November 2012
Der Schiffsdiesel hämmert immer noch ununterbrochen, den 2. Tag in Folge fahren wir durch, seit wir vorgestern San Benitos verlassen haben. Die Crew hat ein Einsehen und lädt vor dem Mittagessen zu einer kleinen Erfrischungspause. Die Nautilus Explorer stoppt und wir nehmen kollektiv ein Bad in den Weiten des Ostpazifik. Nach einer halben Stunde geht's weiter und wir schlagen den Rest des Tages mit Faulenzen, Lesen oder Quatschen tot.
Pünktlich zum Sonnenaufgang um kurz vor 6 Uhr kommt San Benedicto in Sicht, der erste Vorposten der Islas Revillagigedo, die der Einfachheit halber "Socorro-Inseln" oder "The Socorros" genannt werden. Die weiteren Inseln des Archipels sind Clarión ganz im Westen, Roca Partida und natürlich Socorro als größte der vier Inseln. Clarión wird nur ganz selten angefahren, da es etwas ab vom Schuss liegt und taucherisch i.d.R. nicht so viel bietet wie die anderen Inseln, die wir allesamt im Rahmen dieses Überführungstörns besuchen wollen, sofern das Wetter mitspielt.
Die Nautilus Explorer ankert in Schwimmdistanz zu unserem ersten Tauchspot, dem Boiler, welcher ein annähernd rechteckiges Plateau ist, das sich vom 45 m tiefen Meeresboden bis knapp unter die Wasseroberfläche erhebt. Von der Tour letztes Jahr weiß ich noch, dass San Benedicto der vermutlich weltbeste Platz für Manta-Begegnungen ist. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trifft man hier auf die Riesenrochen, die hier keine Scheu vor Tauchern haben und oft sogar mit ihnen interagieren. Natürlich hoffen wir, dass sich daran nichts geändert hat.
Für unseren ersten Abstieg springen wir direkt von der Taucherplattform am Heck der Nautilus Explorer ins Wasser und tauchen die 30 m zum Boiler rüber, der sich als großer, dunkler Schatten gegen das strahlend blaue Wasser abhebt. Selbiges ist angenehm warm, 27 Grad zeigt der Computer, was mal eben 5 Grad mehr sind als letztes Jahr im März. Ein kurzer Abstieg auf 42 m fördert eine Sprungschicht bei 30 m zutage, unter der es immer noch mollige 24 Grad hat – der Unterzieher mit Kopfhaube bleibt ab dem nächsten Tauchgang trocken.
Wir umrunden den Boiler ohne besondere Vorkommnisse, bis sie an der Südostecke des Plateaus, an der sich mehrere Putzerstationen befinden, endlich auftauchen: Die Mantas sind los. 2 Chevrons und 1 Black Manta lassen sich von den Clarión-Kaiserfischen, die hier die Putzkolonne mimen, von Parasiten befreien. Die Remoras, die per Anhalter auf den Mantas mitfahren, werden dabei gleich mit gesäubert. Immer wieder drehen die Rochen ihre Kreise. Manche nehmen dabei ein Bad in unseren Luftblasen und lassen diese in ihre Kiemen perlen. Mit einem großen Nieser wird die Luft dann ab und an herausgepresst. Wissenschaftler glauben, dass Mantas dies mit Absicht tun, um ihre Kiemen zu reinigen. Wenn dem tatsächlich so ist, wäre das ein ziemlich schlauer Schachzug. Vielleicht kann man das von einem Fisch, der das mit Abstand größte Gehirn im Fischreich hat, aber auch erwarten. Wir planschen jedenfalls eine halbe Stunde mit den Mantas herum – nur kurz unterbrochen von einem Rudel streunender Delfine – bevor uns die auf 60 Minuten begrenzte Tauchzeit und die zu Ende gehende Luft dazu zwingt, "Tschüss" zu sagen und zur Nautilus Explorer zurückzupaddeln.
Nach dem ausgiebigen Frühstück geht es mit voller Wampe zum zweiten Mal hinab. Diesmal nehmen wir uns den Boiler mit dem Uhrzeigersinn vor, kommen aber nicht weit, da sich wieder zwei Mantas an der Putzerstation tummeln. Das tun wir dann auch und bleiben den ganzen Tauchgang lang da. Gegen Ende erscheinen zwei weitere Mantas auf der Bildfläche, sodass man bei vier Mantas schon gar nicht mehr weiß, welchen man als nächsten ablichten soll.
