mehr. Klasse!
Nach dem erfrischenden Tauchgang an Bajon gestern, gehe ich heute lieber zum ersten Mal mit Neo ins Wasser. Gute Entscheidung, auch wenn es mit 24°C deutlich wärmer ist als gestern. Reto hat wieder die Flasche dabei und heute klappt es: Jede Menge Galapagoshaie fühlen sich zu uns hingezogen und kommen ganz nah ran. So ist es auch ohne Hammerhaie ein prima Tauchgang.
Vor dem Mittagessen gibt es dann Streckentauchen durchs Blauwasser, von La Gringa nach Escuba und zurück zu Bajon. Der Erfolg der nervigen Paddelei ist überschaubar, ein einzelner Mobula kreuzt unseren Weg. Der ist dafür ziemlich neugierig und kreiselt 5 Minuten lang um uns rum. Ansonsten aber ein Abstieg der schwachen Sorte.
Toll ist dann der Tagesabschluss: Durch Porthos, den mittleren der drei Musketiere, führt von Süd nach Nord ein Tunnel, der in Taucherkreisen auf den schönen Namen La Catedral getauft wurde. Damit wir uns beim Fotografieren nicht in die Quere kommen, durchqueren wir diesen einzeln. Zu fotografieren gibt es einiges, größe Schulen Jordan-Schnapper und Blau-Gold-Schnapper stehen im Tunnel und sorgen für eine einmalige Atmosphäre. Ab und zu trifft man auch auf Weißspitzenriffhaie und Adlerrochen. Am liebsten würde ich den ganzen Tauchgang hier drin bleiben, aber Reto hat andere Pläne. Nach Verlassen der Kathedrale wenden wir uns nach Süden und tauchen Richtung D'Artagnan. Unangenehm fallen die ganzen Angelleinen auf, die sich um die Felsen gewickelt haben. Das tut schon in der Seele weh und man ist immer versucht, sein Messer zu schnappen und die Leinen abzuschneiden, aber das ist während eines normalen Funtauchgangs ein relativ aussichtsloses Unterfangen. Es ist schon eine Schande, dass die kolumbianischen Behörden viel Geld für das Tauchen im UNESCO-Weltnaturerbe Malpelo verlangen, auf der anderen Seite aber nicht konsequent gegen die illegale Fischerei vorgehen. Wenn man dem Park Ranger, der zeitweise auf der Insel stationiert ist, zuhört, welche bürokratischen Hürden es da gibt, kann man nur den Kopf schütteln. Eigentlich sollte man meinen, dass die kolumbianische Marine, die einen Posten auf der Insel hat, gegen die illegalen Fischer vorgehen sollte. Tut sie aber nicht, sie hat ganz andere Aufgaben (z.B. Sicherung des kolumbianischen Territoriums und Bekämpfung des Drogenschmuggels). Die illegale Fischerei interessiert sie überhaupt nicht. Das geht sogar so weit, dass das kolumbianische Ministerium für Ökologie (vergleichbar unserem Umweltministerium) ein Boot zur Überwachung des Meeresgebiets um Malpelo angeschafft und der Marine übergeben hat. Die Marine hat sich bedankt, ist einige Monate lang Patrouille gefahren und hat das Boot dann abgezogen, da sie es woanders besser brauchen könne. Willkommen in Südamerika! Da fragt man sich, was passieren würde, wenn keine Tauchboote mehr Malpelo anfahren würden. Der Park Ranger meint zwar, die Boote hätten keinen Einfluss auf das Ausmaß der illegalen Fischerei, aber für uns hat er diese Meinung exklusiv.
Viel zu schnell ist die Tauchwoche vergangen. Den letzten Tag starten wir mit einer Wiederholung des La Gringa-Tauchgangs von Tag 1. Leider ist heute absolut toteste Hose, keine Makrelen im Blauwasser, keine Schnapper im Tunnel, keine Galapagoshaie an der Wand und keine Hammerhaie im Blauwasser. Absolut kein gar nix. Enttäuschend.
