Oktober 2016
Das Ende der Welt ist nah. Nach 42 Stunden in Fliegern und auf den Flughäfen von Abu Dhabi, Manila und jetzt hier in Guam hab ich auch langsam keinen Bock mehr. Immerhin haben die Anschlüsse ohne größere Probleme funktioniert: Ich habe die Flüge auf zwei getrennte Tickets gebucht, Düsseldorf - Abu Dhabi - Manila mit Etihad und Manila - Guam - Truk mit United, weil einem das mal locker 1000 EUR spart, als wenn man die ganze Strecke auf ein Ticket mit United bucht. Blöd wäre dann halt nur, wenn man in Manila den Inselhüpfer verpasst, aber bei 7 Stunden Aufenthalt in Abu Dhabi und 6 in Manila war das Risiko überschaubar.
Eineinhalb Stunden später setzt die 737 der United auf der Landepiste des Truk International Airport auf. Beim Verlassen des Fliegers schlägt einem die schwülwarme Tropenluft unerträglich ins Gesicht und die Klamotten kleben nach wenigen Minuten wie festgetackert am Körper. Zum Glück geht die Zollkontrolle recht schnell und auch das Gepäck ist trotz 100 % Handarbeit schon nach einer Viertelstunde zur Stelle – da dürfen sich Köln und Düsseldorf gerne mal was abschauen.
Der Minibus, den die Thorfinn für den Transfer organisiert hat, ist auch schnell gefunden und so schaukeln alsbald Jim und ich, die einzigen Thorfinn-Gäste, die heute angekommen sind, durch die Straßen von Weno. Korrektur, durch die Straße von Weno, denn so arg viele Abzweigungen hat es nicht. Eigentlich ist auch schon "Straße" eine maßlose Übertreibung. Ich habe im Vorfeld durchaus vermutet, dass es auf Truk eher schlicht zugeht, aber so "very basic" hab ich es dann doch nicht erwartet. Lediglich die 500 m vom Flughafen zum Hafen sind auf der Betonplattenpiste gut zu fahren, der Rest des Weges ist eine Schlagloch-Sand-und-Matschpiste der übelsten Sorte, auf der es nur im Schritttempo vorwärtsgeht. So brauchen wir für die 5 km zum Blue Lagoon Resort eine knappe halbe Stunde. Dort wartet schon das Schlauchboot, das uns zur Thorfinn bringt.
Die "Thorfinn" ist ein 1954 gebauter, ehemaliger Walfänger und steht unter dem Kommando des kanadischen Käptn's Lance Higgs. Der gute Mann ist 78 Jahre alt und kreuzt mit seinem Schiff seit 32 Jahren durch Truk'sche Gewässer. Wobei "kreuzen" etwas geschönt ist, eigentlich ist die Thorfinn ein schwimmendes Hotel und ankert normalerweise an zentraler Stelle in der Truk Lagoon in der Meerenge zwischen den Inseln Fefan und Dublon. Von hier sind alle Plätze mit den beiden schnellen Beibooten innerhalb von 2-20 Minuten erreichbar. Angeboten werden 4 Tauchgänge am Tag, um 8 Uhr, 11 Uhr, 14 Uhr und 17 Uhr. Nach dem Abendessen kann man noch um 20 Uhr zu einem Nachttauchgang ins Wasser springen, wenn man dann noch die Augen offen halten kann. Um es vorwegzunehmen: Keiner der wenigen Gäste auf dem Schiff wird in den folgenden zwei Wochen diese Möglichkeit nutzen. Mir reichen vier Tauchgänge am Tag dann auch völlig aus.
Zeit zum Verschnaufen nach dem langen Flug bleibt nicht, denn schon in zwei Stunden soll es zum ersten Mal ins Wasser gehen und das bedeutet erstmal: Bootsbriefing. Wie wir erfahren, wird die 7-köpfige Tauchgruppe, die heute noch auf dem Schiff ist, morgen abhauen, sodass Jim und ich in Woche 1 die einzigen Gäste sind. In Woche 2 werden dann zwei Schweizer dazustoßen, aber da Jim nur eine Woche bleibt, werden wir in Woche 2 zu dritt sein. Fürs Tauchen natürlich paradiesisch, ob das an Bord dann etwas einsam wird, muss sich zeigen. So dürfen wir uns unsere Zimmer dann auch aussuchen. Insgesamt bietet die Thorfinn 20 Gästen in 10 Zimmern unterschiedlichster Größe Platz. In manchen Zimmern kann man sich auch zu zweit gut ausbreiten, einige andere sind dagegen etwas beengt. 9 Zimmer sind mit eigener Dusche und Toilette ausgestattet. Insgesamt würde ich das Ambiente als "rustikal" bezeichnen, man merkt schon, dass der Dampfer einige Jährchen auf dem Puckel hat. Wer den puren Luxus braucht, ist hier falsch, wem es in erster Linie ums Tauchen geht und wer auch in Ägypten mit einem Mittelklasseboot gut auskommt, wird sich auch mit der Thorfinn anfreunden können.