Am Nachmittag frischt der Wind ziemlich auf, sodass das Fahren der Skiffs auf die Taucherplattform zu einer schaukligen Angelegenheit wird. Tauchtechnisch lasse ich am Nachmittag Mantas Mantas sein und kümmere mehr um das, was direkt am Riff lebt, auch Kleinfisch ist schließlich fotogen. Motive gibt es reichlich, mir kommt der Platz viel fischreicher vor als letztes Jahr. Insbesondere beim letzten Tauchgang des Tages, bei dem es wegen der tief stehenden Sonne schon recht finster ist, kommt man super an all die Rifffische heran, die dann anscheinend schon im Schlafmodus sind und sich viel weniger scheu zeigen als tagsüber.
Der zweite Tauchtag in San Benedicto spielt sich an der Südspitze der Insel ab, die unter Wasser durch ein halbkreisförmiges Plateau begrenzt wird, an dessen Rand es 100 m abwärts geht. Auf dem Plateau gibt es zwei Tauchplätze, von denen der Canyon im Osten der bessere ist. Leider wird er am Morgen aber noch von der "Sea Escape" blockiert, sodass wir zunächst an El Fondeadero im Westen ins Wasser müssen. Der Einstieg gestaltet sich etwas aufwendig, da es eine Fatzen-Oberflächenströmung hat, die unsere Luftblasen waagerecht durchs Wasser treibt. Daher hat die Crew ein Seil von der Heckleiter der Nautilus Explorer unter dem Kiel bis zum Bug gespannt. An dem Seil hangeln wir uns affenartig gegen die Strömung nach vorne zur Ankerkette und an dieser runter auf den Meeresboden, der hier bei gut 20 m liegt. Die großen Felsbrocken auf dem Sandboden bieten guten Schutz vor der Strömung. Auf Rumpaddeln haben wir trotzdem keine Lust, sondern hocken uns nahe einer Ansammlung von Tiefsee-Drückerfischen hinter einen Fels und beobachten angestrengt die ausgedehnte Sandfläche. Ziel der Observierung ist die Sichtung von Hammerhaien. Die Drücker mimen für die Haie nämlich gerne die Putzkolonne, sodass wir hier eigentlich richtig sein sollten. Auf der anderen Seite sind Hammerhaie aber auch furchtbar scheu und suchen beim ersten Anzeichen von unbekannten Lebensformen, die sich durch laute Blubberblasen verraten, das Weite. So passiert eine halbe Stunde lang gar nichts, bis doch noch ein einzelner Hammerhai auftaucht, kurz stutzt und dann bei meinem Anblick schnellstens das Weite sucht – ich nehme es nicht persönlich. Ohne diesen Hai hätten wir 60 Minuten lang nur Wasser und Sand angestarrt.
Die "Sea Escape" verdrückt sich zum Boiler, sodass wir die restlichen Tauchgänge des Tages am Canyon absteigen, natürlich weiterhin unter Zuhilfenahme der gleichen Affenschaukel wie am Morgen. Das Sandplateau wird hier durch einen kleinen Rücken aus großen Felsbrocken begrenzt, an dem es zwei Putzerstationen für die Haie gibt. Wieder hocken wir uns nach dem Abstieg in die Nähe einer Putzerstation und warten.
Wir warten und warten und warten. 5 Minuten vor Ablauf unserer Nullzeit kommen sie dann doch noch, eine kleine Schule aus 5-10 Hammerhaien kreuzt vor der Station hin und her. Leider müssen wir uns gerade, als es interessant wird, verabschieden und hoffen auf ein frühzeitigeres Erscheinen während der Tauchgänge 3 und 4.Die Hoffnung wird belohnt, als wir beim nächsten Mal an der Putzerstation auftauchen, sind die Haie schon da. Wir hocken uns mit 15 Mann in eine Reihe und versuchen, möglichst wenig zu atmen. Dies gelingt, sodass wir einige Male tiefere Einblicke in die fachmännische Reinigungsarbeit bekommen und dieser Tauchgang ein voller Erfolg wird. Zufrieden mache ich es mir nach der Rückkehr aufs Schiff auf dem Sonnendeck bequem und verschlafe Abstieg Nummer 4. Unmittelbar nach diesem wird der Anker eingeholt und die 4 Stunden Fahrt gen Socorro, unserer nächsten Station, in Angriff genommen. Während der Überfahrt ergreift die stark vertretende Kölner Fraktion die Macht über die Soundanlage und gibt datumsgerecht ein paar karnevalistische Ständchen zum Besten. Die etwas ratlosen Blicke der mexikanischen und kanadischen Crew lassen erahnen, dass noch viel Überzeugungsarbeit nötig ist, damit das rheinische Kulturgut in Übersee Fuß fasst ...
