Moto im Süden Fakaravas

Französisch-Polynesien 2022 – Tauchsafari Tuamotus

September 2022

Genauso butterweich wie die Air France vor 13 Jahren setzt der Dreamliner von United abends um kurz vor 19 Uhr in Papeete Faa'a auf Tahiti auf. Trotz der 12 Stunden Zeitverschiebung fühle ich mich erstaunlich fit, was wohl der erholsamen Zwischenübernachtung in San Francisco geschuldet ist, die wir aufgrund des United-Flugplans einlegen mussten. Angesichts des nur halb so hohen Flugpreises gegenüber Air France (1330 vs. 2900 EUR) haben wir die 75$ pro Nase für ein weiches Hotelbett sehr gerne investiert.

Am Ausgang des Terminals erwartet uns schon ein Vertreter von Tahitui Nui Travel (TNT), die die Vor-Ort-Organisation in ihren Händen halten. Mit Ausnahme der freundlichen Begrüßung ist der Mensch aber leider in keinster Weise hilfreich. Weder hat er Voucher und Fährtickets parat, noch kann er uns sagen, auf welchen der vier morgigen Flüge nach Fakarava wir gebucht sind. Also müssen wir morgen früh wohl telefonieren und richten uns darauf ein, um 10:30 Uhr wieder am Flughafen zu sein, da um 12:20 Uhr der erste Flieger Richtung Fakarava abhebt.

Per Taxi geht es schließlich zu unserer Unterkunft, dem Fare D'hôtes Tutehau im Viertel Fariipiti. Bei dem von einem französischen Ex-Profi-Basketballer geleiteten B&B handelt es sich um ein Privathaus mit mehreren Gästezimmern, die sich um ein großes Wohnzimmer gruppieren und ein Badezimmer teilen. Die Hauptsache ist, dass die Betten bequem und die Kopfkissen flauschig sind, so dass wir auch bei unserer 2. Übernachtung auf dem langen Weg zu den Tuamotus schnell in den Schlaf finden.

Tag 1: FR, 16.09., Tahiti → Fakarava

Wir haben gerade unser Frühstück und das Telefonat mit dem TNT-Büro beendet, als sich die Gartenpforte öffnet und ein Moped-Kurier hereinschneit, der sich uns als "TNT Transportation Manager" vorstellt und uns die fehlenden Unterlagen überreicht. Läuft! Wir verfolgen noch im Live-Ticker die knappe EuroBasket-Halbfinalniederlage gegen Spanien, bevor wir uns wieder ins Taxi setzen und zurück zum Flughafen düsen. Dort wartet schon der traurige Rest der ursprünglich 10 Menschen, die vor 3 Jahren auf Kwajalein die Idee zu dieser Tour hatten. Aufgrund von Unfällen und Krankheiten mussten letzte Woche leider 4 Teilnehmer kurzfristig absagen, so dass wir nur noch zu sechst auf dieser Tauchertraum-Gruppenreise sind, davon die Hälfte aus der Originalbesetzung von 2019.

Da Air Tahiti nur 6 kg Handgepäck, aber bei Vorlage des Tauchscheins 25 kg aufgegebenes Gepäck erlaubt, packen wir noch schnell kreativ um, bevor es mit der ATR 72-600 in 75 Minuten Flugzeit nach Fakarava geht. Dann braucht es nur noch eine kurze Busfahrt zum Pier von Rotoava, dem mit 400 und ein paar zerquetschten Einwohnern größten Ort des Atolls, und schon haben wir nach 39 Stunden Anreise (Tür zu Tür) unser Ziel erreicht.