Die Vorteile eines Besuchs auf der Thorfinn sind vielleicht der Tauchbetrieb und die Tatsache, dass Lance alles, aber auch wirklich alles über die gut 60 Schiffswracks in der Lagune und ihre Geschichte weiß. Vor jedem Tauchgang gibt er ein ausführliches Briefing und erzählt, wofür die Schiffe in Krieg und Frieden eingesetzt wurden, wie sie nach Truk kamen, und unter welchen Umständen sie den Weg zum Meeresgrund gefunden haben. Der Großteil (42, um genau zu sein) wurde bei der Operation Hailstone von den Amis versenkt. Am 17. und 18. Februar 1944 griffen sie mit 9 Flugzeugträgern und über 500 Kampfflugzeugen den japanischen Stützpunkt auf Truk an. Unterstützt wurden die Träger von 6 Schlachtschiffen, 10 Kreuzern und 28 Zerstörern. Insgesamt wurden 30 Angriffe mit mindestens je 150 Flugzeugen auf Flugfelder, ankernde Schiffe und Hafenanlagen geflogen. Der historisch interessierte Taucher findet im Salon auch haufenweise Literatur, wo er all dies nochmal in Ruhe nachlesen kann. Neben den Schiffen liegen außerdem ca. 275 Flugzeugwracks auf dem Meeresgrund. Nirgends sonst auf der Welt findet man unter Wasser so viel Blech auf so engem Raum.
Natürlich gibt Lance auch Tipps, was sich wo auf den Wracks befindet und was man sich während des Tauchgangs anschauen sollte. Taucherisch hat man dazu auf der Thorfinn alle Möglichkeiten, denn auch technisches Tauchen mit unterschiedlichen Gasgemischen und so vielen Stage-Flaschen, wie man tragen kann, wird angeboten. Lance macht das allerdings nur, weil es eine entsprechende Nachfrage gibt, er persönlich hält das hier in Truk für totalen Blödsinn. Die Maximaltiefe in der Lagune beträgt 70 m und die könne man auch als Sporttaucher noch gut erreichen. "Not deeper than the sand" ist dann auch seine Antwort auf die Frage, bis zu welcher Tiefe wir gehen dürfen, bevor es Ärger gibt. Dementsprechend werden auch die Tauchgänge geplant: Der erste Tauchgang wird in der Regel als Deko-Tauchgang auf Luft getaucht und ist tief (zwischen 45 und 65 m). Für die übrigen, "flachen" Tauchgänge kann man dann auf Nitrox wechseln. Tauchgang zwei und drei liegen normalerweise zwischen 25 und 40 m, der vierte Tauchgang ist lockeres Austauchen bis max. 20 m. Bei allen Tauchgängen hängt unter dem Schlauchboot auf 6 m eine zusätzliche Flasche, aus der man sich bedienen kann, sollte einem beim Dekostopp die Luft ausgehen. Beim Tieftauchgang am Morgen hat der Guide außerdem noch eine zusätzliche Flasche dabei. Die Schlauchboote sind mit Notfallsauerstoff ausgestattet und seit Neuestem hat es in Weno sogar eine Deko-Kammer für 2 Personen. Ob die wirklich einsatzbereit ist, möchte ich aber nicht unbedingt herausfinden wollen. Innerhalb der Wracks darf man sich nur als Buddy-Team aufhalten, wobei vorzugsweise ein Guide dabei sein sollte, vor allem, wenn man zum ersten Mal auf Truk ist. Außerhalb des Schiffsinneren ist Solo-Tauchen erlaubt, was ich erfreut zur Kenntnis nehme. Genauso erfreut bin ich über die Wassertemperaturen. Es hat ganzjährig 28-30 Grad, wer nicht schnell friert, kann seinen Neo gleich zu Hause lassen. Ich packe meinen jedenfalls gar nicht erst aus, Badehose und T-Shirt werden reichen.