Keine gellenden "Briefing"-Rufe stören die Ruhe am Morgen, da wir erst noch auf die Kontrolle der Navy warten müssen. Seit 1957 gibt es auf Socorro eine Marine-Basis, deren Soldaten sich heutzutage mit der Überprüfung der Boote, die das Biosphärenreservat der Islas Revillagigedo besuchen, die Langeweile vertreiben. Außerdem betreibt die Marine auf der Insel drei Seismografen zur Messung von Erderschütterungen und Wasserschall, sowie eine Station zur Messung von radioaktiven Nukliden. Hiermit soll die Einhaltung des 1996 von der UNO verabschiedeten Kernwaffenteststopp-Vertrag im Pazifik überwacht werden. Blöd nur, dass seitdem noch keiner der 44 Staaten, die über Kernwaffentechnologie verfügen, den Vertrag ratifiziert hat. So überwacht die Marine nur, dass wir unsere 250 US$ Nationalparkgebühr entrichtet haben, indem sie sich die im Gegenzug erhaltenen Plastikkärtchen zeigen lässt. Eigentlich wollen sie aber nur einen kleinen Plausch mit der Nautilus Explorer Crew halten, denn die Nationalparkgebühr ist in unserem Tourpreis schon enthalten und wird sowieso direkt vom Bootsbetreiber an den mexikanischen Staat abgeführt.
Nachdem die Überprüfung keine verdächtigen Aktivitäten auf der Nautilus Explorer zutage gefördert hat, kommen wir endlich ins Wasser. Punta Tosca befindet sich an der Westspitze Socorros. Die vom Vulkan, dessen letzter Ausbruch aus dem Jahre 1993 datiert, hier ins Meer geflossene Lava ist dabei erstarrt und bildet seitdem einen unterseeischen Bergrücken ("Lava Flow" genannt), der auf der Nordseite senkrecht in große Tiefe abfällt, während er auf der Südseite in 25 m auf einer Sandfläche endet. Auf selbiger befestigen wir an einem kleinen Felsblock unser Abstiegsseil, denn als wir eintreffen, strömt es etwas und wir wollen nicht schon beim Abstieg ins Blau gespült werden. "Don't go blue" heißt die wichtigste Regel vor den Islas Revillagigedo: Hat man keine Referenz zum Riff mehr, ist sofortiges Auftauchen und Boje setzen angesagt. Die Sicht ist vergleichsweise mies, so 15-20 m dürfte es haben, super für einen Baggersee, bescheiden für den Ostpazifik. So nehmen wir den einen Manta nur als Silhouette in der Entfernung war. Im Vergleich zu letztem Jahr finde ich auch das restliche Fischleben eher spärlich: Keine müde Haiflosse und kein Schwarmfisch wandert durchs Blickfeld. Einzig die mit Langusten vollgestopften Felsritzen sind eine Erwähnung wert.
Viel besser wird es auch beim zweiten Tauchgang nicht, wieder 2 Silhouetten-Mantas, denen wir nicht zu Nahe schwimmen können, weil uns die mittlerweile starke Strömung sofort vom Lava Flow ins Blauwasser ziehen würde und der Tauchgang damit beendet wäre. So bleiben wir am Lava Flow und gucken in jede Ritze, bis wir schließlich zum Abstiegsseil zurückkehren um dort, wie ein Fähnchen im Wind waagerecht in der Strömung hängend, auf das Taxi für die Rückkehr zum Schiff zu warten. Dass so eine Strömung nicht nur mensch-, sondern auch materialermüdend ist, bekommt Buddy Frank dann zu spüren: In 3 m Tiefe am Seil hängend verabschiedet sich die Sicherung, mit der er die Videoausrüstung inkl. Lampen am Jacket befestigt hat. 6000 EUR sinken schneller zum Meeresgrund als man hinterhertauchen kann, was mit 30 bar Restluft auch nicht unbedingt ratsam ist. Nach der Rückkehr auf die Nautilus Explorer starten Käpt'n Tim und Guide Joel sogleich eine Such- und Rettungsmission. Die Frage ist, ob das Equipment genug Abtrieb hatte und vor dem Erreichen der Steilwand auf dem Lava-Flow aufgetitscht ist oder es die Strömung darüber hinaus getrieben hat. In letzterem Fall läge es in unerreichbarer Tiefe und GoPro und Hartenberger freuten sich über ein gutes Weihnachtsgeschäft. Nach einer bangen Stunde des Wartens kommt die erlösende Nachricht: Die Kameras haben es rechtzeitig zu Boden geschafft. So freuen sich stattdessen die Retter auf ein fürstliches Trinkgeld. Ich glaube, Frank hat die Kamera für den Rest des Trips nicht mehr losgelassen ...