Die 2019 in Frankreich gebaute Aquatiki III ist ein 20 m langer und 9,80 m breiter Katamaran der Alegria 67-Klasse. In ihren unter Deck verorteten 5 Kabinen kann sie bis zu 10 Gäste beherbergen, die von einer 4 Menschen starken Besatzung betreut werden. Die Kabinenausstattung umfasst ein Doppelbett, ein eigenes Badezimmer, deutsche Stecker, USB-Anschluss, einen brüllend lauten Ventilator, und jede Menge Verstauraum. Eine individuelle regelbare Klimaanlage ist nicht vorhanden, wird aber normalerweise auch nicht vermisst. Bei dem meist windigen Wetter reicht das Öffnen der Dachluke, um für eine angenehme Raumtemperatur zu sorgen. Zumindest gilt das für die vier an den Seiten liegenden, vom Salon aus erreichbaren Kabinen. Die fünfte Kabine ist über eine enge Treppe vom Heck des Bootes aus zugänglich und besitzt weder Tageslichtfenster noch eine Dachluke. Sie fällt daher in meinen Augen gegenüber den anderen Kabinen deutlich ab. Da wegen des Ausgangs zum Heck kein Lüftchen in sie hineinweht, hilft hier gegen die Hitze nur das Anstellen des Ventilators und das Anziehen des hoffentlich mitgebrachten Gehörschutzes. Insgesamt sind die Kabinen schon schick; allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, dass es zu zweit vermutlich etwas beengt zugeht. Insbesondere das Doppelbett hat nicht gerade King Size-Maße. Immerhin kann man in der Mitte eine Art Trennwand einstecken, um ein bisschen mehr Privatsphäre zu schaffen, wenn man seinen Mitbewohner nicht so gut kennt. Da Zweidrittel von uns aber wegen der verringerten Teilnehmerzahl in den Genuss einer Einzelbelegung kommen und das andere Drittel auch in der Realität zusammenlebt, kommt die Privatisierungsvorrichtung auf unserer Tour nicht zum Einsatz.

Das Hauptdeck des Bootes besteht aus offener Küche, Salon (ein großes Wort für einen kleinen Tisch mit 4 Plätzen), Essbereich und dem, was man auf Safaribooten normalerweise als "Tauchdeck" bezeichnet. Wenn man ehrlich ist, ist ein solches auf der Aquatiki III nicht vorhanden, doch dazu später mehr. Auf dem Oberdeck findet man 4-6 Liegeflächen für die Sonnenanbeter und ein paar schattige Sitzplätze für diejenigen, die die Sonnencreme vergessen haben oder sowieso keinen Wert auf vorzeitige Alterungsprozesse der Haut legen. Haupt- und Oberdeck sind insgesamt ebenfalls schick und gut in Schuss, und auch bei Vollbelegung wird hier kein Platzmangel herrschen. Mit nur 6 Gästen sowieso nicht.

Nach dem Bootsbriefing düsen wir ab gen Süden: Durch die Lagune nähern wir uns in 5 Stunden Schleichfahrt dem Süd-Kanal Fakaravas, wo wir die nächsten 3 Tage verbringen werden. Unterwegs gibt es noch das allgemeine Tauchbriefing, das mich leicht skeptisch zurücklässt:

  • Getaucht wird nur in der gesamten Gruppe, Tauchen in Buddy-Teams ist nicht erlaubt.
  • Jeder Taucher hat einen Maximalabstand von 15 Metern zum Guide einzuhalten. Betonung auf "Guide", nicht auf "nächstes Buddyteam" (die es wegen des Tauchens in der Gruppe offiziell eh nicht gibt). Das kann ja heiter werden, mal schauen, wie ernst diese Ansage tatsächlich genommen wird.
  • Jeder Taucher hat dem Guide bei jedem Tauchgang anzuzeigen, wenn sein Flaschendruck 100 bar bzw. 50 bar erreicht hat. Gleiches gilt für das Erreichen von 5 Minuten verbleibender Nullzeit. Klingt ein bisschen nach OWD-Kurs.
  • Die maximale Tauchzeit beträgt 60 Minuten oder wird vom Taucher mit dem höchsten Luftverbrauch bestimmt. D.h. sobald der erste Taucher im roten Bereich ist, taucht die gesamte Gruppe auf.
  • Wird man von der Gruppe getrennt, guckt man für maxmimal eine Minute und taucht dann auf. Der Guide samt Restgruppe tut das gleiche. Nach Wiedervereinigung kann man dann ggf. zusammen weitertauchen.
  • Kanaltauchgänge finden aus Sicherheitsgründen nur bei einlaufender Strömung statt, also bei Flut, so dass man wenigstens nicht im offenen Meer endet, falls man abgetrieben wird. Das heißt auch, dass das Zeitfenster für Kanaltauchgänge beschränkt ist.
  • In der Regel werden auf der Aquatiki nur 2 Tauchgänge am Tag angeboten. Da das Boot nur ein Dinghi hat, welches die normalerweise in zwei Fünfergruppen aufgeteilte Taucherschar zu den Tauchplätzen befördert, ist es nicht möglich, 3 Tauchgänge in das beengte Zeitfenster zu quetschen. Der zweite Grund ist, dass die Zeit für das Füllen aller Flaschen nicht reicht. Da wir jedoch nur zu sechst sind und das Dinghi daher nur 1x rausfahren muss, können wir an Nicht-Transfertagen bis zu 3x ins Wasser springen.
  • Beim ersten Tauchgang morgen dürfen wir beweisen, dass wir unsere Maske ausblasen und unseren Atemregler wiedererlangen können. Langsam finde ich es schon richtig albern, aber vielleicht muss man in Franz-Pol beim Mietwagenverleih auch vorführen, dass man einen Blinker setzen kann, bevor man losfahren darf? Wenn ich wenigstens zeigen müsste, dass ich eine Boje schießen kann, ohne mich zu ertränken, fände ich das angesichts der strömungsreichen Tauchgänge, die uns hier erwarten, ja noch sinnvoll. Aber Maske ausblasen? Ernsthaft?
  • Ja, ernsthaft, wegen Sicherheit und so. Sicherheitshalber wird aber ansonsten bzgl. Sicherheit nichts gesagt, weder über persönliche Notfallsysteme (bspw. Nautilus Lifeline oder ENOS), noch etwas über die Sicherheitsausstattung des Bootes (Sauerstoff, Funk, Schwimmwesten, Rettungsinsel, Notfallprozeduren, etc.). Wobei ich nicht bezweifle, dass Letzteres alles vorhanden ist. Es wird auch kein Sicherheitsdrill durchgeführt, wie ich es von anderen Booten kenne, die im Pazifik operieren.

Nach dem Tauchbriefing bauen wir noch unsere Ausrüstung zusammen, wobei wir die Besonderheiten des Aquatiki-"Tauchdecks" und seiner Ausstattung kennenlernen:

  • Zur Verfügung stehen 12- und 15-Liter-Stahlflaschen, die so schwer sind, dass man von seiner üblichen Bleimenge 2-3 kg abziehen kann. Die Flaschen haben zwei DIN-Ventile, wie man sie auch vom Kaltwassertauchen aus deutschen Seen kennt. Ist man jedoch als Tropentaucher nur 1-Ventil-Flaschen gewöhnt, so ist das Öffnen des einen Ventils erstmal ungewohnt (zum Jacket hin statt vom Jacket weg). Beide Ventile haben M26-Gewinde, auf die ein Standard-DIN-Regler mit seinem M25-Gewinde nicht passt. Es werden Adapter zur Verfügung gestellt, die an das ungewohnt zu öffnende Ventil montiert werden, da das andere zum Füllen der Flaschen besser erreichbar ist. Dass ich das hier so ausufernd erwähne, lässt schon ahnen, dass dieses Setup in den kommenden Tagen noch zu Komplikationen führen wird. Und es heißt auch, dass man einen INT-Regler mit einem Standard-DIN-Adapter nicht tauchen kann, sondern sich dann einen Regler vom Boot leihen muss. Wobei man das auch nicht besser verdient hat, wenn man sich in Deutschland einen INT-Regler zulegt. Grüße gehen an dieser Stelle raus an Wolle!
  • Die Tauchflaschen sind nur von dem Heckaufzug erreichbar, mit dem das Dinghi zu Wasser gelassen wird. Der Boden dieses Aufzugs sieht aus wie der Lattenrost meines Futon-Bettes. Man sollte also tunlichst keinen Kleinkram fallen lassen, wenn man ihn nicht auf ewig in den Tiefen des Pazifiks versinken sehen möchte. Das ist insbesondere an den Plätzen von Bedeutung, an denen man direkt vom Boot aus springt und nicht vom Dinghi, weil man sich dann auf diesem Lattenrost anrödeln muss und sitzend ins Wasser hinabgelassen wird.
  • Die Bügel zum Aufhängen der Neos sind für Menschen unter 1,80 m Körpergröße schwer zu erreichen, da eine Bank den Zugang versperrt. Rechtzeitig vorher mit Stretching-Übungen anfangen! Oder mindestens Eins-achtzig sein.
  • Für das Tauchzubehör wie Maske, Schnorchel, Haube und Computer werden Taschen zur Verfügung gestellt, die man in einer Ecke seiner Wahl auf dem Deck ablegt. Kisten, die unter den Bänken deponiert werden, so wie auf anderen Booten, gibt es nicht, da die Staufächer unter den Bänken für Lebensmittel benötigt werden.
  • Zum Spülen der Ausrüstung gibt es eine Plastikkiste, die sich Kameras und alles andere teilen, sowie einen Schlauch. Auf einem kleinen Regal finden 2 Kameras Platz. Überschüssige Kameras nimmt man mit in die Kabine oder lagert sie unter der Treppe zum Oberdeck.