So gebrieft kann das Abenteuer "Wracktauchen auf Truk" schon zwei Stunden nach unserer Ankunft starten. In den folgenden zwei Wochen werde ich mir einen Großteil der betauchenswerten Schiffe angucken, die die Amerikaner hier im Zweiten Weltkrieg versenkt haben. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Handelsschiffe ("Marus"), die "echten" Kriegsschiffe, wie Schlachtschiffe und Zerstörer haben die Japaner rechtzeitig aus Truk abziehen können. "In order of appearance" haben wir da:
Wir starten direkt mit einem Truk-Highlight: Die "Fujikawa Maru" wurde 1938 von Mitsubishi Heavy Industries als Passagier- und Frachtschiff gebaut und transportierte in Friedenszeiten hauptsächlich Baumwolle und Rohseide zwischen Südamerika und Indien. Im Dezember 1940 wurde das Schiff von der Kaiserlich Japanischen Marine requiriert und zu einem Flugzeugtransporter umfunktioniert. U.a. wurde sie dabei mit einer Flak und an Bug und Heck mit jeweils einer 15 cm-Kanone ausgerüstet. Am Nachmittag des 17. Februar 1944 (dem ersten Tag der Operation Hailstone) wurde sie – unmittelbar nach dem Entladen von 30 B5N2 "Kate"-Torpedobombern – von Flugzeugen des Trägers "USS Bunker Hill" angegriffen und mittschiffs in Laderaum 4 von einem Torpedo getroffen. Das Schiff geriet in Brand und sank am folgenden Tag, wobei ein großer Teil der 162 Mann starken Besatzung ums Leben kam. Das 132 m lange Schiff liegt seitdem etwa 500 m vor Etten Island aufrecht in 37 m Wassertiefe.
Lange Jahre galt das Schiff als das Vorzeigewrack der Truk Lagoon und auch heute noch taucht es regelmäßig in den Top-50 der weltbesten Tauchplätze auf. Lance dämpft beim Briefing aber gleich etwas die Erwartungen, denn die besten Zeiten der Fujikawa sind vorbei. Das jahrelange Dynamitfischen, blöd geworfene Anker und der Zahn der Zeit haben sowohl dem Schiff als auch dem Fischreichtum arg zugesetzt. Vor ein paar Jahren ist die einst pittoreske Brücke zusammengestürzt und die Masten, die mal bis über die Wasseroberfläche ragten, sind abgeknickt. Der Einsturz der Brücke hat auch das Eindringen in den früher leicht zugänglichen Maschinenraum etwas verkompliziert.
Dass die besten Zeiten vorbei sind, heißt nun aber nicht, dass die Zeiten schlecht sind, wie wir beim Abtauchen alsbald feststellen. Das Deck und die noch vorhandenen Aufbauten des Schiffs sind toll bewachsen, viele Weichkorallen und Schwämme haben sich festgesetzt. Unser Weg führt uns, vorbei an einer Unmenge zerbeulter Fässer, schnurstracks in Laderaum 2. Sobald sich das Auge an die Finsternis hier unten gewöhnt hat, nehmen ein paar nicht endmontierte Zero-Fighter Gestalt an. Was für ein Anblick! Direkt nebenan in Laderaum 1 findet man einigen Krimskrams, wie Gewehre, Artilleriegranaten, Außenborder, Schuhe, Seile, Unmengen Bier- und Sake-Flaschen und weitere Flugzeugteile, wie Reifen und Rotorblätter. Weiter geht's Richtung Bug, wo die Kanone so mit Korallen, Anemonen und Schwämmen zugewachsen ist, dass sie erst auf den 2. Blick noch als Kriegsgerät zu erkennen ist. In unmittelbarer Nähe steht ein fotogener, gut erhaltener Schiffstelegraf. Die Fujikawa ist auch heute noch ein Top-Wrack und auf jeden Fall mehr als einen Abstieg wert! Während meiner zwei Wochen tauche ich 4x hier ab und habe so auch noch Gelegenheit, einen Blick auf Schraube und Ruder und in den Maschinenraum zu werfen. Höchst empfehlenswert!
