April 2017
Wegen der Sperrung eines Flugkorridors im russischen Luftraum hebt unser China Airlines-Flieger mit fünf Stunden Verspätung in Frankfurt ab. Nicht schlimm, das Unterhaltungsprogramm an Bord ist gut und die Transferzeit in Taipeh reichlich bemessen. Zwölfeinhalb Stunden ist man bis dahin unterwegs. Danach dauert es nochmal vier Stunden, bis wir am frühen Abend in Koror landen. Der Bustransfer braucht weitere 20 min, dann haben wir endlich unser Ziel erreicht, das im Hafen von Malakal Island ankert:
Für die nächsten 18 Tage wird die Solitude One Tauchbasis und Hotel für uns sein. Zum ersten Mal nimmt der Betreiber während der Überführung des Schiffes von Palau nach Tubbataha in der philippinischen Sulu-See Gäste mit an Bord, was auf eine Idee von Tauchertraum zurückgeht, die das Schiff für diese Tauchsafari gechartert haben. Michael und Xenia begleiten die Tour auch selbst. Die übrigen Mitreisenden sind größtenteils eine ebenso lustige wie illustre Runde von Tauchertraum-Stammkunden, die man in den vergangenen 10 Jahren auf dem ein oder anderen Trip getroffen hat. Gemeinsam werden wir zunächst in der ersten Woche die Tauchplatz-Highlights Palaus unter die Lupe nehmen, bevor es rüber zu den Philippinen geht.
Steinkorallengarten ein einfacher Start – genau das Richtige zum Eingewöhnen, bevor in den nächsten Tagen anspruchsvollere Plätze warten. Schönes Ding, das auch unter dem Namen Ngemelis Coral Garden bekannt ist, auch wenn sich das Fischleben etwas spärlich ausnimmt.
Nach einer ruhigen Nacht laufen wir am frühen Morgen aus und steuern Ngemelis Island an, an dessen Westseite unser 1. Tauchplatz liegt: Fairyland ist sicher keiner der Topspots unter Palaus Tauchplätzen, aber bei 27°C Wassertemperatur und 30 m Sicht ist das Streunen durch den superschönenSalon kann man sich bequem auf die Sofas oder die zahlreichenden Sitzkissen lümmeln, Bowling oder Golf auf der bereitgestellten Wii zocken und sich aus einem von zwei Selbstbedienungskühlschränken mit Getränken versorgen. Der andere Kühlschrank steht auf dem Oberdeck, auf dem sich auf der hinteren Hälfte der überdachte Essbereich befindet. Die Mahlzeiten werden in Buffetform serviert und sind genauso schmackhaft wie reichhaltig. Noch eine Etage höher ist das Sonnendeck mit Liegestühlen und Hängematten. Hat man sich dort lange genug durchgebruzzelt, kann man sich im Jacuzzi am Bug etwas abkühlen oder sich in die klimatisierten Kabinen zurückziehen, die sich auf Haupt- und Unterdeck befinden und ebenfalls mit Universalsteckdosen, sowie Fernseher und individuellem Bad ausgestattet sind. Kurzum: Besser geht's nicht, ich glaube, ich werde es hier sehr gut aushalten können!
Nach dem ausgiebigen Frühstück wird es Zeit für die Bootsbesichtigung. Die 52 m lange "Solitude One" ist der absolute Hammer, das mit Abstand beste Tauchschiff, das mir bisher untergekommen ist! Auf dem riesigen Tauchdeck hat jeder der 20 Gäste unendlich viel Platz, das Tauchgerödel und Kameraequipment zu verstauen. Es gibt Luftduschen für die Kameras, Nitrox-Analyzer, Wasserkanister für einen schnellen Schluck vor dem nächsten Tauchgang, warme und kalte Handtücher nach dem Tauchgang und eine extra Toilette, wenn es mal schnell gehen muss. Für Foto- und Videografen gibt es auf dem Hauptdeck einen eigenen Technikraum, in dem es neben massig Ablageflächen und zwei Computern für das Sichten und Schneiden der Videomaterialien auch Universalsteckdosen inkl. USB-Slot gibt – Adapter mitnehmen überflüssig. Im danebenliegendenMit einem der zwei PS-starken Fiberglas-Skiffs geht es nach der Frühstückspause auf zum nächsten Tauchplatz: Die Turtle Cove befindet sich am westlichsten Zipfel von Carp Island, bei den Einheimischen auch "Ngercheu Island" genannt. Durch ein wenige Quadratmeter großes Loch im Riffdach (quasi ein "Mini Blue Hole") geht es in eine Kaverne, die sich in 20 m Tiefe zum Meer hin öffnet. Danach folgen wir der schön bewachsenen Steilwand. Es hat schon etwas mehr Fisch als im Märchenland und auch von den Namensgebern sind einige vor Ort, wenn auch die große Krötenwanderung ausbleibt. Auch die ersten Dreiecksflossen schauen vorbei; ein paar Graue in Begleitung einiger Riffdackel. Insgesamt ganz schön.