Insgesamt ist das "Tauchdeck" schon sehr anders als das, was man von Safaribooten sonst so kennt. Das ist vermutlich dem beschränkten Platz geschuldet, den ein 20 m-Katamaran bietet. Es ist alles kein Drama, aber man muss sich schon ein bisschen umgewöhnen.

Na, dann schauen wir mal, wie Tim und Cyril, unsere beiden Guides, die sich bei unseren Ausflügen abwechseln werden, den Tauchbetrieb in den nächsten 2 Wochen handhaben werden. Eher laissez-faire oder eher Polizeistaat?

Tag 2-4: 17.-19.09., Fakarava Süd

Unsere ersten drei Tage verbringen wir an Tumakohua, dem Süd-Kanal Fakaravas, der gleichzeitig auch der südlichste Punkt unserer Safariroute ist. Vor 13 Jahren habe ich hier fantastische 4 Tauchtage gehabt und mir eigentlich nicht träumen lassen, dass ich nochmal wiederkomme. Die angrenzende Insel, auf der auch das Tetamanu-Resort liegt, ist kaum wiederzuerkennen, es wurde kräftig gebaut. Mit der Einsamkeit von damals ist es auch vorbei; inzwischen fahren auch Schnellboote von Rotoava aus den Süd-Kanal für Tagestouren an. Ob von dem Taucherauflauf unter Wasser was zu spüren ist, wird sich zeigen.

Wie schwer die Stahlflaschen sind, bekomme ich beim Check-Tauchgang direkt zu spüren, denn nach dem Sprung ins Wasser sinke ich total überbleit wie ein Stein. Dass zu meiner Überraschung der Druckausgleich nicht direkt funktioniert, quittiert mein Ohr mit einem stechenden Schmerz. Nachdem ich mich sortiert habe und alle unfallfrei ihre Maske ausgeblasen und ihren Atemregler wiedererlangt haben, können wir uns der Unterwasserwelt widmen. Der ausgedehnte Steinkorallengarten macht immer noch einen hervorragenden Eindruck, wenn er mir auch nicht mehr ganz so hervorragend vorkommt, wie damals. Kann Einbildung sein, aber ich meine auch hier Spuren von Korallenbleiche auszumachen, wie sie leider heutzutage ja fast überall auf der Welt auftritt. Haitechnisch ist gar nichts los, wo ist denn diese "Wall of Sharks" geblieben? Na ja, kann noch kommen, es war ja nur ein erstes Schnuppern.

Die Aquatiki III vor Anker im Tumakohua-Kanal. © Silke Reidl Die beim Check-Tauchgang provozierten Ohrenschmerzen werden so stark, dass ich die beiden restlichen Tauchgänge lieber auslasse und es erst am nächsten Morgen für mich weiter geht. Bei einlaufender Strömung springen wir draußen im Blau am Kanaleingang. Nach nicht ganz 30 Sekunden verabschiedet sich Jürgen mit leerer Flasche wieder nach oben. Da ist wohl beim Füllen und beim Kontrollieren des Flaschendrucks was schief gegangen. Nach einer Minute zeigt mir Kirsten auf 20 m Tiefe, dass sie keine Luft bekommt und hängt sich an meinen Occi. Nach etwas Nesteln am Flaschenventil stellt sich heraus, dass es bis auf eine Viertelumdrehung zu ist und nicht auf, was man an der Oberfläche beim Test-Atmen nicht merkt, wenn man mit diesen elendigen Sendern unterwegs ist. Später schwört sie Stein und Bein, dass sie das Ventil aufgedreht hat. Wenn dem so ist, kann es ja nur jemand anderes wieder zugedreht haben. Deswegen hasse ich es, wenn mir auf dem Dinghi vor dem Sprung ins Wasser noch jemand von der Crew am Ventil rumfummelt, wie es aus sicher gut gemeinten Gründen auf vielen Tauchbooten üblich ist. Nur blöd, wenn derjenige dann selbst nicht die richtige Drehrichtung verinnerlicht hat.