Zum Tagesabschluss geht es um 17 Uhr – 30 min vor Einbruch der Dunkelheit – zum Wrack einer Mitsubishi G4M3, alliierter Codename "Betty". Dieser taktische Bomber der japanischen Marine erhob sich erstmals 1939 in die Lüfte und wurde auch "Fliegende Zigarre" genannt – weniger wegen seiner Form, sondern da er unter Beschuss ziemlich flott lichterloh in Flammen stand. Wenn man zugunsten der Reichweite an Gewicht sparen will, muss man halt mal auf die Panzerung der Treibstofftanks verzichten. Blöd auch für Admiral Yamamoto, dem Kopf hinter Pearl Harbour, der in einer G4M saß, als er 1943 über Bougainville abgeschossen wurde. Wodurch die "Betty" vor Truk vom Himmel geholt wurde, weiß niemand. Sie befand sich offenbar im Anflug auf den Flugplatz von Etten Island, einem von sechs Flugplätzen, den die Japaner während des Krieges im Truk-Atoll hatten, als sie ins Meer stürzte. Abschuss, Motorschaden oder betrunkener Pilot (vgl. oben die Flaschensammlung) – man weiß es nicht.
Sicher ist, dass das Flugzeug jetzt in 20 m Tiefe auf dem Meeresboden liegt. Leider gilt für die Betty das Gleiche wie für die Fujikawa Maru: Das Wrack hat in den letzten Jahren stark gelitten. Vom Leitwerk ist nichts mehr zu sehen und auch einige Artefakte, wie diverse Maschinengewehre, sind verschwunden – höchstwahrscheinlich von Tauchern geplündert. Immerhin haben diese Idioten nicht alles mitgenommen, einige Rotorblätter und Pressluftflaschen liegen noch neben dem Wrack im Sand. Ansonsten ist das Flugzeug fast in einem Stück, lediglich das Cockpit ist etwas abgeknickt. Dadurch lässt sich der Rumpf, den Tausende Glasfische als ihr Zuhause auserkoren haben, in seiner kompletten Länge durchtauchen. Lediglich am Heck wird es etwas eng, wieder rauszukommen. Klappt das nicht, kann man auch eine Ausstiegsluke oben auf dem Rumpf nehmen. Auch um das Wrack herum hat es reichlich Fisch, vor allem Füsiliere und Meerbarben. Insgesamt ein netter Platz zum Tagesausklang, den wir 2x während unseres Aufenthalts besuchen. Öfter muss dann aber auch nicht unbedingt sein.
Der nächste Tag beginnt mit einem Eingewöhnungstauchgang in Vorbereitung auf größere Tiefen. Die "Hoki Maru" ist eigentlich neuseeländischer Bauart und hieß ursprünglich "MV Hauraki" (nach dem gleichnamigen Golf vor Auckland). Das 137 m lange Schiff lief im November 1921 vom Stapel und war eines der ersten Schiffe seiner Art, das durch einen Dieselmotor anstatt durch eine Dampfmaschine angetrieben wurde. Im Juli 1942 wurde das Schiff auf dem Weg von Fremantle (Australien) nach Colombo (Sri Lanka) von der Hokoku Maru und der Aikoku Maru überfallen, gekapert und nach Singapur geschleppt, wo sie einer Generalüberholung unterzogen wurde. Anschließend wurde sie als "Hoki Maru" in den Dienst der Kaiserlich Japanischen Marine gestellt. Dieser Dienst währte nicht allzu lange, von Yokohama aus kommend erreichte sie Truk am 15. Februar 1944, zwei Tage vor Beginn der Operation Hailstone. Bereits am ersten Tag griffen Bomber der Träger "USS Essex" und "USS Yorktown" das Schiff an. Außerdem wurde sie von Flugzeugen der "USS Bunker Hill" torpediert. Zum Zeitpunkt des Angriffs hatte die "Hoki Maru" große Mengen Flugzeugtreibstoff in den vorderen Laderäumen gebunkert, der in Brand geriet und eine riesige Explosion verursachte. Das Schiff sank und liegt jetzt in 53 m Wassertiefe, ironischerweise nur einen Kilometer von der "Aikoku Maru" entfernt, von der sie einst gekapert worden war.