Am Nachmittag steht mit dem German Channel einer der bekanntesten Plätze Palaus auf dem Programm. Der Kanal wurde 1909, als Palau deutsche Kolonie war, in das ganz Palau umschließende Außenriff gesprengt, um den Transportweg für das auf der Insel Angaur abgebaute Phosphat zum Hafen in Koror zu verkürzen. Heute nutzen den Kanal vor allem die Tauchboote aus Koror, um schnell an die besten Tauchspots am westlichen Außenriff zu gelangen, sowie die Mantas aus dem Pazifik, um sich an einer der drei Putzerstationen im Kanal von lästigen Parasiten befreien zu lassen. Heute scheinen sie ihre Hygienemaßnahmen allerdings schon beendet zu haben, denn völlig umsonst klappern wir die Putzerstationen ab, kein Manta weit und breit. Dafür hat es einige Graue Riffhaie, die schwimmenderweise Siesta halten, sodass wir auf Armlänge an sie herankommen. Am Ende treiben wir bei einlaufender Strömung, die durch die Trichterwirkung des Kanals enorm verstärkt werden kann, mit flottem Drift in die Lagune. Nett, nur fliegen ist schöner!
Drei bis vier Tauchgänge werden auf dem Törn täglich angeboten, außer natürlich während der Überfahrt zu den Philippinen. Wie sich vier anfühlen, kann man am Abend beim Nachttauchgang an der German Wall, einem Hang in der Nähe des Kanals, austesten. Großartige Highlights gibt es nicht zu berichten; wie für einen Nachttauchgang nicht anders zu erwarten, beschäftigt man sich mit all dem Kleinzeug im Riff, wie Federsternen, Nacktschnecken, Krebsen und schlafenden Fischen. Kann man machen – oder man kann stattdessen auch schon mal ein vorgezogenes Deko-Bier nehmen.
An Tag 2 warten ein paar alte Bekannte: Heute betauchen wir die Insel Peleliu, wo ich vor 11 Jahren bei meinem ersten Palau-Besuch stationiert war. Peleliu ist vor allem für seine strömungsreichen Plätze bekannt, die sich an der Südspitze der Insel befinden. Wenn es hier so richtig zieht, ist normalerweise der Großfisch nicht weit. 2006 hat das mit dem Ziehen allerdings nicht so geklappt, vor Peleliu war Badewanne. Ich bin gespannt, wie es dieses Mal wird.
Den Start macht der Peleliu Express an der Südostseite. Der Anblick der Mondlandschaft erschreckt mich etwas, war hier nicht mal ein Korallenriff? Oder konnte hier wegen der meist starken Strömungen noch nie was wachsen? Bin nicht sicher. Da es entgegen dem Namen, der etwas anderes suggeriert, heute absolut null Strömung hat, müssen wir aus eigener Kraft Richtung Südspitze paddeln; Streckentauchen, wie ich es hasse. Es hat vereinzelt ein paar Graue Riffhaie und ein paar Kröten und immerhin steht an der Südspitze, die auf den Namen Peleliu Corner hört, eine riesige Schule Großaugenmakrelen. Ansonsten war das eher nichts; zumindest nicht meins.
Viel besser präsentiert sich der Peleliu Cut, eine Einbuchtung in der Steilwand im Südwesten Pelelius. Eine Stunde lang vergnügen wir uns mit riesigen Fischschwärmen, vor allem Roten Schnappern, Schwarzweiß-Schnapper, Stachelmakrelen und Nasendoktoren. Fisch, so weit das Auge reicht, wirklich toll!