Durch die Nestelaktion verlieren wir etwas den Anschluss zum Guide, was aber nicht viel macht, denn er irrt ein wenig durchs Blau, vom Riff fehlt weit und breit jede Spur. Nach 15 Minuten stellt er fest, dass wir nur noch zu sechst sind und taucht dementsprechend auf. Wir holen uns schnell eine Schelte ab, dass wir den Anschluss nicht gehalten haben, denn nur durch unsere Trödelei haben wir nicht die richtige Strömung in den Kanaleingang erwischt. Die Ohne-Luft-Situation hat er genauso wenig mitgekriegt wie Jürgens Verschwinden gleich am Anfang. Der ist in der Zwischenzeit mit neuer Flasche ausgerüstet. Wir lassen uns also vom Dinghi nochmal zur richtigen Position befördern und schaffen es nach dem Sprung tatsächlich in den Kanaleingang. Das Haiaufkommen ist etwas besser als gestern, aber immer noch vergleichsweise dünn. Ähnlich verhält es sich mit sonstigem Fisch. Am Spannendsten ist noch die Frage, ob sich der Schiffshalter, der uns den halben Tauchgang lang verfolgt, endlich entschließt, bei jemandem anzudocken oder doch aus eigener Kraft weiter fortbewegen möchte.

Wir tauchen nur etwa 50 m von der Aquatiki entfernt auf, wuchten uns aufs Dinghi und legen die Ausrüstung ab. Schon der Anhalter mahnte, dass man immer wissen sollte, wo sein Handtuch ist, weswegen Silke auf die verrückte Idee kommt, die 50 m zurückzuschwimmen und dabei auf die Suche nach dem ihrigen zu gehen, das es gestern von Bord geweht hat und jetzt irgendwo in der Nähe des Bootes in 3 m Wassertiefe herumliegt. Noch verrückter ist, dass sie es als ehemalige Leistungsschwimmerin dann auch noch eigenständig vom Meeresboden holt. Was folgt, ist ein Anschiss von Käpt'n Thierry und beim Frühstück eine Belehrung von Tim, wie sie auf die Idee komme, nach einem Tauchgang Sport und Apnoe-Tauchen zu betreiben. Das sei aus Sicherheitsgründen wegen der Gefahr eines Dekompressionsunfalls strikt verboten. Ihr Einwand, dass 50 m Schwimmen nichts mit Sport und einmaliges Abtauchen auf 3 m nichts mit Apnoe zu tun hat, resultiert in einer weiteren Belehrung durch Cyril. Es wird schließlich etwas laut, da wir hier keine Schulstunde abhalten, sondern einfach nur in Ruhe frühstücken wollen. Was wir dann endlich auch tun.

Beim Nachmittagstauchgang springen wir innen und paddeln in Streckentauchmanier kreuz und quer und hin und her durch den Kanal auf der Suche nach dem Hai. Die Suche ist auch partiell erfolgreich, es ist deutlich mehr los als ich gestern und heute Morgen gesehen habe. Wird langsam!