Dass man richtig ist, erkennt man an der in allen Regenbogenfarben schimmernden Öllache, die die Wasseroberfläche über dem Wrack ziert. Das gilt im Übrigen für viele Wracks in der Truk Lagoon. Auch nach 70 Jahren tritt immer noch Öl aus den Schiffen aus, durch die fortschreitende Verwitterung in den letzten Jahren vielleicht sogar mehr als früher. Unter Wasser ist die Sicht dafür traumhaft, viel besser als gestern an der Fujikawa, was generell für alle tief liegenden Wracks östlich von Dublon und Etten Island gilt, dem damaligen Ankerplatz der 4. Flotte. Wir starten am Heck, wo Guide Alex die beeindruckende Größe des 5 m hohen Ruders demonstriert. Durch das große Torpedoloch auf der Backbordseite geht es dann in die hinteren Laderäume 4 und 5. Und die sind eine wahre Schatzkammer: Wir stoßen auf Lkws, Traktoren, Bulldozer und allerlei Explosivstoffe, alles noch recht gut erhalten. Die Thistlegorm kann sich verstecken dagegen. Mittelschiff und Bug sind dagegen durch die Explosion ziemlich zerstört, sodass es dort nicht mehr allzu viel zu sehen gibt. An den schön bewachsenen Masten hangeln wir uns zurück zur Oberfläche. Netterweise leistet uns ein Grauer Riffhai beim Absitzen unserer Sicherheits- und Deko-Stopps ein wenig Gesellschaft. Diesbezüglich gibt es auf der Thorfinn relativ klare Regeln: Bei jedem Tauchgang werden am Ende drei Stopps eingelegt: 2 Minuten auf 18 m, 3 Minuten auf 9 m und 10 Minuten auf 3-5 m. Empfindet man das am Anfang noch als lästig, wird das schon sehr bald zur Routine.
Als Nächstes wartet Truks dickster Pott auf uns. Die "Heian Maru" lief im April 1930 als kombinierter Fracht- und Passagierdampfer vom Stapel und verkehrte zu Friedenszeiten vorwiegend zwischen Kobe und Seattle. Im August 1941 requirierte die japanische Marine das Schiff und funktionierte es zusammen mit seinen beiden Schwesterschiffen zu U-Boot-Begleitschiffen um. Als solches versorgte sie die japanischen U-Boote mit Torpedos, Lebensmitteln, Ersatzteilen und Personal, vorwiegend als Shuttle zwischen Truk, Rabaul, den Salomonen und den japanischen Städten Yokosuka und Kure. Am 2. Tag der Operation Hailstone wurde die "Heian Maru" von Avenger-Torpedobombern des Trägers "USS Bunker Hill" angegriffen. Ein Torpedo schlug in den Maschinenraum ein und setzte so fast das komplette Schiff in Brand. Das Feuer wütete bis zum Abend. Schließlich kippte der 163 m lange und fast 12.000 t schwere Koloss nach einem weiteren Torpedotreffer auf die Backbordseite, wobei 14 Seeleute ums Leben kamen. Das Schiff sank in 33 m Wassertiefe, ziemlich genau in der Mitte zwischen den Inseln Dublon und Moen. Damit liegt das Wrack in einer idealen Tiefe für den 2. Tauchgang des Tages, nachdem man es sich am Morgen richtig gegeben hat.
Am Tauchplatz angekommen rümpfen wir erstmal die Nase. Das aus dem Wrack austretende Schweröl ist deutlich zu riechen und auch hier schmückt eine farbenfrohe Öllache die Wasseroberfläche. Nach dem Abtauchen führt uns unser Weg zunächst auf die weitläufige Brücke, hinter der ein paar nie zum Einsatz gekommene U-Boot-Periskope lagern. Die Seitenlage des Schiffes ist etwas gewöhnungsbedürftig, rechts ist oben, links ist unten, da kann man schon mal einen Knoten im Gehirn kriegen. Nach Erkundung der Brücke geht es durch eine Luke ins Innere des Schiffes. Viel verbogenes Metall stellt sich einem in den Weg und unsere Luftblasen verursachen einen stetigen Vorhang aus Rostpartikeln, die von der Decke rieseln (respektive von der Wand, denn die Decke ist ja jetzt linkerhand). Durch ein paar dunkle Gänge erreichen wie schließlich den Maschinenraum. Ich kenne mich mit Motoren ja nicht so aus, für mich sind all die Ventile, Kolben, Hebel, Armaturen und das sie verbindende Gestänge schon ein skurriler Anblick. Dagegen erinnert uns ein herumliegender Totenkopf an den Schrecken, der uns dieses Wracktauchrevier "beschert" hat. Nach der Runde durch den Maschinenraum geht es in den Laderäumen weiter, wo Artilleriegranaten, Wasserbomben, und Torpedos zu besichtigen sind, zusammen mit Winden, Ketten und Flaschenzügen, die Teil der Verladeeinrichtung sind, mit dem die Gerätschaften in den und aus dem Laderaum gehievt wurden.