Da bzgl. Strömung und Sicht keine Besserung in Sicht ist, verlegen wir den letzten Tauchgang des Tages vom Lava Flow in die geschützte Bucht. Hier ist zwar kein Großfisch zu erwarten, dafür ist es mit all den herumliegenden Felsblöcken und dem ganzen Rifffisch eine prima Spielwiese für Fotografen. Beim Sprung ins Wasser wundere ich mich über die Schwärme von Galapagos- und Gitter-Doktorfischen, die immer wieder knapp unter der Wasseroberfläche in einem Affenzahn an mir vorbeirauschen. Kaum ist eine Gruppe in die eine Richtung verschwunden, stößt von der anderen Seite eine neue Gruppe nach. Fühlt sich an wie der Versuch, in der Rushhour hinterm Adenauer-Weiher die Dürener Straße zu überqueren. Den Rest des Tauchgangs verbringe ich damit, die Geduld meiner beiden Buddies extrem zu strapazieren, indem ich jeden, aber auch wirklich jeden Clarión-Riffbarsch, der sich in der Gegend rumtreibt, von allen Seiten ablichte. Hat er sich aber auch verdient, das bunte, endemische Kerlchen. Dass unsere Eingangsannahme nicht so ganz stimmte, erfahren wir bei der Rückkehr auf die Nautilus Explorer: Silvi und Sebastian hatten viel Spaß mit einem strömungsfreien Manta in der Bucht.
Nichtsdestotrotz waren das heute sicherlich die schwächsten Tauchgänge eines bisher genialen Trips. Dafür, dass der Tag trotzdem noch einen klasse Abschluss findet, sorgt die nach dem Abendessen angesetzte, nächtliche Schnorchelaktion. Damit man im pechschwarzen Wasser was sehen kann, dürfen wir ausnahmsweise unsere Lampen mitnehmen, deren Benutzung ansonsten im Nationalpark untersagt ist. Damit es überhaupt was zu sehen gibt, kippt die Crew eine klitzekleine Probepackung eines aromatisierenden Dufts ins Wasser, der Seidenhaie anlocken soll. Das gelingt auch vorzüglich, schon nach kurzer Zeit tauchen drei Seidenhaie in den Lichtkegeln unserer Lampen auf. Unterstützt werden sie von zwei allerliebsten Baby-Silvertips, wirklich die kleinsten Silberspitzenhaie, die ich bisher gesehen habe.
Während die Silvertips etwas zurückhaltend sind, haben die Silkies keine Scheu und bahnen sich immer wieder den Weg zwischen uns hindurch, was gar nicht so einfach ist, da das Areal, in dem wir uns bewegen dürfen, sehr klein und mit Bojen und Leinen markiert ist. Bei 24 Mann im Haifischbecken hat man so neben einem Silky auch immer mal wieder eine Taucherflosse im Gesicht. Macht aber nichts, die Silkies sind schon ein paar Schrammen wert. Etwas aufpassen muss man bei der Angelegenheit allerdings schon, ein Silky zeigt bemerkenswert starkes Interesse an meinen grünen Flossen. Bevor die Veranstaltung eskaliert, steigen wir nach 45 Minuten aus dem Wasser mit der Hoffnung, dass auch das Tauchen morgen wieder etwas besser wird.Video: Nachtschnorcheln mit Silkies [03:19 Min.]Noch vor dem ersten Frühstück machen wir die Biege, das Schiff wird auf die Ostseite der Insel verlegt. Hier hat es mit Cabo Pearce (manchmal auch "Cabo Pierce") den zweiten Haupttauchplatz Socorros, der ähnlich wie Punta Tosca aufgebaut ist: ein unterseeischer Bergrücken, auf dem es einige Putzerstationen für Haie und Mantas gibt. Die Riesenrochen lassen sich auch nicht lumpen und sind schon da, als wir mit einer schwungvollen Rolle rückwärts vom Schlauchboot ins Wasser platschen. Zwei Chevrons und ein Black Manta kreisen immer wieder übers Riff, wo die Clarion-Kaiserfische sich auf sie stürzen, um sie von lästigen Parasiten zu befreien. Wir hocken uns ans Riff und schauen dem Treiben zu, nur kurz abgelenkt von ein paar Hammerhaien und einem Baby-Galapagos (entzückendes Kerlchen!). Die Mantas bleiben den kompletten Tauchgang. Schon beim Austauchen an der Steilwand entlang, die die Bucht schmückt, freuen wir uns auf die nächste Begegnung in ein paar Stunden.