Am Abend wartet ein besonderes Schmankerl: Nachttauchgang vor dem Strand in der Nähe des Resorts. "Schmankerl" deswegen, weil hier des Nachts die Grauen Riffhaie auf Jagd gehen. Eigentlich steht dieser Tauchgang nicht offiziell auf dem Programm der Aquatiki; die Crew bietet das für uns nur netterweise auf spezielle Anfrage von Michael an. Beim Briefing bekommen wir allerdings den Eindruck, dass sie das etwas widerwillig tut, denn was wir da zu hören bekommen, lässt einen daran zweifeln, dass man es lebendig wieder nach oben schafft. Folgerichtig lehnen Diana und Kirsten dann auch dankend ab. Damit aus einem gesetzlich verbotenen Nachttauchgang ein erlaubter "Sunset Dive" wird, springen wir ganz knapp vor Sonnenuntergang ins Wasser. Thierry begleitet uns mit sichtlicher Lust auf die kommenden 40 Minuten. Wir cruisen erstmal 15 Minuten lang durch die Gegend und verfolgen im Schein der Lampen die ca. 50-100 jagenden Grauen Riffhaie (es zählt sich so schlecht im Dunkeln). Vielleicht verfolgen die Haie aber auch den Schein unserer Lampen, so ganz ersichtlich ist das nicht. Ein- zweimal geht es ordentlich zur Sache, wenn sich die Knorpelfische in die Löcher der Korallenblöcke zwängen und sich um einen verlorenen Doktorfisch kloppen. Großartiges Schauspiel! Außer für den Doktorfisch natürlich. Nach 15 Minuten hocken wir uns in den Sand, Schulter an Schulter und Knie zusammen, damit kein Verfolgter zwischen unseren Beinen Schutz suchen kann, mit einem hungrigen Elasmobranchier im Schlepptau. Fotografiert und gefilmt wird in John-Wayne-Gedächtnismanier mit eng am Körper bleibenden Armen aus der Hüfte heraus, damit die Extremitäten nicht Opfer eines nach Beute schnappenden Hais werden. Die Gefahr besteht aber heute nicht, denn die Grauen kreiseln ziemlich emotionslos um uns herum. Weitere Jagdszenen bleiben aus, so dass wir nach 40 Minuten mit leuchtenden Augen auftauchen. Geiler und gleichzeitig entspannter Tauchgang; nicht viel anders als die nächtliche Weißspitzenhatz vor Cocos Island. Der Meinung schließen sich beim Blick auf das Videomaterial auch die an Bord Gebliebenen an, was schon noch ein wenig Ärger über das angsteinflößende Briefing aufkommen lässt. Allerdings wissen wir ja auch nicht, ob es hier immer so entspannt zugeht, wie bei uns heute. Wie ich später erfahre, hat es bei dieser Aktion tatsächlich schon Unfälle mit Verletzten gegeben, weswegen ich im Nachhinein die mäßige Begeisterung der Guides sogar ein bisschen verstehen kann.

Der letzte Tag am Süd-Kanal hält noch zwei schöne Tauchgänge mit großen Fischschwärmen für uns parat. Auch das Haiaufkommen nimmt weiter zu mit vielen Grauen und vereinzelten Silberspitzen. Um einen großen Korallenblock kreiseln drei Dutzend Graue herum, als ob jemand einen Köder dort platziert hätte. Sie warten aber wohl nur darauf, einige Reste von den Fischen zu ergattern, die ein paar Weißspitzen dort zerlegen. So wird es noch ein schöner Abschluss unserer drei Tage hier, auch wenn sie leider nicht ganz die zugegebenermaßen hohen Erwartungen erfüllen konnten. Immerhin hat sich trotz der Schnellboote kein Ägypten-Feeling eingestellt, unter Wasser haben wir keine anderen Tauchgruppen gesehen.

Nach Tauchgang 2 machen wir uns auf gen Nordosten. 10 Stunden dauert die ruppige Fahrt bei rauer See, bis wir abends um 22 Uhr endlich das 75 km entfernte Kauehi-Atoll erreichen, wo es morgen weitergeht.

Tag 5-7: 20.-22.09., Kauehi

Viele kleine, nicht schiffbare Kanäle verbinden die Lagune mit dem offenen Ozean. © Silke Reidl Wie andere Atolle der Gemeinde Fakarava hat auch Kauehi seit 1977 den Status eines UNESCO Biosphärenreservats. Die Lagune ist mit 320 km² Wasserfläche nur etwa ein Viertel so groß wie die Fakaravas; die Landfläche ist mit 15 km² dagegen fast gleich groß. Das Atoll besitzt im Südwesten einen schiffbaren Kanal, der auf den Namen Arikitamiro hört. Dies ist gleichzeitig unser einziger Tauchplatz, den wir sogleich unter die Lupe nehmen. Ich würde ihn ja gerne unter die Kamera nehmen, aber beim ersten Tauchgang herrscht Kameraverbot: Wegen der starken Strömung würden wir beide Hände brauchen. Schaun mer mal.

