Rotfeuerfisch

Süd-Tour auf der "Cyclone"

September 2001

10. September 2001, 6 Uhr morgens, die Süd-Tour beginnt vielversprechend. Der Flieger hebt mit einer Stunde Verspätung in Düsseldorf ab. In Hurghada erwartet mich dasselbe Gewusel wie schon im April, nur ist diesmal wenigstens kein Abholer des Veranstalters da. Da die Telefone hier auch keine US$ vertragen (US$ sind ungefähr die zweite Währung in Ägypten, kann man in Touri-Zentren fast alles mit zahlen) und ich keine ägyptischen Pfund dabei habe, nehme ich ein Taxi zum Marriot, weil ich mich dunkel zu erinnern meine, dort die "Cyclone" im April hab liegen sehen. Während der Fahrt diskutiert der Fahrer mit mir gestenreich und lautstark penetrant über den zu bezahlenden Fahrpreis, obwohl wir vorher 5 $ ausgemacht hatten. Mehr solle ich auf keinen Fall zahlen, hatten mir die freundlichen Neckermann-Reisebegleiter am Flughafen gesagt. Nachdem mir vom Redeschwall des Taxifahrers noch die Ohren dröhnen, kommt am Marriot dann die nächste Enttäuschung. Weit und breit keine Cyclone in Sicht. Per dollar-bezahlbarem Telefon erfahre ich, dass sie am Sheraton liegt. Freudig will ich schon los, doch es hapert leider mit dem Bezahlen. Die Hotelcrew kann mir auf mein 2 $-Telefongespräch, welches ich mit einem 10 $-Schein zahlen will, nicht herausgeben und schlägt mir ernsthaft vor, doch den 15-minütigen Fußmarsch zur Bank zu machen, dort die 10 $ zu wechseln, zurückzukommen und dann in Pfund zu bezahlen. Ich gucke die Hotelmenschen an wie'n Auto und denke nur "Habt ihr eigentlich 'ne Vollmeise?". Wohlgemerkt, wir reden hier vom feinen Marriot, nicht von irgendsoeiner Hinterhofspelunke. Meinen Vorschlag, dass sie mir auf meine 10 $ einfach in Pfund herausgeben können, finden sie dann auch ganz schick und so finde ich mich wenig später am Sheraton wieder, wo tatsächlich die Cyclone vor Anker liegt. Hurra, es ist doch immer schön, wenn ein Trip unkompliziert anfängt.

Tag 1+2: Hurghada

Am nächsten Tag beginnt unser Tauchabenteuer mit einer Überraschung. Kein Checktauchgang. Ich dachte, der wäre im Roten Meer gerade auf Liveaboards obligatorisch. Ich hatte mich auch schon gewundert, dass am Vortag keiner der beiden ägyptischen Guides mal ein Tauchtauglichkeitszeugnis oder wenigstens mal das Logbuch sehen wollte. Nichts da, lediglich das Tauchbrevet mussten wir vorlegen. Ob da nun einer mal 2 Jahre nicht getaucht war oder nicht, hat keinen interessiert. Eigenverantwortung finde ich ja gut, aber als Guide hätte ich doch gerne gewusst, mit wem ich es da zu tun habe. Die nächste unangenehme Überraschung folgt auf dem Fuß. Wir steuern heute nur Gota Abu Ramada, einen Tauchplatz nahe Hurghada, an. Unsere Crew eröffnet uns, dass wir die Nacht nochmal in Hurghada verbringen müssen, da am Vortag einer der beiden Generatoren zu Bruch gegangen ist. Das kaputte Teil ist direkt nach Kairo geschickt worden und sie erwarten es am nächsten Morgen zurück. Irgendwie denke ich, ich fress 'nen Besen, wenn es ein Teil innerhalb von 36 Stunden von Hurghada nach Kairo und zurück schafft und in dieser Zeit auch noch repariert wird. Die Crew lässt uns jedenfalls in dem Glauben und irgendwie verliert die Aufregung über den verlorenen Tag dann auch gleich jegliche Bedeutung, als wir bis spät in die Nacht die Horrorbilder aus New York verfolgen, die uns das ägyptische Fernsehen via CNN auf den Schirm bringt. Die Frage, ob man angesichts solcher Ereignisse noch einen spaßigen Urlaub haben kann, stellt sich für uns trotzdem nicht, wir können ja eh nichts ändern.

