November 2004-März 2005
Früh am Morgen stehe ich im Adventure Center auf der Matte, um zu schauen, was man im schönen Storms River noch so machen kann. Und an Aktivitäten mangelt es nicht, Storms River ist für Südafrika das, was Queenstown für Neuseeland ist, 1000 Möglichkeiten, seinen Adrenalinpegel in die Höhe schnellen zu lassen, sportlich aktiv zu werden oder einfach nur die Natur zu genießen. Von Bungy Jumping über Fallschirmspringen, Gleitschirmfliegen, Kloofing (südafrikanisch für "Canyoning"), Tauchen, Schnorcheln, Abseiling, Blackwater Tubing, Mountain Biken, Hiken (neudeutsch für "Wandern") bis hin zum Bötchen fahren auf dem Storms River Gorge ist alles möglich. Eigentlich wollte ich es mal mit dem Tubing probieren, aber ein Zimmergenosse hat mir geflüstert, dass das hier echt albern sein soll: Mit von Baum zu Baum geschlittert, 30 m über dem Waldboden und 3fach gesichert. Guide Ricky erklärt, dass die Plattformen auf den Bäumen ohne Nägel befestigt sind und alleine durch Zugspannung gehalten werden, weswegen das Ganze auch eine recht umweltfreundliche Angelegenheit ist. Der Adrenalinpegel hält sich zwar in Grenzen, aber die Sliderei von Baum zu Baum macht einen ziemlichen Spaß und die Guides sorgen mit allerlei Faxen für Stimmung. Sehr netter Zeitvertreib. Nach dem Mittagessen lasse ich mich vom Shuttle zum Bloukrans Bungy kutschieren. Nachdem ich vor 4 Jahren in Queenstown von der Pipeline (102 m) gehüpft bin, spiele ich mit dem Gedanken, es jetzt mal mit 216 m zu versuchen. Ob man nun 100 m fliegt oder 200 sollte ja keinen großen Unterschied machen. Allerdings ist die Warteliste lang, was mir eine hervorragende Ausrede liefert, es doch nicht zu tun, denn spontan wird mir erstmal schlecht, als ich ein paar Delinquenten bei ihren Flugübungen zuschaue. Die Geschwindigkeit, die man da in Bruchteilen von Sekunden drauf kriegt, lässt sich im Fernsehen überhaupt nicht wiedergeben, das muss man live gesehen habe. Da ich meinen Magen und mein Nervenkostüm nicht überstrapazieren will, lasse ich mich lieber zum Storms River Mouth fahren, der Mündung des Storms River in den Indischen Ozean. Dort befindet sich ein großes Besucherzentrum, in dem man die obligatorischen Souvenirs und sonstigen unnützen Schnickschnack kaufen kann. Gleichzeitig ist dies auch der Ausgangspunkte für diverse mehr oder weniger lange Walking Tracks, die einen in die fantastische Natur entführen. Der "Mouth Trail" führt am Fluss entlang zu einer nett anzuschauenden Hängebrücke und dann weiter die Klippen rauf auf den Aussichtspunkt, von dem aus ich schon gestern während der Mountainbike-Tour die Aussicht über den Ozean genossen habe. Nach dem zweistündigen Abstecher hierher nehme ich den Start des Otter Trails in Angriff. Der Otter Trail ist ein 42 km langer Wanderweg, der zu den schönsten Südafrikas gehören soll. Er führt vom Storms River Mouth im Osten bis zum Nature's Valley im Westen und ist einer der am meisten besuchten Tracks in Südafrika. Er kann und darf wegen beschränkter Übernachtungsmöglichkeiten nur nach vorheriger Anmeldung begangen werden, was ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen ist, wenn man nicht 1 Jahr im Voraus bucht. Lediglich die ersten 3 km darf man ohne Buchung gehen, was sich absolut lohnt. Der schmale, aber ebene Weg führt an der Steilküste entlang, erst durch den Wald, später auch über Felsen und Stock und Stein bis zu einem großen, natürlichen Swimming Pool mit eingebautem Wasserfall, unter dem man sich ein wenig erfrischen kann. Also Badehose nicht vergessen! Auf dem Rückweg inspiziere ich noch eine kleine Höhle, in der haufenweise Fledermäuse um mich herum schwirren. Da ich leider zu spät fürs Abendessen im Hostel wieder ankomme und es in Storms River keinerlei auswärtige Essmöglichkeiten gibt, muss ich meinen Hunger mit gemischter, vegetarischer Kost stillen: Tequila, Wodka-O und Whisky-Cola.