Am Nachmittag springen wir am Cut und tauchen gen Norden Richtung Peleliu Wall. Es ist nicht mehr so viel los wie am Vormittag, aber immerhin ist der Rotschnapperschwarm noch da und passiert uns während unserer weiterhin strömungsfreien Paddelei an der Wand entlang mehrmals. Besagte Wand ist über und über in gelbe Anemonen oder Korallen (kann die so schlecht auseinanderhalten) getunkt, ein toller Anblick! Auf dem Riffdach patrouillieren Schwarzspitzen-Riffhaie, Büffelkopf-Papageien und Blaustreifen-Schnapper, während sich in den Felsritzen knallpinke Schaukelfische verkriechen. Super-Tauchgang!
Den Abschluss heute macht der Orange Beach im Westen Pelelius. Dies ist einer der Strände, an dem die Amis im 2. Weltkrieg gelandet sind. Angeblich liegen noch viele Relikte von damals auf dem Meeresboden verstreut, aber inzwischen ist alles von einem tippitoppi, fantastischem Steinkorallengarten überwuchert. Große Schnapperschwärme und ein paar Kröten streifen übers Riff, garniert von Füsilieren, ein paar Occis und einem schwarzen Krokodilsfisch im Sand. Absolut top!
Tauchtag 3 startet mit Palaus bekanntestem Platz: Die Blue Corner am nordwestlichen Ende von Ngemelis Island ist legendär für ordentlich Wumms, viel Großfisch und eine atemberaubende Artenvielfalt. Normalerweise hängt man sich hier an die Kante des senkrecht abfallenden Riffs und schaut dem Treiben entlang des Drop-offs zu. Von Wumms fehlt aber jede Spur, wie schon gestern an Peleliu hat es auch heute kaum Strömung. Dementsprechend bleibt der Riffhaken im Jacket und wir können uns frei über dem dreieckigen Plateau bewegen. Und auf dem wimmelt es vor Leben, auch wenn die Grauen Riffhaie heute nicht so zahlreich vertreten sind: Große Fischschwärme geben sich ein Stelldichein, darunter Stachelmakrelen, Soldatenfische, Blaustreifenschnapper, Barrakudas, Zackenbarsche, Rotzahndrücker und Nasendoktoren. Mehrere Adlerrochen, Kröten, einige Napoleons und tonnenweise Weißspitzen runden das Riff-Potpourri ab. Mega! Für mich gehört die "Blue Corner" weiterhin zu den Top-5-Tauchplätzen weltweit.
Direkt nördlich der blauen Ecke befinden sich die Blue Holes – durch einige Löcher im Riff gelangt man in eine große Kaverne, in der man die von oben einfallenden Sonnenstrahlen auf sich wirken lassen sollte. Ein Hauch von Cenoten – ein winzig winziger Hauch. Im Freiwasser angekommen soll es eigentlich Richtung "Blue Corner" gehen, aber die in den letzten zwei Stunden aufgekommene Strömung hat andere Pläne mit uns. So dümpeln wir an der zugegebenermaßen ganz nett bewachsenen Steilwand entlang und vertreiben uns die Zeit mit dem üblichen Riffleben. Ok-ish.
Am Nachmittag klonen wir den vorgestrigen Tauchgang vom German Channel: wieder keine Mantas, ein paar pennende Graue Riffhaie und ein spaßiger Drift durch die Lagune. Lediglich die Schule Großaugenmakrelen stand vorgestern nicht im Drehbuch.
Die Steilwand vom Big Drop-off südöstlich von Ngemelis Island ist mir vor allem wegen ihres tollen Bewuchses in Form von Weichkorallen und Gorgonien im Gedächtnis geblieben. Auch 12 Jahre später ist die Wand immer noch toll bewachsen, die Meereserwärmung scheint an den Riffen Palaus spurlos vorübergegangen zu sein. Ansonsten dreht sich der heutige Nachttauchgang natürlich wieder um Kleinkram, wie Krebschen und Garnelen und irgendwelche Relikte aus dem 2. Weltkrieg, die wie eine Abrissbirne im Riff hängen.