Nach dem großen Frühstück geht's weiter, dieses Mal sind es ein paar Hammerhaie, die wir zuerst erblicken. Doch schon nach ein paar Minuten tauchen auch die Mantas wieder auf, ein Sixpack Delfine im Schlepptau. Während sich die Delfine nicht in Spiellaune zeigen und schnell wieder verschwinden, haben es die Mantas nicht eilig. Vier Stück kreisen volle 60 Minuten übers Riff und bescheren uns erneut eine Begegnung der besonderen Art. Die wird beim nächsten Tauchgang nochmal getoppt, denn während die Rochen bei den ersten beiden Abstiegen noch etwas zurückhaltend in puncto Interaktion waren, scheint sie beim dritten Abstieg die Neugierde gepackt zu haben. Angeblich sind Mantas (zumindest die an den Socorros) in der Lage, Taucher individuell an ihren Augen zu erkennen. Von daher sollte man immer versuchen, Augenkontakt herzustellen. Gefällt einem Manta dann ein Augenpaar, wird er den zugehörigen Taucher immer wieder anschwimmen. Ob weibliche Mantas männliche Taucher (und umgekehrt) bevorzugen, ist allerdings nicht überliefert. Jedenfalls funktioniert die Augentaktik beim dritten Abstieg ganz ausgezeichnet, immer wieder segeln die Mantas langsam nur wenige Zentimeter über unsere Köpfe, verharren kurz, während sie sich von der Putzkolonne versorgen lassen und zischen dann ab, um in einem Bogen einen neuen Anlauf zu nehmen. Als wir nach 50 Minuten das Riff verlassen, folgen sie uns sogar noch ein kleines Stück die Steilwand entlang. Völlig begeistert steigen wir kurz darauf aus dem Wasser, für mich war dieser Tauchgang definitiv die beste Manta-Begegnung ever.
Nach dem letzten Tauchgang, der außer mehr Mantas noch Delfine, einen Galapagoshai und einen etwas verwirrt umherschwimmenden Stechrochen für uns bereithält, brechen wir die Zelte vor Socorro ab und stechen zu unserer letzten Station in See. Bis Roca Partida sind es etwa 75 Seemeilen, was für Käpt'n Tim und Co-Käpt'n Karl mal wieder eine Nachtschicht bedeutet.
Das Timing ist perfekt, kurz nach Sonnenaufgang kommt in der Ferne Roca Partida in Sicht. Während ich letztes Jahr beim ersten Anblick des winzigen Felsen im Niemandsland des Pazifiks noch dachte: "Ist das alles?", kann mich der Anblick heute nicht mehr erschrecken. Ich bin gespannt, wie sich die Haisituation im Vergleich zum Vorjahr präsentieren wird. Sind sie noch da, unsere Freunde mit den dreieckigen Flossen? Oder hat die Haifischflossenmafia auch hier ganze Arbeit geleistet und ein Naturparadies zerstört?
Die Befürchtungen lösen sich schnell in Wohlgefallen auf, als wir an der Ostseite des Felsens den Kopf ins Wasser stecken. Wir lassen uns in 25 m Tiefe hängen und schauen Fernsehen: Sechs Dutzend Silberspitzen-, Galapagos- und Hammerhaie patrouillieren um den Felsen. Immer wieder verdecken die riesigen Stachelmakrelenschwärme die Sicht, Black Jacks, Großaugen- und Weißmaulmakrelen zu Tausenden, dazu ein paar Dutzend Ozelote, es ist ordentlich was los. Auch eine Hundertschaft Weißspitzenriffhaie ist unterwegs, im Gegensatz zum letzten Jahr sind sie meist geschäftig an der Wand unterwegs statt sich palettenweise auf den Balkonen auszuruhen. "Brilliant, fantastic, awesome!" notiere ich in mein Logbuch und das sagt eigentlich alles.