Helm und Schwimmweste ausgestattet setzt man sich in einen Gummireifen und dümpelt den Storms River Gorge hinunter, der nun alles andere als ein reißender Strom ist. Mehr so Hallenbad Weiden, Kinderbecken. Also schreibe ich mich lieber fürs Tree Top Canopy ein. Kurze Zeit später geht's mit einer Horde pauschalreisender Amis auf die Bäume. Über ein Stahlseil wirdAn meinem letzten Tag in Storms River will ich mal wieder tauchen gehen. Das soll hier im Marine Park, der auch Teil des Tsitsikamma National Parks ist, ziemlich cool sein, wenn es oft auch sehr rau zugeht. Heute ist es definitiv zu rau und das Tauchen muss ausfallen. Also wähle ich die zweitbeste Option und verbringe den Tag in einer saubequemen südafrikanischen Hängematte und sinniere über das bisher Gesehene: Die Garden Route ist zwar wirklich schön und sehenswert, aber in meinen Augen auch sehr europäisch, sowohl was die Natur als auch was die Menschen angeht. Es sind mehr Weiße als Schwarze zu sehen, naturtechnisch und architektonisch könnte man sich auch irgendwo in den Voralpen oder an der Mittelmeerküste befinden. Die Garden Route ist nicht das, was ich mir unter Afrika vorstelle, und ich frage mich, wieso viele Touris, die Südafrika besuchen und nur zwei, drei Wochen Zeit haben, sich ausgerechnet die Garden Route anschauen. Das "echte", "schwarze" Südafrika soll noch kommen, je weiter man gen Osten fährt. Insbesondere die Transkei und KwaZulu Natal sollen sich diesbezüglich hervortun. Ich bin gespannt. Bevor ich zu viel sinnieren kann, holt mich um 18.30 Uhr der Baz Bus ab und karrt mich nach Port Elizabeth, welches in Südafrika einfach kurz "PE" genannt wird. Ich steige im Kings Beach Backpackers ab, einem einfachen, aber sauberen Hostel mit freundlichem Staff. Allerdings ist mir nicht danach, in einem Industriegebiet alleine auf die Suche nach einer Kneipe zu gehen, weswegen das ansonsten obligatorische Gute-Nacht-Getränk heute ausfällt.
Überraschung am nächsten Morgen: Der Baz Bus ist pünktlich. Punkt 7 Uhr geht's ab nach East London, wo wir um viertel nach 11 ankommen. Der Shuttle, der mich nach Hogsback bringen soll, ist auch kurze Zeit später da, dreht zu meinem Erschrecken aber vorher noch eine Extrarunde nach Cintsa. Also mal wieder 3 Stunden totschlagen, was bei strömendem Regen, ein paar Partien Pool Billiard und 3 bis 4 Bier im Sugarshack aber blendend funktioniert. Auf dem Weg nach Hogsback halten wir bei King William Town noch in einer Fleischerei. Als ich dort nach Biltong frage (getrocknetes Fleisch in Stangenform in verschiedenen Geschmacksrichtungen, z.B. Kudu, Springbok oder Strauß; essen die Südafrikaner mit großer Leidenschaft), meint der Oberschlachter zu mir: "Sorry, don't have. You can buy three kilometers down the road." Nach kurzem Zögern fügt er vorsichtig hinzu: "But you don't wanna go there without your 9 mm!". Danke, wir schaffen's dann auch ohne Biltong bis nach Hogsback, in den Amatola Mountains gelegen. Die Landschaft ist wirklich genial, von Feuchtwäldern überzogene Gebirgszüge, aus denen ab und zu mal eine Steilwand emporragt, umwabert von Wolken und Nebelschwaden, was der Szenerie eine etwas mystische Atmosphäre verleiht. Kein Wunder, dass sich ein gewisser Engländer namens J.R.R. Tolkien hier zu einer Trilogie namens "Der Herr der Ringe" hat inspirieren lassen. Zumindest behaupten das die Südafrikaner. Ich checke im Away With The Fairies ein, welches direkt am Rande eines Naturparks liegt. Im Garten beginnen einige Wanderwege durch die angrenzenden Wälder, von denen ich einen noch abends um 17.30 Uhr unter die Füße nehme. Es soll ein kurzer Ausflug zu den Madonna Falls werden: 45 Minuten braucht man dahin, schätzt der Hostel-Staff. Nach 45 Minuten Jogging auf dem schlammigen Wanderweg durch den Wald erreiche ich ein Schild mit der Aufschrift "Madonna and Child: 30 min". Ohne Joggen braucht man also knapp 2 Stunden! Grob verschätzt, würde ich sagen. Da es jetzt schon langsam etwas finster wird, kehre ich um und mache mich auf den Rückweg. Der Versuch, der Dunkelheit zuvorzukommen, misslingt, da sich eine in meiner Karte verzeichnete Abkürzung als unpassierbar herausstellt: Total verschlammt muss ich auf allen Vieren den steilen Hang hochkrabbeln, bis sich der nicht markierte Pfad im dichten Gebüsch verliert und ich in einer Sackgasse ende, weil sich vor mir eine 100 m hohe Felswand auftürmt. Da meine Kletterfähigkeiten bekanntermaßen beschränkt sind, rutsche ich einfach den Hang auf dem Hintern wieder runter, und folge dem Hauptweg durch den fast stockdunklen Wald, bis ich endlich im Hostel wieder eintreffe. Auf einem Abendspaziergang durch den Wald eine Taschenlampe mitzunehmen wäre mal gar keine so schlechte Idee ...