Zum Start in den Tag versuchen wir es wieder an der Blue Corner, aber es hat immer noch keine Strömung, weswegen das Großfischaufkommen weiter dünn ausfällt. Das gilt auch für die restliche Fauna; gestern war deutlich mehr los. Danach machen wir uns auf gen Norden zu Plätzen, die für mich Neuland sind. Den Anfang macht Sandy Paradise, am Außenriff vor Ulong Island gelegen. Sanft fällt der Korallengarten bis in eine Tiefe von 30 m ab, wo der schneeweiße Sandboden die Kontrolle übernimmt und in der Ferne im Blau des Pazifiks entschwindet. Eigentlich ist der Platz ein strömungsfreier Badewannentauchplatz mit buntem, kleinem Riffkram, wie er im Buche steht — und hat somit alles, was ich an Ägyptens landbasierten Plätzen hasse. Trotzdem finde ich das sandige Paradies Hammer, sei es wegen der völlig intakten, überall herumstehenden Tischkorallen, die dem Riff einen anderen Charakter geben als den oft feuerkorallen-dominierten Riffen im Roten Meer. Vielleicht auch wegen der Critter, die man im Roten Meer nicht hat, wie den Fangschreckenkrebsen oder dem halben Dutzend Schaukelfischen, die sich in einem einzigen, vollständig in Glasfische eingehüllten Korallenblock verstecken. Vielleicht aber auch wegen der Fischschwärme, die, wohin man auch blickt, herumstreunen: Gelbschwanzbarrakudas, Weißmaulmakrelen, Wimpelfische, Schnapper, Flötenfische – alles kommt hier in Schulen, sogar die Weißspitzen. Genialer Platz, zusammen mit der "Blue Corner" mein bisheriger Favorit.
Dieser Status ist nach dem Mittagessen schnell wieder in Gefahr, denn mit dem nur einen Steinwurf entfernten Ulong Channel steht ein weiteres Palau-Highlight auf dem Programm. Der Kanal ist eigentlich kein Kanal, denn er durchbricht das Außenriff nicht ganz und endet nach 700 m in einer Sackgasse — größere Boote haben keine Chance, die hinter dem Riff in der Lagune gelegene Ulong Island mit ihren Traumstränden auf diesem Weg zu erreichen. Wir packen uns erstmal an den Eingang des Kanals und schauen dem Treiben im Freiwasser zu. Ein paar Graue Riffhaie patrouillieren hin und her, begleitet von einem großen Hundezahn-Thun. Nach 30 min geht es in den Kanal, der von einem wieder mal absolut brillanten Steinkorallengarten gesäumt wird, in dem sich, wohin man auch schaut, Getarnte Zackenbarsche verstecken. Mit immer weiter zunehmender Strömung fliegen wir förmlich durch den Kanal, vorbei an wie festgetackert in der Strömung stehenden Fischschwärmen und der laut "National Geographic" mit bis zu 7 m Höhe größten Salatkoralle der Welt. Groß sind auch die mächtigen Mördermuscheln, auf die man beim Austauchen in der Sackgasse trifft, da bräuchte man viel Knoblauchsauce, bis man die weg hätte. Wollen wir natürlich nicht, sollen stehen bleiben, damit der Ulong Channel noch lange so ein Knaller-Tauchplatz bleibt, wie wir ihn vorgefunden haben!
Heute ist Blue Corner-Tag, "Blue Corner" zum Frühstück, "Blue Corner" zum Mittag und "Blue Corner" am Abend. Die ersten beiden Male gibt es strömungstechnisch nichts Neues zu vermelden. 4x hinereinander "Blue Corner" ohne Strömung kommt wohl auch nicht allzu häufig vor; gibt uns aber Gelegenheit, das Riff in allen nur denkbaren Varianten zu betauchen: von Nord nach Süd, von Süd nach Nord, mal mit Schwarmfisch in Salatkoralle, mal mit Schaukelfisch in Felsspalte. Aber immer schön. Am Abend frischt es endlich auf, sodass die Riffhaken noch zu ihrem Recht kommen: Wir hängen uns an der Südseite ein und schauen dem Dutzend Grauer Riffhaie beim Manövrieren in der Strömung zu. Toll!
Unterbrochen wird die "Blue Corner"-Orgie nur am Vormittag durch einen Abstieg an Dexters Wall, eine Steilwand, die sich direkt südlich an die "Blue Corner" anschließt. Im oberen Bereich ist die Wand eher ein Hang und völlig Palau-untypisch über und über mit Gestrüpp bewachsen, das etwas nach Weichkoralle aussieht – ein Krötenparadies. Mindestens ein halbes Dutzend Panzerträger sichten wir während des 75-minütigen Ausflugs. Zwischen dem Gestrüpp stehen haufenweise Anemonen herum, in denen sich Nemos unterschiedlicher Arten tummeln. Ganz ohne "Blue Corner" geht es aber auch bei diesem Tauchgang nicht: Nach einer Stunde Tauchzeit landen wir an deren Südecke und haben die Qual der Wahl zwischen Großfisch (Graue Riffhaie) und Makro (Schaukelfische und Porzellankrabben). Manchmal sehne ich mich nach meiner Kompaktknipse zurück, bei der man sich nicht vor jedem Tauchgang für ein bestimmtes Objektiv entscheiden musste: Es gab eh nur eins.