Die Hai-Action lässt auch an den beiden folgenden Tauchgängen nicht nach, ich komme mir fast ein bisschen vor wie im Kanal von Fakarava. Schade ist nur, dass die Hai-Armada oft sehr tief unterwegs ist und die Sicht unterhalb von 30 m durch eine komische grüne Plankton-Schicht etwas beschränkt ist. Nur gut, dass sich die Silberspitzen mit ihren leuchtenden Flossenenden so schön vom dunklen Meer abheben und Hunderte weißer Farbtupfen durchs Wasser wuseln. Begeisterung lösen auch die drei Mantas aus, die uns beim Sicherheitsstopp auf Tauchgang 2 besuchen. Denn in den letzten vier Jahren gab es keine Mantas mehr vor Roca Partida. Nun scheinen sie zurückzukommen. Joel bittet uns, Fotos vom Bauch der Rochen zu schießen, denn neben dem Shark-ID-Programm unterstützt die Nautilus Explorer auch ein Manta-ID-Programm. Jeder Manta hat auf dem Bauch ein individuelles Muster aus schwarzen und grauen Flecken, anhand derer man jedes Tier eindeutig identifizieren kann.
An Tauchgang 4 muss ich dann der Tiefe und den kurzen Oberflächenpausen Tribut zollen. 12 Minuten lang lässt mich mein Computer auf 38 m noch mit den Silberspitzen und Galapgoshaien verbringen, dann schickt er mich hoch auf 7 m. 3:30 Std. Nullzeit oberhalb dieser Marke, 0 Minuten unterhalb, ein komischer Humor für ein paar unterbeschäftigte Schaltkreise. So verbringe ich den Großteil des Tauchgangs mit Wühlen an der Wand, was die Begeisterung über den ersten Tag an Roca Partida nicht schmälern kann.
Video: Viel los am Roca Partida [04:27 Min.]Wolf und Darwin in nichts nachsteht. Macht aber nix, auch so waren es fantastische zwei Tage, die bzgl. Hai- und Schwarmfischaufkommen die letztjährige Tour nochmal deutlich getoppt haben. Mit breitem Grinsen auf allen Gesichtern packen wir zusammen und treten bei einem kitschigen Sonnenuntergang die Rückreise an.
Die Geschichte des letzten Tages ist schnell erzählt: Bei allen 4 Tauchgängen hat es weiterhin Haie satt und auch die Mantas sind weiter vor Ort. Beim letzten Tauchgang schickt mich mein Computer wieder auf eine 50-minütige Schnorcheltour, wodurch ich die Hammerhaischule verpasse, die laut Augenzeugenberichten denen vonRuhig tuckert die Nautilus Explorer dahin, der Pazifik ist ungewöhnlich glatt und lädt wie schon vor einer Woche zu einem kurzen Dip ein. Der Nachmittag vergeht mit Paperwork, Kram zusammenräumen, Fotos austauschen und Kommunizieren mit den Mitreisenden wie im Flug. Schon bald nach dem letzten Abendmahl erreichen wir gegen 21:45 Uhr den Hafen von Cabo San Lucas, die Rückfahrt ging satte vier Stunden schneller als letztes Jahr.
herzzerreißenden Verabschiedung haben wir noch Zeit für einen kleinen Hafenbummel. Frank und ich bringen uns schon mal in Stimmung für den nächsten Trip, die Isla Mujeres wirft bereits ihre Schatten voraus. Bei zwei vorzüglichen Margaritas philosophieren wir über die vergangenen zwei Wochen, für die es nur ein Fazit gibt: Mega! Sicherlich eine der besten Tauchsafaris der letzten Jahre. Und seit Cocos sage ich das nicht mehr nach jedem Urlaub ... Wir hatten perfekte Bedingungen vor Guadalupe mit jeder Menge beeindruckender Großer Weißer, verspielte Seelöwen vor San Benitos, ohne Ende kommunikative Mantas vor Socorro und eine Hai-Armee vor Roca Partida, die mich fast hoffen lässt, dass es vielleicht doch noch nicht zu spät ist. Mit einem guten Gefühl begebe ich mich daher auf die Ochsentour zurück, via L.A., London und München nach Köln, wo 22 Stunden nach dem Abflug in Cabo San Lucas ein genialer Urlaub zu Ende geht.
Nach der wie immer