Der nächste Morgen beginnt vielversprechend, es ist halbwegs sonnig und die Aussicht vom Garten des Hostels über die Amatola Mountains einfach fantastisch. Den 50 cm breiten Weg, der ohne Geländer direkt an der 100 m senkrecht abfallenden Felswand entlang führt, finde ich allerdings etwas scary und frage mich, ob hier wohl schon mal jemand abgestürzt ist. Um 10 Uhr beginne ich meine Tageswanderung durch die angrenzenden Wälder, in denen es vor Wasserfällen nur so wimmelt: "Swallow Tail Falls", "Madonna & Child", "Bridal Vail Falls", etc. pp. Die Lauferei macht echt Spaß, die Wege sind gigantisch mit tollen Ausblicken über die Landschaft und die mich umgebenden Regenwälder traumhaft. Eher traumatisch ist, dass es am Mittag wie aus Kübeln anfängt zu schütten, sodass ich mich erstmal 45 Minuten unter einen Baum verkrieche. Da Petrus kein Einsehen hat, stapfe ich durch den strömenden Regen weiter, bis ich eine Weggabelung erreiche, an der ein Schild mit der Aufschrift "Oak Avenue" steht. Prima, genau da will ich hin. Dummerweise steht auf dem Schild keine Richtungsangabe, was bei einer Weggabelung größtenteils suboptimal ist. Da meiner Karte diese Gabelung völlig unbekannt ist, entscheide ich mich kurzerhand für rechts, was sich wenig später als schlechte Wahl herausstellt, denn schon bald stehe ich wie schon gestern mitten im Wald, kein Weg mehr in Sicht. Spontan fühle ich mich an diverse Horrorstories im Fernsehen erinnert: "Dämlicher Tourist verirrt sich im Wald, Suche nach 5 Tagen aufgegeben", oder so ähnlich. Dann erinnere ich mich an mein Gehör und folge den Motorengeräuschen, die ich in der Ferne wahrnehme. Nach 10 Minuten Krabbeln durchs Unterholz erreiche ich tatsächlich wieder einen begehbaren Pfad, der mich zur Oak Avenue führt, hurra. Wie ein begossener Pudel stapfe ich immer noch bei strömenden Regen über die Straßen Hogsback zurück zum Hostel, wo ich den Abend in einem schön mollig warmem und trockenem Wohnzimmersofa verbringe. Es war zwar eine etwas feuchte Angelegenheit, aber trotzdem ein Supertag in einer tollen und wenig frequentierten Natur: Während der gesamten Wanderung bin ich genau zwei Menschen begegnet.