Der tolle Tag endet mit einer Hiobsbotschaft: Wir erfahren. dass der Jellyfish Lake nicht mehr auf dem Programm steht, weil es seit etwa einem Jahr praktisch keine Quallen mehr im See gibt. Als Ursache haben Wissenschaftler den Klimawandel und El Niño in Verdacht, der Anfang 2016 dazu geführt hat, dass es 4 Monate lang auf Palau kaum geregnet hat. Als Folge ist der Salzgehalt im See dramatsich angestiegen und die Quallen sind eingegangen. Ob sich der See jemals wieder erholt, kann im Moment niemand sagen. Es gibt Hoffnung, dass genug Quallenpolypen am Grund des Sees überleben können, bis sich die Bedingungen verbessern. So richtig groß ist die Hoffnung aber wohl nicht. Bis auf Weiteres bleibt also nur der Jellyfish Lake auf Kakaban, wenn man mit nicht nesselnden Quallen in einem See schnorcheln möchte.
Es geht wieder nach Norden. Nordwestlich von Ulong Island, an einem Abschnitt des Außenriffs, das hier auf den Namen Rebotel Reef hört, liegt die Siaes Corner. Die Ecke ist ein senkrechter Drop-off, der von 5 m bis in 50 m Wassertiefe reicht, wo er in einen langsam abfallenden Hang übergeht, bis er in mehreren hundert Metern Tiefe auf den Meeresboden trifft. Während der Flut patrouillieren oft Schulen von Grauen Riffhaien und Stachelmakrelen an der Riffkante, vor allem bei starker Strömung, die hier völlig unvermittelt auftreten oder die Richtung wechseln kann. Im Prinzip ist die "Siaes Corner" also eine recht ordentliche Kopie der "Blue Corner". Konsequenterweise tauchen wir heute auch eine Kopie des gestrigen Tages, es geht nämlich gleich 3x an der "Siaes Corner" abwärts. Bei den ersten beiden Abstiegen lässt die Strömung sich mal wieder bitten; nur vereinzelt Graue Riffhaie und ein kleiner Barrakuda-Schwarm sind die einzigen nennenswerten Erscheinungen. Beim 2. Tauchgang ist sogar so wenig los, dass ich mich genötigt sehe, mich mit Weihnachtsbaumwürmern zu beschäftigen. Oje! Nur beim letzten Tauchgang am Abend kachelt es ordentlich. Wir hängen uns wie die Hühner auf der Stange mit dem Riffhaken an die Kante und schauen fern. Danach gibt's noch ein bisschen Fischfotografie auf dem durchaus ansehnlichen Riffdach, auf dem aber nicht ganz so sehr das Leben tobt wie auf dem Plateau der "Blue Corner".
Als kleine Abwechslung für zwischendurch gibt's am Vormittag einen Tauchgang am benachbarten Siaes Tunnel, der kein Tunnel ist, sondern eine große Grotte, in die dank dreier großer Öffnungen natürliches Umgebungslicht einfällt. Am Südeingang in 28 m Tiefe begrüßt uns ein Schwam Großaugenmakrelen. Auf dem Weg durch den etwa 50 m langen Tunnel passieren wir einige Weißspitzen, die sich auf dem Sandboden von den Strapazen der Nacht ausruhen. Am Tunnelende macht uns Guide Diego auf eine Flammende Feilenmuschel aufmerksam, die sich in der Felswand eingegraben hat. Das ist dann auch der erste Tauchgang des Trips, bei dem ein Guide wirklich sinnvoll ist. Bisher liefen die Tauchgänge immer so: Zusammen reinspringen, dann geht jeder seines Weges und tut, was er will und zum Safety Stop trifft man sich immer irgendwie wieder. Mucho gusto! Nach meinem Geschmack sind auch die wunderbaren Weichkorallen, die das hintere Fenster des Tunnels dekorieren, sowie die Torpedogrundeln, die normalerweise in Tiefen um 60 m leben, hier aber aus unerfindlichen Gründe(l)n viel höher kommen. Nach dem Verlassen des Tunnels paddeln wir noch eine halbe Stunde lang Schulter links an der Steilwand entlang und erfreuen uns der Kröten und des ansehnlichen Riffes. Sehr schön!