Wir tauchen am Außenriff ab und hängen uns auf 30 m an die Kante, wo ein Dutzend Graue Riffhaie und vereinzelte Hundezahnthune umherstreifen. Wenige Minuten vor Ablauf der Nullzeit lassen wir los und fliegen förmlich hoch zum Kanaleingang, der in 15 m Tiefe liegt. Die Aufstiegsgeschwindigkeit ist sicher nicht nach Lehrbuch, lässt sich aber wegen der starken Strömung kaum vernünftig drosseln. Zwei im Briefing als "Canyons" bezeichnete Spurrillen weisen uns den zu nehmenden Weg. Sie enden in zwei natürlichen Pools, in denen ein weiteres Dutzend Grauer Riffhaie kreiseln. Wir halten uns eng an den Poolwänden, um einerseits die Haie nicht zu vertreiben und andererseits nicht selbst von der Strömung in die Lagune vertrieben zu werden. Mit 80 bar Restluft verlassen wir schließlich die Pools und schwimmen über ein fantastisches Korallenriff zur Nordseite des Kanals, wo an einer Mooring das Dinghi auf uns wartet. Da sie strömungsgeschützt im Inneren der Lagune liegt, können wir uns am Ende noch in Ruhe mit faulen Weißspitzen, tanzenden Adlerrochen, Barrakudaschulen und all den Korallenfischen beschäftigen. Super Platz!

Beim 2. Tauchgang wiederholen wir das Spiel von heute Morgen. Die Strömung ist aber viel schwächer, weswegen es im Blau deutlich weniger Hai hat. Beim Drift durch den Canyon müssen wir sogar etwas nachhelfen, um vernünftig vorwärtszukommen. Ansonsten lautet die einzige neue Erkenntnis, dass man sich nicht mit nackten Knien in den Sand hocken sollte, weil die anschließend aussehen, als hätte man sich in eine Feuerkoralle gesetzt. Keine Ahnung, was da so nesselt. Ich habe trotzdem nicht vor, meinen Neo nass zu machen, auch wenn das Wasser mit 25°C doch etwas frischer ist, als ich erwartet hatte.

Den Tagesabschluss macht am Nachmittag ein Badewannentauchgang am Außenriff; die Strömung lässt keinen Drift durch den Kanal mehr zu (höchstens aus der Lagune nach draußen, was aber wie vorhin erwähnt in Franz-Pol nicht praktiziert wird). Wir beginnen natürlich tief, wo die Korallen nicht schlecht, aber auch nicht außergewöhnlich sind. Es hat aber viel Rifffisch und überall sieht man Wolken aus blau-lila Fahnenbarschen, die das Riff einhüllen. Nach einer halben Stunde drehen wir um und schwimmen oben auf dem Riffdach zwischen 10 und 15 m zurück. Hier oben ist Kauehi mit fantastischen Steinkorallen gesegnet; das Riff ist ein einziger Traum. Schnapper-Schulen streifen umher und in einiger Entfernung passiert uns ein kleiner Manta. Wir beobachten noch einen Trümmer-Barrakuda, der mich sehr an Helmut von der Liberty erinnert, bei der Zahnpflege, bevor wir zurück zur Aquatiki schwimmen. Mega-Riff und laut Guides auch das beste Riff weit und breit. Gut, dass wir noch zwei weitere Tauchtage hier haben.

Am nächsten Morgen wollen wir eigentlich wieder den Kanal wie gestern tauchen, geraten aber nach unserem initialen Abstecher ins Blau, wo wir erfolglos nach Hammerhaien Ausschau halten, in eine eklige Abwärtströmung, sodass wir uns erstmal aus 44 m einhändig am Fels entlang ziehend wieder auf 20 m nach oben kämpfen müssen. Mit nur noch 100 bar kommen wir am Canyon-Eingang an, wo es immer noch leicht auslaufende Strömung hat. Manchmal tut diese Scheiß-Natur einfach nicht das, was sie soll. Wir ändern also den Plan und schwimmen unter Auslassen von Canyons und Pools quer durch den Kanal zur Mooring. Nach der Hälfte des Weges dreht endlich die Strömung, sodass wir ab da driften und uns entspannt umschauen können.