Besser dann der Abstieg vorm Mittagessen an Bajon: ein Adlerrochen beim Abtauchen, eine Kröte am Meeresboden, oben rum eine riesige Hammerhaischule und reichlich Galapagoshaie direkt vor unserer Nase. Schön!
Den Tauchplatz für den letzten Tauchgang dürfen wir uns aussuchen und nach einigem Hin und Her und viel Diskutiererei einigen wir uns schließlich auf den Altair de Virginia — sofern man bei einem 5:3-Abstimmungsergebnis von "Einigung" reden kann. Kein Wunder, dass es mit der EU nicht vorwärts geht, wenn man nicht mal 8 Leute unter einen Hut kriegt. Adrian und ich setzen uns relativ schnell in die trübe Drecksschicht Richtung 40 m-Marke ab, da wir lieber nochmal nach Hammerhaien Ausschau halten wollen, anstatt mit der Nase im Sand nach Anglerfischen zu gucken. Wir haben auch Glück, es kommen immer mal wieder drei Individuen vorbei, darunter ein Baby-Hai, voll süß! Dazu hat es einige Fadenmakrelen, was insofern ein Highlight ist, als dass ich diese wuschligen Kollegen in 20 Tauchjahren erst einmal gesehen habe. Nach 10 min in der 21 Grad kalten Drecksschicht geht es wieder nach oben, wo es bei Schnapper- und Barrakudaschwärmen und einer Gruppenfoto-Session, die etwas im Chaos endet, noch einen schönen Abschluss gibt.
Unmittelbar nach dem Tauchgang packen wir zusammen. Die GoPro wird dem Park Ranger übergeben, der sie irgendwann dem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben wird (so zumindest der Plan), der sich telefonisch bei den Behörden gemeldet hat. Bis Panama sind es gut 40 Stunden, wenn es gut läuft. Gut laufen auf jeden Fall nach getaner Arbeit die Deko-Biere und Cuba Libres die Kehle hinunter.
Wetter und Welle sind uns hold, das Meer ist ruhig, die Sonne scheint, sodass es zügig vorwärtsgeht und die Tauchklamotten rechtzeitig trocken werden. Das Fazit der Tour fällt gemischt aus. Es hat wieder sehr viel Spaß gemacht und wir hatten auch einige gute Sichtungen, aber nichtsdestotrotz war dies der schwächste meiner bisherigen 3 Malpelo-Besuche. Hammerhai-Nahbegegnungen hatten wir praktisch gar nicht, diesbezüglich war Cocos besser. Auch die Schulen waren bis auf Tag 2 an La Nevera immer weit weg. Wobei das natürlich Jammern auf hohem Niveau ist, man kann sich ja schon glücklich schätzen, überhaupt mal eine Hammerhai-Schule zu sehen. Nichtsdestotrotz ist Malpelo für mich immer noch ein faszinierendes Tauchrevier und bleibt auf jeden Fall auf meiner Liste der auch in Zukunft zu besuchenden Ziele. Dann aber wieder zur "Silky Season" im Mai/Juni.
Pünktlich am frühen Morgen treffen wir in Puerto Mutis, einem kleinen Fischerdorf am Pazifik, ein. Der Bustransfer nach Panama City dauert dank des Feiertages, der die beiden Straßen von und nach Panama City in einer Blechlawine ersticken lässt, sieben statt der geplanten vier Stunden. Das passiert hier öfter, von daher ist es eine gute Idee, auf dem Rückweg einen Flug nach 18 Uhr zu buchen, wenn man noch am selben Abend zurückfliegt. Letztendlich schaffen es alle pünktlich in ihre Flieger, sodass ein ganzes Wochenende bleibt, um den Jetlag loszuwerden und Pläne für die nächste Tour Richtung Ostpazifik zu schmieden.