Nach 45 Minuten im Inneren des Schiffes erblicken wir wieder das Licht der Welt und tauchen über dem mit vielen Steinkorallen bewachsenen Rumpf aus. Bräunliche, aus dem Rumpf aufsteigende Luftblasen wecken unser Interesse und schreien nach einer näheren Untersuchung. Schlechte Idee. Kaum habe ich die Untersuchung beendet, fangen linkes Bein, Arm und Kopf höllisch an, zu brennen. Auch das zurück auf der Thorfinn folgende, halbstündige Streckenduschen kann die Schmerzen nicht lindern. Die feuerrote Haut sieht ziemlich verätzt aus, sodass ich mich frage, was zur Hölle dieses braune Zeug in den Luftblasen wohl war, Altöl alleine kann es ja wohl nicht gewesen sein. Zwei Tage später klärt mich Guide Tomo auf, dass der Zündmechanismus der auf den Schiffen gelagerten Wasserbomben eine Säure enthalte, die solche Verätzungen verursache. Er habe schon viele Leute, Einheimische wie Touris, mit derartigen Verätzungen gesehen. Da die Bomben langsam vor sich hinrotten, wird die Säure freigesetzt und steigt mit den Luftblasen der Taucher nach oben. Bewährtes Gegenmittel der Trukesen: Kokosnussöl. Ist leider gerade nicht zur Hand und so habe ich noch zwei Wochen Spaß, bis die Haut sich regeneriert hat. Von daher kann ich nur raten: Finger weg von allen braunen Soßen, die aus den Wracks aufsteigen!
Ansonsten ist die Heian ein Top-Wrack und sehr beliebt bei vielen Guides, da es ewig viele verschiedene Wege durch ihre endlosen Gänge gibt. Alex erzählt, dass er immer noch nicht alles kennt und immer wieder neue Wege sucht (und findet). Ich habe das Vergnügen, mich bei insgesamt fünf Abstiegen im Schiffsinneren umsehen zu können.
Zwei Stunden später nehmen wir einen alten Knochen in Angriff: Die "Unkai Maru" ist das älteste Schiff in der Truk Lagoon und mit 100 m Länge und einem Gewicht von 3100 Tonnen eher kleinerer Natur. Der 1905 in England als "S/S Venus" gebaute Frachter wurde 1911 nach Japan verkauft, im Januar 1944 von der japanischen Marine requiriert und nach Truk entsendet, wo er am 30. Januar 1944 eintraf. Zweieinhalb Wochen später wurde die "Unkai Maru" am ersten Tag der Operation Hailstone von Flugzeugen des Trägers "USS Essex" angegriffen und schwer beschädigt, woraufhin sie schwere Schlagseite Richtung Steuerbord bekam. Nach einem weiteren Angriff am Nachmittag brach mittschiffs ein Feuer aus, sinken wollte sie aber immer noch nicht. Es benötigte einen weiteren Angriff am nächsten Morgen, um das Schiff schließlich zum Meeresboden zu schicken, wobei 3 Seeleute ums Leben kamen. Das Wrack liegt seitdem aufrecht an der Nordspitze von Uman Island in 40 m Wassertiefe. Das Deck befindet sich in sporttauchfreundlichen 30 m.
Unser Tauchgang beginnt an der Brücke, bzw. da, wo eine wäre, hätte das Feuer sie nicht komplett zerstört. Vom Schornstein, der abgeknickt und auf das Deck gefallen ist, ist auch kaum mehr etwas zu sehen. Drei der vier Laderäume sind leer, lediglich in Laderaum eins ist liegt noch einiger Krimskrams, im Wesentlichen chinesisches Porzellan und persönliche Gegenstände der Besatzung, wie Stiefel, Gasmasken und Wasserflaschen. Immerhin sind Rumpf und Masten schön bewachsen, die Bugkanone steht noch und auch der Maschinenraum lädt noch zu einem Abstecher ein. Insgesamt gibt es aber sicherlich spannendere Wracks in der Lagune. Nett, Punkt.