Tag 3: Safaga

An Tag 3 verlassen wir endlich Hurghada und verbringen den Tag an altbekannten Plätzen um Safaga, namentlich Panorama Reef und Middle Reef. Mit jedem Tauchgang am Panorama-Riff finde ich den Platz schöner, während es mir beim mittleren Riff genau andersrum geht. Freude kommt auf, als wir erfahren, dass wir schon am nächsten Morgen die Brothers erreichen werden.

Tag 4+5: Brothers

Die ganze Nacht durch wird gefahren, Schlafen unmöglich bei dem Seegang und dem Dröhnen des Schiffsdiesels, was dazu führt, dass sich am nächsten Morgen um 7 Uhr eine Mannschaft mit sehr, sehr kleinen Augen auf dem Tauchdeck einfindet. Die werden im Laufe der beiden folgenden Tage immer größer, denn die sechs Tauchgänge an den Brother Islands sind mal wieder spitzenmäßig und stehen denen, die ich im April gemacht habe, in nichts nach.

Tag 6: Daedalus

In der folgenden Nacht wird mal wieder gefahren, neun Stunden sind's bis Daedalus, das an Tag 6 auf dem Programm steht. Auf dieses Riff habe ich mich am meisten gefreut, denn absolut jeder, der es kennt, schwärmt hiervon. Die exponierte Lage mit Meerestiefen bis 500 m in naher Umgebung und die normalerweise starke Strömung machen es zum idealen Ort für Begegnungen mit Großfischen.

Unser erster Tauchgang beginnt am frühen Morgen mit einem Hüpfer vom Zodiac an der Nordspitze des Riffs. Wir tauchen an der Ostseite am Dropoff entlang und starren ins tiefblaue, kristallklare, offene Wasser, um zu schauen, ob sich vielleicht einer der besagten Großfische blicken lässt. Fehlanzeige - vielleicht liegt's daran, dass es überraschenderweise absolut null Strömung hat, was am Daedalus-Riff relativ selten vorkommen soll. So halten wir uns einfach an den bis in 50 m Tiefe senkrecht abfallenden Dropoff, der aber von der Korallenpracht nicht an die Brothers herankommt. Am südlichen Riffende merkt man, dass die Versorgungs- und Safariboote hier festmachen, denn allerlei Gerümpel und alte Autoreifen zieren hier den Meeresboden. Zwischen 0 und 7 m hat es aber auch prima Weichkorallen.

Für die Tauchgänge zwei bis vier springen wir an der Westseite ins Wasser, gegen die die Ostseite ein absoluter Langweiler ist. Der Dropoff, der hier bis in über 60 m Tiefe reicht, ist einfach gigantisch mit tollen Felsformationen, wunderbaren Weichkorallen, großen Feldern von Steinkorallen, Anemonen, in denen sich Clownfische tummeln und mächtigen Tischkorallen. Barrakudaschwärme sind ebenso zu sehen wie Schildkröten, Riesenmuränen, Drachenköpfe, das Gewusel der vielen kleinen Rifffische und ein altes Paar weißer Herrenschuhe. Da lässt es sich verschmerzen, dass wir auch während der drei Tauchgänge hier nicht eine müde Haiflosse zu sehen kriegen.

Zur Auflockerung des Tauchbetriebs statten wir nach dem Abendtauchgang dem Leuchtturm, der die winzige Grundfläche des Riffs komplett einnimmt, einen Besuch ab. Yahia, unser Guide, empfiehlt uns freundlicherweise noch, besser Schuhe anzuziehen, denn auch nach ägyptischen Maßstäben ist die Keimfreiheit des Treppenhauses, das auf die vielleicht 30 m hohe Plattform führt, eher als niedrig einzustufen. Das Mauerwerk des über 100 Jahre alten Turms sieht auch nicht so richtig vertrauenerweckend aus, die lustige Rohrkonstruktion, die zur Abstützung des Plattformbodens dient, würde jedem hiesigen TüV-Prüfer (und nicht nur dem) die Fußnägel kräuseln. Dafür ist der Sonnenuntergang prima.

Tag 7: Rocky und Zabargad

Am späten Abend wird wieder der Diesel angeschmissen und wir bringen weitere zehn Stunden Nachtfahrt hinter uns. Die Ziele an Tag 7 heißen Zabargad und die direkt benachbarte Rocky Island, welche wir zunächst ansteuern. Sicherheitshalber habe ich mir eine leichte Erkältung zugezogen, sodass die Stirnhöhlen dicht sind. Abtauchen unmöglich, also muss Rocky leider ohne mich auskommen. Für den Nachmittags- und Nachttauchgang in Zabargad reicht's dann glücklicherweise aber.