Unser letzter Tag beginnt mit einem weiteren legendären Palau-Tauchplatz, der Chandelier Cave im Hafen von Malakal Island. Die Höhle besteht aus 4 hintereinanderliegenden Kammern, in denen man auftauchen kann; eine 5. Kammer liegt komplett über dem Meeresspiegel und ist demzufolge trocken. Um von einer Kammer zur anderen zu gelangen, muss man nur kurz seinen Kopf unter Wasser stecken und ein paar Meter schwimmen, die Verbindungen sind sehr breit und sehr kurz. Das Gleiche gilt für den Weg vom und ins Freiwasser, mehr als 1-2 min ist man nicht unterwegs. Von daher ist die Chandelier Cave für alle nicht klaustrophobisch veranlagten Sporttaucher gut zu meistern. Und der Weg lohnt sich durchaus, gerade in den ersten beiden Kammern wachsen mächtige, wunderbare Stalagtiten von der Höhlendecke herab – Ergebnis jahrhunderttausendelanger, stetiger Arbeit des Regenwassers, das die Höhle aus dem porösen Kalkstein herauserodiert hat. Nach einer guten halben Stunde verlassen wir die Höhle und gehen in einem kleinen Geweihkorallenfeld nahe dem Höhleneingang auf Mandarinfischjagd. Ich dachte immer, dass die bunten Kerlchen immer nur in der Abenddämmerung ihr Versteck verlassen, um sich mit den Weibchen ein wenig zu vergnügen, aber hier kann man sie auch tagsüber durch die Korallen streifen sehen. Zur Abrundung des tollen Tauchgangs beehrt uns noch eine Kalmar-Familie, bevor nach einer Stunde unser letzter Palau-Tauchgang sein Ende findet.
Während die Crew die Vorräte für die Überfahrt zu den Philippinen auffüllt, besuchen wir einen der Traumstrände in den Rock Islands und lassen für 2 Stunden die Seele baumeln. Da das nicht so ganz mein Ding ist, begebe ich mich ins Wasser und schwimme eine kleine Runde zum Nachbarstrand. Hätte ich lieber lassen sollen, denn bei dem Anblick des mit Plastik und anderem aus dem Meer angeschwemmten Unrat total zugemüllten Strandes vergeht einem direkt die Urlaubsfreude. Die globale Meeresverschmutzung macht halt auch vor Palau nicht halt. Würden die Touristenstrände nicht regelmäßig gesäubert, sähe es an denen mit Sicherheit genauso aus.
Nach dem Strandbesuch geht es auf eine einstündige Bötchenfahrt durch die fantastischen "Rock Islands" mit all ihren mit tropischem Regenwald bewachsenen Pilzinseln. Kann man sich nicht besser ausdenken! Und schon ist die Urlaubsfreude zurück.
Am frühen Nachmittag wird's ernst: Die frischen Vorräte sind gebunkert, das Schiff ist aufgetankt, los geht's auf den langen Weg gen Westen. 2 Tage soll die Überfahrt zu den Philippinen dauern.
Das Meer ist ruhig und die Stimmung gut. Die Freizeit wird zum Sonnenbaden, Schnacken, Snacken, Videos schneiden oder zu einer Partie Tennis auf der Wii genutzt. Und, um den Palau-Teil schon mal zu rekapitulieren: Ich fand Palau wieder toll, auch wenn die spektakulären Highlights fehlten. Eigentlich sieht man nichts, was man nicht auch woanders sehen kann und haitechnisch gibt's auch meist "nur" Graue Riffhaie und Weißspitzen. Dafür sieht man an manchen Plätzen (insb. an der "Blue Corner") eine derartige Artenvielfalt und Masse an Fisch, die man auf der Welt nur ganz selten geballt an einem einzelnen Platz noch hat. Komodo und der Sudan fallen mir da noch ein, vielleicht noch Fakarava, aber danach wird's dünn. Gepaart mit größtenteils intakten Traumriffen macht das Palau für mich zu einem Ziel, das ich auch noch ein drittes Mal besuchen würde. Ich bin gespannt, wie sich im Vergleich dazu in der kommenden Woche die Philippinen und vor allem Tubbataha präsentieren. Noch 36 Stunden bis Surigao.