Mit zwei meiner Mitbewohner, Anja und Allen, will ich heute eine Tour auf einen der drei Berge nahe Hogsback machen, nämlich auf "Hog 1". Bei dieser Gelegenheit wollen wir auch versuchen zu ergründen, warum man einem Ort den Namen "Schweinerücken" gibt - soll wohl an der Form der umliegenden Berge liegen. Aus der geplanten Tour wird dann nichts, weil sich das Wetter wieder nicht von seiner schönen Seite zeigt. Nochmal einen Tag bei strömendem Regen durch die Wälder stapfen, muss ich dann doch nicht haben, so schön die Natur auch ist. Nachdem wir es nach einer Stunde dem Schweinerücken den Rücken. Wir besuchen noch den Eco Shrine, wo die englische Künstlerin Diana Graham ihre Fantasien bzgl. Mensch und Natur auslebt (ganz sehenswert), und machen uns dann auf den Weg nach Cintsa, wo wir gegen 16 Uhr im Buccaneers einchecken. Dieses direkt am Strand gelegene Hostel wird wegen Unterkunft, Lage, Essen und vielen freien Aktivitäten oft als "bestes Hostel Südafrikas" bezeichnet. Dass da etwas dran ist, merken wir gleich, als wir zum Beach-Volleyball motiviert werden. Dass Beachen ist ja nicht so ungewöhnlich, dass man dazu aber auch noch Wein für lau kredenzt bekommt, schon eher. Dass es kein wirklich edles Tröpfchen ist, versteht sich aber wohl von selbst und merke sogar ich mit meiner völlig weinunkundigen Zunge. Umso edler ist dafür das abendlich Xhosa Dinner, zubereitet nach traditioneller Xhosa-Art. Aha, ein erstes Anzeichen, dass wir dem "schwarzen" Südafrika näher kommen, wir befinden uns in der westlichen Transkei, welches zu Zeiten der Apartheid ein Homeland war. Mit freudiger Erwartung auf die Dinge, die da kommen, plündern wir bis 1 Uhr die Bar.
Probieren dann auch schaffen, Allans Golf anzuschmeißen, kehren wirAllan und Anja mitfahren zu können und nicht auf den Baz Bus angewiesen zu sein. Die Fahrt geht durch das Herz der Transkei. Die Landschaft ist mal wieder fantastisch, satte grüne Wiesen, die sich über die Hügel ziehen, viele kleine Dörfchen mit den typischen Rundhütten sind an die Hänge getupft, hier mal eine Gebirgskette, dort mal ein mächtiger Fluss, dessen tiefbraunes, schlammiges Wasser sich Richtung Ozean schleppt - einfach mega. Das Autofahren ist wegen des vielen Viehs auf der Straße allerdings etwas stressig: von Ziegen, Schafen, Kühen, Schweinen und Hühnern über Kinder bis hin zu Rollstuhlfahren kann einem alles mitten auf der Straße entgegenkommen. Kurz hinter Butterworth liegt mitten auf der N2 eine Ziege auf der Fahrbahn und relaxed. Nicht, dass sie sich auch nur einen Zentimeter bewegt oder unser herannahendes Auto auch nur eines Blickes würdigt. Die N2 ist die Hauptverkehrsverbindung von Süden nach Norden, das ist etwa so, als ruhte sich auf der A3, Köln - Frankfurt, am Elzer Berg mal eben eine Kuh auf der Überholspur aus. Um 16.30 Uhr erreichen wir unser Ziel, das Örtchen Coffee Bay, im Herzen der Wild Coast, dem bekanntesten Stück Transkei, gelegen. Der Ort ist komplett am Arsch der Welt, weit und breit nur ein kleiner Shop, sonst nix. Wir checken im Bomvu Backpackers ein, einem relaxeden Platz mit schönem Garten und netter, kuscheliger Bar, an der wir sogleich unseren Abend verbringen.
Nach ausgiebigem Frühstück machen wir uns gegen Mittag auf nach Coffee Bay. Ich bin froh, nochmal mitUm 9 Uhr holt uns am nächsten Morgen unser einheimischer Guide Peter ab, um uns bei einem zweieinhalbstündigen Spaziergang an der Küste entlang die fantastische Wild Coast zu zeigen. Und die Küste ist wirklich fantastisch, sicherlich mit das schönste Fleckchen Küste, das ich je gesehen habe. An malerischen Buchten und menschenleeren Stränden entlang, vorbei an steilen Felshängen und über grüne Hügel, auf denen die bunten Rundhütten der Einheimischen stehen, geht es zum "Hole in the Wall". Dies ist ein Loch in einer der Küste vorgelagerten Insel, welches das Meer in Jahrtausende langer Arbeit aus dem Fels gespült hat. Das Loch als solches finde ich allerdings weniger beeindruckend als den Weg an der Küste entlang:
Wir baden noch etwas in den braunen Fluten und sind gegen 14 Uhr an dem Treffpunkt, an dem uns der Shuttle abholen und zurück zum Hostel bringen soll. Aus dem 2-1/2-Stunden-Trip sind jetzt schon 5 Stunden geworden, was angesichts der klasse Tour aber auch gut so ist. Nur die zwei weiteren Stunden, die wir auf den nicht erscheinenden Shuttle warten, sind etwas nervig. Schließlich erbarmt sich ein Einheimischer und bringt uns mit seinem Pickup zurück zum Hostel. Der Rest des Abends und somit auch der Wochenabschluss bringt keine grundsätzlich neuen Aktivitäten: Pool Billiard und Bier.