Unser erster Tauchgang führt uns zu einem an der Südseite der Insel gelegenen Wrack eines Frachtschiffes. In der einschlägigen Literatur wird Herkunft des Schiffes sowie Ursache und Zeitpunkt des Untergangs als "unbekannt" bezeichnet. Unsere ägyptischen Guides erzählen uns, dass es sich höchstwahrscheinlich um das Wrack eines russischen Frachters handelt, welcher zwischen 1962 und 1968 von der ägyptischen Marine versenkt worden sei, da er militärisches Gerät für den Sudan geladen hatte - illegal, versteht sich. Der etwa 70 m lange Frachter liegt in Strandnähe in einer Tiefe von 22 m und ist daher für jedermann leicht zu betauchen.

"Ziemlich diesig" ist das erste, was ich denke, als wir am frühen Nachmittag vom Zodiac ins Wasser rollen - vorsichtig, um nicht geradewegs auf dem Hauptmast zu landen, der bis einen halben Meter unter die Wasseroberfläche reicht. Die an den Strand rollenden Wellen wirbeln einen Haufen Sand vom Meeresboden auf, sodass viele, viele Schwebeteilchen die Sicht auf 10 - 15 m begrenzen. Wir beginnen unsere Erkundungstour mittschiffs und arbeiten uns zum Bug vor, der, vollständig vom Rest des Schiffes abgetrennt, auf der Backbordseite liegt. Korallen haben von der Reling, den Winden und diversen Aufbauten Besitz ergriffen, von einer "Farbenpracht" kann man aber wirklich nicht sprechen. Die Laderäume im vorderen Teil sind leer, weswegen man sich die meiste Zeit dem Heckbereich und dem Inneren des Wracks widmen sollte. Durch die engen Gänge muss man sich regelrecht zwängen, und da die ein oder andere Sackgasse, auf die man trifft, auch noch zu einer Kehrtwendung in den Gängen zwingen, kann eine Erkundung des Wrackinneren doch zu einem ziemlichen Verrenkungsspielchen werden. Dabei sollte man aufpassen, nicht allzu viel von dem Sediment aufzuwirbeln, welches stellenweise in einer dicken Schicht den Boden bedeckt. Entschädigt wird man dafür mit dem dunklen, dreigeschossigen Maschinenraum, der alleine schon ein Eindringen in das Wrack rechtfertigt und der Käptn's Kabine. Insgesamt doch ein sehr interessanter Tauchgang, trotz fehlendem marinen Leben.

Unser zweiter Tauchgang in Zabargad ist ein Nachttauchgang an einem bis in 18 m Tiefe reichenden Slopoff, der anschließend in einen bis auf 60 m Tiefe abfallenden Dropoff übergeht. Den Slopoff zieren haufenweise Tischkorallen, die überall über den Hang verstreut herumstehen. Große Schulen von Einhornfischen tauchen im Lichtkegel unserer Lampen auf und wir treffen auch wieder auf zwei Spanische Tänzerinnen. Winzige Krebse laufen überall in den Geweihkorallen herum und die tollen, bizarren Unterwasserfelsformationen machen auch diesen Tauchgang zu einem der besseren Sorte.

Prima ist auch, dass heute mal keine Nachtfahrt ansteht und wir wieder ohne Schlafsack bei einer leichten Brise an Deck pennen können. Wenn man bösartig wäre, könnte man natürlich auch sagen, dass man an Deck pennen MUSS, denn zu unser aller Verwunderung läuft auf unserem "Tauchboot der Luxusklasse" (O-Ton Werbung) die AirCon nur eine Stunde vorm Schlafengehen. Nun ja, sie läuft zwar auch noch eine Stunde nach dem Schlafengehen, allerdings könnte man sich genausogut neben einen Presslufthammer oder in eine Sauna legen. Oder mit einem Presslufthammer in eine Sauna, dann hat man genau das Cyclone-Unter-Deck-Laufende-AirCon-Kabinenfeeling. Nach einigem Diskutieren rückt die Crew dann auch mit dem Grund für die Sparmaßnahme heraus. Natürlich ist das kaputte Generatorteil nicht rechtzeitig aus Kairo zurückgekommen und wir sind mit nur einem funktionierenden Generator unterwegs. Der Crew war es einfach zu peinlich, uns dies mitzuteilen. Ägypten, Du hast es besser.

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