Zu Beginn von Tag 3 wird es wieder etwas tiefer: Die "Seiko Maru" ist ein 119 m langer Frachter, der im Frühjahr 1940 für die renommierte Dairen Dampfschifffahrtsgesellschaft in Dienst gestellt wurde. Nach der Requirierung durch die japanische Marine transportierte sie Kriegsgüter vom japanischen Kaiserreich in den Zentralpazifik. Auf dem Weg von Yokohama nach Truk wurde sie im Juli 1943 von amerikanischen U-Booten angegriffen und schwer beschädigt. Nichtsdestotrotz gelang es, sie zu Reparaturarbeiten ins 243 Seemeilen entfernte Truk zu schleppen. Dort lag sie immer noch, als am 17. Februar 1944 die Operation Hailstone anlief und sie direkt am ersten Tag von SBD Dauntless-Sturzkampfbombern der "USS Enterprise" angegriffen wurde. Die Bomben trafen beidseitig am Heck und sprengten große Teile der Seitenwände des Schiffes heraus. Während die einen Quellen berichten, dass sie unmittelbar daraufhin sank, behaupten andere Quellen, dass sie sich noch zwei Tage über Wasser hielt, bis sie schließlich einen Kilometer vor der Nordspitze von Etten Island sank, nachdem die Kampfhandlungen in Truk bereits beendet waren. Angesichts der Tatsache, dass auf der Seiko "nur" 1 Seemann ums Leben kam, kann man vermuten, dass Letzteres der Wahrheit wohl näher kommt.
Unser einziger Tauchgang hier erinnert mich stark an die "Unkai Maru": Die Laderäume sind mit Ausnahme von ein paar Fässern leer, nur in Laderaum 1 gibt es etwas Sehenswertes, nämlich einen nicht explodierten, senkrecht stehenden Torpedo. In den Mannschaftsunterkünften liegen noch ein paar persönliche Habseligkeiten herum und auch Dusche und WC sind noch gut erhalten. Das war es dann aber auch schon, weswegen das Wrack auch nicht allzu häufig besucht wird. Dazu kommt, dass es mit 56 m recht tief liegt, wobei sich das Hauptdeck in 42 m Wassertiefe befindet. Zum Tauchgangsende kann man sich an den schön bewachsenen Masten bis auf 20 m nach oben hangeln. Insgesamt muss ich sagen: Die "Seiko" kann man machen, wenn man Zeit hat, auf die Truk-Highlights-Liste gehört sie für meinen Geschmack aber nicht.
Die "Yamagiri Maru" wurde 1938 von Mitsubishi Heavy Industries für die in Kobe beheimatete Yamashita Dampfschifffahrtsgesellschaft als kombiniertes Fracht- und Passagierschiff gebaut. Im September 1941 übernahm die japanische Marine die Kontrolle über das Schiff und baute es zu einem reinen Militärtransporter um. Fortan beförderte die "Yamagiri" Kriegsmaterial zwischen den Salomonen und den Karolinen. Nachdem sie schon bei vorhergehenden Angriffen in Rabaul und auf dem Weg nach Palau schwere Schäden erlitten hatte und mehrfach repariert werden musste, wurde sie am 2. Tag der Operation Hailstone von Curtiss SB2C "Helldiver"-Sturzkampfbombern der Träger "Bunker Hill" und "Yorktown" angegriffen. Die Einschläge einer 1000-Pfund- und einer 500-Pfund-Bombe verursachten eine gewaltige Explosion, sowie ein sich rasch ausbreitendes Feuer, welches weitere Explosionen auslöste. Ein riesiges Loch auf der Backbordseite brachte das Schiff schließlich zum Sinken, wobei 12 Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Das Wrack liegt in 33 m Tiefe auf der Backbordseite, etwa eine Seemeile nordwestlich von Fefan Island.
Unsere drei Tauchgänge hier verlaufen eigentlich immer gleich: Durch ein riesiges Torpedoloch auf der Steuerbordseite geht es zu Beginn erstmal quer durchs Wrack. Danach folgt der interessanteste Teil: Im Maschinenraum kann man eigentlich den ganzen Tauchgang verbringen. Zum Schluss geht es noch in Laderaum 5, wo sich einige mächtige panzerbrechende Artilleriegranaten auftürmen. Außerdem hat es dort noch Kompressoren und Baumaterial, wohingegen die übrigen Laderäume leer sind. Sehr interessantes Teil!