Nach dem Frühstück folgt Kanaltauchgang Nummer 4, wir kennen ja jetzt so langsam den Platz. An der Kante ist leider nicht viel los, nur paar Graue Riffhaie. Mit diesmal kooperativer Strömung driften wir zu den Pools, erfreuen uns der Grauen, die den Pool wie eine Lounge zum Ausruhen nutzen, und werfen einen Blick in eine kleine Grotte, in der sich Soldatenfische und eine nervöse Weißspitze tummeln. Nach Verlassen der Pools driften wir locker über das Riff mit einer Schule Bonitos im Nacken. Nach 50 min Tauchzeit, also kurz vor dem Ende des Tauchgangs und kurz vor Erreichen der Mooring fragt mich Cyril nach meiner Luft. Als ich ihm 80 bar anzeige, fängt er das Gestikulieren an und zeigt irgendwas mit halbem Tank, was bei mir nur verständnisloses Stirnrunzeln auslöst. Auf dem Dinghi dann wieder großes Drama, weil ich die Anzeige des halben Tanks vergessen habe. Statt einer einfachen kurzen Erinnerung stellt Cyril rhetorische Fragen, warum ich ihm das nicht anzeige und ob ich nicht dazu gewillt sein. Mimik und Körpersprache sind schon wieder die eines Lehrers, der einen Schüler mit erhobenem Zeigefinger für ein schlimmes Vergehen tadelt. Dieses oberlehrerhafte Getue, welches die Crew (und insbesondere Cyril) seit Tag 1 an den Tag legt, geht mir langsam verstärkt auf die Nerven, was ich auch deutlich zum Ausdruck bringe. Liegt vielleicht an mir, aber wenn 5 von 6 Gästen es genauso empfinden, kann ich nicht ganz falsch liegen. Alles Argumentieren hilft nichts, Cyril bleibt uneinsichtig und schafft es so, einen ansonsten sehr schönen Tauchgang sowie die Stimmung bei den Gästen zu ruinieren. Nur Käpt'n Thierry, der mitgetaucht ist, ist entspannt und merkt mit breitem Lächeln an, dass man sich doch bitte lieber an dem schönen Tauchgang erfreuen solle. Seit er des Nachts mit uns im Wasser war, ist er viel lockerer geworden. Ich bin gespannt, ob ich das am Ende des Trips auch von den Guides noch sagen kann, aber große Hoffnung habe ich nicht.

Die restlichen 3 Tauchgänge lassen sich unter "Business as usual" zusammenfassen. Wir tauchen noch ein Mal den Kanal und zweimal das Außenriff, wobei letzteres wieder mit viel Rifffisch aufwartet. Sogar unsere Mission, zumindest ein halbwegs vernünftiges Foto von einem Flammen-Zwergkaiserfisch, zu schießen, darf als "erfüllt" verbucht werden. Dieser scheue Kerl ist zwar im Pazifik weitverbreitet, aber da ich nicht so häufig im Pazifik bin, war er mir bisher unbekannt.

Am Mittag des dritten Tages vor Kauehi setzen wir die Segel und brechen auf nach Nordwesten zu unserer längsten Etappe: Bis Apataki sind es etwa 160 km. Zum Glück fahren wir diesmal mit der Welle, sodass sich die Schaukelei in Grenzen hält. Tim bringt uns ein Kartenspiel bei, welches in Franz-Pol auf den durch und durch französischen Namen "Arschloch" hört und ab sofort zur Überbrückung der Zeit zwischen "Apero" (Appetitanreger gegen 18 Uhr) und dem Dinner um 19 Uhr zum Einsatz kommt. Thierry kredenzt dazu ein paar Gläser Ti Punch, den er so stark mischt, dass man aufpassen muss, überhaupt noch das Abendessen zu erleben. Immerhin sorgt das Gebräu für einen tiefen Schlaf, sodass wir morgen halbwegs ausgeruht vor Apataki weitermachen können.

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